Die vierteilige Podcast-Doku „Unsere Franzi – Being Franziska van Almsick“ beleuchtet den Aufstieg der Schwimm-Legende aus Ost-Berlin und ihre Triumphe. Ein Sportstar allein trägt jedoch noch keine große Erzählung
Franziska van Almsick war eine der besten Schwimmerinnen ihrer Zeit
Foto: SWR
Von Deutschland existieren sehr spezielle Bilder. Pünktlichkeit, eine effiziente Bürokratie. Und die Sportstars der 90er. Steffi Graf, Boris Becker, Jan Ullrich, Michael Schumacher oder Franziska van Almsick.
Nun ist es leider so: Die Bahn kommt erst in ein paar Jahren wieder pünktlich (vielleicht) und ein neuer Perso wird zur kafkaesken Grenzerfahrung. Vielleicht rührt es aus eben dieser allgemeinen gesellschaftlichen Trübsal, dass sich die Medien- und Kulturlandschaft geradezu auf die Sport-Held:innen der 90er stürzt.
Ulle, Bobbele, Franzi – an diesem Pfeiler des gesellschaftlichen Selbstbildes wollen wir nicht rütteln. Boris Becker schreibt ein neues Buch? Allgemeine mediale Schnappatmung. Über Jan Ullrich gibt es nicht nur eine Amazon-Prime-Doku, sondern auch einen sehr hörenswerten NDR-Podcast (Jan Ullrich. Held auf Zeit) – zusammen mit einer Fernsehdoku-Serie in der ARD. 2023 erschien der Sportschau-Podcast Schumacher. Geschichte einer Ikone.
„Wunschkind der deutschen Einheit“
Jetzt ist der nächste Sportstar dran: Die vierteilige Podcast-Doku Unsere Franzi – Being Franziska van Almsick, produziert von rbb und SWR, befasst sich mit der Karriere der Ausnahmeschwimmerin aus Ost-Berlin. 1992 gewinnt van Almsick mit gerade mal 14 Jahren ihre ersten olympischen Medaillen. Van Almsick wird zu einer Sport-Legende, stellt Weltrekorde auf, wird zu Medien-Liebling und Werbe-Ikone, wird geliebt. Aber da ist auch die Kehrseite: Rückschläge und Misserfolge, Liebesentzug der Fans, Hohn in den Medien.
All das wäre Stoff für mehr als die vier Teile, auf die die Podcast-Serie ausgelegt ist. Allein die Geschichte von Franziska van Almsick als eine der ersten gesamtdeutschen Sportlegenden nach der Wiedervereinigung würde beinahe einen eigenen Podcast hergeben. Der Podcast macht zwar van Almsicks Herkunft zum Thema. Ihre Rolle als ein „Wunschkind der deutschen Einheit“ wird allerdings eher gesetzt als ausgelotet. Dabei hätten die gesellschaftliche Bedeutung und die Mechanismen und Sehnsüchte dahinter eine genauere Betrachtung verdient.
Hörenswert sind die Erinnerungen an eine Kindheit in der DDR und die vielen unverstellten Zitate der jungen Franziska van Almsick, aus denen auch eine gewisse Ambivalenz herauszuhören ist. Da ist einerseits eine Fähigkeit, die Öffentlichkeit für sich einzunehmen und dabei sie selbst zu bleiben. Da ist aber auch ein Mädchen, später eine sehr junge Frau, der der Medienrummel „auf den Senkel geht“.
Franziska van Almsick: Viel Stoff, wenig Haltung
Auch diese Dimension der Karriere wird thematisiert: Was es bedeutet, ein Jugendstar zu sein. Die Sexualisierung, der Hype der Medien – vom unangenehmen Harald Schmidt bis zur unsäglichen Schlagzeile „Franzi van Speck“ –, das Geld und die Schwierigkeit, bei all dem ein eigenes Leben zu führen und gut trainieren zu können.
Viel Raum gibt Host Lars Becker van Almsicks Essstörung und ihrem Kampf dagegen und verbindet dies mit dem Blick auf den Druck, der im Leistungssport herrscht. Auf das, was hinter den Kulissen der Ausnahme-Athletin passiert, die Schattenseite des Leistungssports, der uns fasziniert, begeistert, mitfiebern lässt. Diese Emotionen leben durch die originalen Kommentare der legendärsten Rennen noch einmal auf.
Und doch bleibt am Ende der Eindruck der Unentschlossenheit. Viele Themen tippt Unsere Franzi eher an und erzählt sie nicht aus. Da hilft es, die dazugehörige Fernseh-Doku anzuschauen. Die gibt es nämlich auch und beinahe scheint es so, als sei der Podcast eine Zweitverwertung. Das wird dem Medium freilich nicht gerecht. Lebt der Podcast nicht gerade davon, dass man hier mehr und ungebundener erzählen kann als im Fernsehen? Merke: Ein Sport-Star allein macht noch keinen herausragenden Podcast. Es braucht auch einen Standpunkt, von dem aus man die Geschichte erzählt.