Ukraine-Überblick: Baerbock mahnt zur Besonnenheit – Wagner-Chef rechnet mit langem Krieg

Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, stellt sich auf jahrelange zähe Kämpfe in der Ukraine ein. In einem Interview mit einem russischen Militärblogger sagte er, die geplante Eroberung der Regionen Donezk und Luhansk könnte anderthalb bis zwei Jahre in Anspruch nehmen. Ein weiteres Vordringen bis zum Fluss Dnipro könne seinen Einschätzungen zufolge bis zu drei Jahre dauern.

In dem Gespräch betonte Prigoschin außerdem die große Bedeutung der ukrainischen Stadt Bachmut. Eine Einnahme der Stadt sei strategisch wichtig für den weiteren Kriegsverlauf. „Bachmut wird benötigt, damit unsere Truppen ungestört operieren können“, sagte der Chef der Söldnertruppe. Die Einnahme werde allerdings noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Man käme gut voran, stoße aber auch auf erbitterten Widerstand der ukrainischen Truppen, sagte Prigoschin. 

Die Aussagen von Prigoschin bieten einen seltenen Einblick in die
russische
Einschätzung des Kriegs. Sie können auch als Eingeständnis interpretiert werden, dass der Kreml bei seinem Krieg weniger schnell vorankam, als er es erwartet hatte. Die russische Regierung hatte zu Beginn der Invasion der Ukraine erklärt, dass der Krieg innerhalb von Wochen vorbei sein würde.

Die Privatarmee Wagner kämpft in der Ukraine an der Seite der russischen Armee. Das britische Verteidigungsministerium hatte zuletzt einen Rückgang in der Rekrutierung von Häftlingen für die Wagner-Truppe beobachtet. Ein Schlüsselfaktor dabei dürfte wohl eine zunehmende Rivalität zwischen dem russischen Verteidigungsministerium und der Söldnergruppe sein, hieß es aus London. Außerdem schätzt das Ministerium, dass Russland mittlerweile den Großteil der Reservisten eingesetzt haben müsste, die bei der angeordneten Teilmobilmachung einberufen worden waren. Die Briten kommen daher zu der Einschätzung, dass Russland nun vor der schwierigen Entscheidung stehen müsste, die Streitkräfte weiter aufzubrauchen oder seine militärischen Ziele zurückzuschrauben. 

Baerbock will weitere Schritte bei Waffenlieferungen gut abwägen

In der Debatte um weitere Waffenlieferungen in die Ukraine hat Außenministerin Annalena Baerbock Besonnenheit angemahnt. „Es geht nicht um Spielzeug, sondern um schweres Kriegsmaterial“, sagte die Grünenpolitikerin dem Tagesspiegel. Jede weitere Waffenlieferung nannte sie eine „schwierige Entscheidung“ und warb dafür, jeden Schritt gut abzuwägen.

In der Diskussion müsse auch bedacht werden, „was passiert, wenn die Ukraine sich nicht verteidigen kann“, sagte Baerbock. Dann würden Städte wie Charkiw wieder belagert und beschossen und ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht.

Zum Thema einer möglichen Lieferung von Kampfflugzeugen sagte Baerbock: „Das ist keine Debatte, die wir führen.“ Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich in der Nacht zum Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel ähnlich geäußert. 

Weitere Ereignisse des Tages in Kürze:

  • Im Osten der Ukraine kämpfen die Truppen des Landes nach Angaben ihres Oberbefehlshabers Walerij Saluschnyj weiter um die von russischen Kräften stark attackierte Stadt Bachmut. Einige Frontabschnitte hätten die Truppen wieder unter Kontrolle bringen können.
  • Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau haben die russischen Truppen durch jüngste Angriffe Schienenwege für den Transport westlicher Waffen, Munition und Reserven in die Kampfzone blockiert.
  • Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, forderte eine zügige Vorbereitung für einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine. Die Integration seines Landes in die Europäische Union liege im gemeinsamen Interesse, sagte er.
  • Das russische Justizministerium hat acht weitere Menschen als sogenannte ausländische Agenten eingestuft. Darunter sind der bekannte Oppositionspolitiker Dmitri Gudkow, die Sängerin Zemfira und Putins früherer Redenschreiber Abbas Galljamow. Hinzu kommen unter anderem zwei Frauen, die sich für die Rechte queerer Menschen einsetzen, sowie ein Journalist.
  • Nach Angaben des ukrainischen Energieversorgers Ukrenergo sind mehrere Kraftwerke bei Drohnenangriffen getroffen worden. Der Regierung zufolge hat die Mehrheit der Menschen jedoch weiter Heizung, Wasser und Strom.

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