Ukraine-Krieg: Das 50-Milliarden-Versprechen welcher G7

Und wieder geht es um Geld für die Ukraine. Bevor der Gipfel der sieben großen westlichen Industrieländer (G 7) am Donnerstag im süditalienischen Apulien beginnt, steht das wichtigste Ergebnis fest. Das von Russland angegriffene Land, das sich seit mehr als zwei Jahren in einem brutalen Abwehrkampf befindet, soll von den eingefrorenen russischen Vermögenswerten profitieren, nicht direkt, sondern im vorauseilenden Griff auf die daraus erwarteten Erträge: 50 Milliarden Dollar (aktuell rund 46,2 Milliarden Euro) versprechen die Staats- und Regierungschefs dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der als Gast ebenfalls angereist ist. Wie die Erträge von aktuell rund 3 Milliarden Euro im Jahr auf diese doch stolze Summe „gehebelt“ werden sollen, wird indessen nicht verraten, denn das steht offenkundig noch gar nicht fest. Aber wichtig ist die Botschaft in Richtung Kiew – und nach Moskau: Der Westen lässt die Ukraine nicht im Stich – daran werden auch die brisanten Wahlen nichts ändern, die in Frankreich und in den Vereinigten Staaten anstehen – und die je nach Ausgang Entscheidungen zugunsten der Ukraine blockieren können.

So trifft Bundeskanzler Olaf Scholz am edlen Gipfelort Borgo Egnazia einmal mehr den Präsidenten der Ukraine. Die beiden sind sich diese Woche schon in Berlin begegnet, erst auf der Wiederaufbaukonferenz, dann bei der Rede des „hochrangigen Staatsgastes“ im Bundestag, so war er dort geheimnistuerisch angekündigt worden. Der Osteuropäer begleitet den Deutschen gleichsam durch die Woche. Nach dem Gipfel in Apulien reisen die beiden Politiker direkt weiter zur Friedenskonferenz in die Schweiz. In dem Luxusresort Bürgenstock am Vierwaldstättersee werden am Wochenende Vertreter aus etwa 90 Ländern erwartet. Von dieser sollte man sich nicht zu viel versprechen, da nicht nur der Aggressor Russland erwartungsgemäß fehlt, sondern auch sonst die Zusagen nicht so ausgefallen sind wie erhofft.

Eine ganze Palette an Themen

Doch nicht nur das Thema Ukraine begleitet den Bundeskanzler auf seiner Dienstreise. Die herbe Niederlage seiner SPD in der Europawahl ist in Süditalien unsichtbar mit von der Partie. Die Gipfelpartner haben das Ergebnis regis­triert. Frankreichs Präsident Emanuel Macron hat zwar ebenfalls verloren, aber mit seiner überraschenden Entscheidung, die Bürger zu den Wahlurnen zu rufen, immerhin das Heft des Handelns in der Hand behalten. Scholz hat die andere Lösung gewählt. Er macht weiter wie immer. Er läuft, und läuft und läuft. „Scholzomat“, der alten Spitzname aus seiner Zeit als SPD-Generalsekretär kommt da in den Sinn. Premierminister Rishi Sunak ist vergangenen Sonntag noch um eine Wahlniederlage herumgekommen, da die Briten die EU verlassen haben. Die steht ihm allen Umfragen zufolge jedoch in drei Wochen bevor. Amerikas Präsident Joe Biden muss bis Anfang November kämpfen, da alles nach einer engen Wahl aussieht. Dagegen hat Gastgeberin Giorgia Meloni, Vorsitzende der Fratelli d’Italia, am vergangenen Sonntag gezeigt, dass man als Regierungschef in Europa eine Wahl gewinnen kann.

Natürlich gibt es eine ganze Palette an Themen, die es in Süditalien zu besprechen gibt. Stichworte sind: Afrika, Klimawandel und Entwicklung, Naher Osten, Migration, Indopazifik und wirtschaftliche Sicherheit, Künstliche Intelligenz, und Energie. Das sind große Themen, die zumeist keine kurzfristigen Antworten erfordern. Anders sieht es bei der Hilfe für die Ukraine aus – und den Umgang mit den gigantischen Überkapazitäten, die Chinas Industrie aufgebaut hat. Beides hat schon die G-7-Finanzminister vor drei Wochen beschäftigt. In beiden Fällen haben die Amerikaner das Tempo bestimmt.

Die Ukraine hatte zunächst darauf gehofft, dass ihr das im Westen eingefrorene Vermögen Russlands direkt zur Verfügung gestellt wird. Die Rede ist von rund 260 Milliarden Euro. Der allergrößte Teil liegt in der EU, davon wiederum das meiste beim belgischen Wertpapierdienstleister Euroclear. Die Europäer argumentierten, die russischen Vermögenswerte seien durch das Prinzip der Staatensouveränität im Völkerrecht geschützt. Spielraum sehen sie nur bei den Erträgen daraus. Das ist keine akademische Frage, sondern politisch und wirtschaftlich höchst bedeutsam. In der EU fürchtet man im Falle eines Vermögensentzugs die Reaktion anderer Staaten, Abfluss von Devisenreserven in großen Stil, einen massiven Ansehensverlust des Euros. Das Versprechen von Bari ist für die EU daher nicht ohne Risiko. Wenn künftige Erträge als Kredit mit weichen Konditionen an Kiew weitergereicht werden, drohen Ausfälle – nicht nur wenn die Ukraine unterginge, sondern auch wenn es einen Friedensschluss geben sollte, der Russland wieder in den Genuss seiner eingefrorenen Vermögenswerte bringen würde. Je nach Konstruktion des geplanten Vehikels ändert sich die Risikoverteilung zwischen den westlichen Partnern. Entsprechend schwierig darf man sich die Verhandlungen vorstellen.

Ähnlich sieht es in der Frage aus, wie man künftig mit China umgehen soll. Die G 7 sieht mit Sorge die riesigen Überkapazitäten, die dort mit Hilfe des Staates aufgebaut wurden. Nachdem die Regierung in Washington Importzölle auf E-Autos ankündigte, hat die EU-Kommission diese Woche nachgezogen. Deutsche Unternehmen machen in der Volksrepublik häufig gute Gewinne, sie haben viel zu verlieren. Die Bundesregierung setzt auf Verhandlungen mit Peking in der nächsten Woche. In Apulien kann Scholz versuchen, Unterstützung für diese Strategie zu organisieren.

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