Ukraine-Friedensgipfel: Scholz spricht sich pro Beteiligung Russlands an künftigen Gipfeln aus

Beim sogenannten Friedensgipfel für die Ukraine in der Schweiz haben sich mehrere Teilnehmer – darunter Bundeskanzler Olaf Scholz – dafür ausgesprochen, Russland künftig an ähnlichen Konferenzen zu beteiligen. Zu dem Treffen am Bürgenstock bei Luzern war das Land, das die Ukraine angegriffen und teilweise besetzt hat, nicht eingeladen. Mehr als zwei Jahre nach dem Überfall suchen gut 90 Staaten nach Wegen zum Frieden zwischen dem Aggressor und der Ukraine.

„Es ist wahr, dass der Frieden in der Ukraine nicht erreicht werden kann, ohne Russland mit einzubeziehen“, sagte Scholz zum Auftakt des Treffens am Samstagabend. Er machte aber gleichzeitig deutlich, was aus seiner Sicht die Bedingungen für Frieden sind: „Russland könnte diesen Krieg heute oder zu jedem beliebigen Zeitpunkt beenden, wenn es seine Angriffe einstellt und seine Truppen aus der Ukraine abzieht.“

Harris bezeichnet Russlands Bedingungen als „Aufruf zur Kapitulation“

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte unmittelbar vor dem Gipfel seinerseits Bedingungen für Friedensverhandlungen aufgestellt, darunter der vollständige Verzicht der Ukraine auf die Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und die Schwarzmeerhalbinsel Krim – etwas mehr als ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris wies die Forderung als abwegig zurück. „Wir müssen die Wahrheit sagen. Er ruft nicht zu Verhandlungen auf, er ruft zur Kapitulation auf“, sagte sie in Bezug auf Putin und sicherte der Ukraine anhaltende Unterstützung im Abwehrkampf gegen Russland zu. „Amerika steht nicht aus Nächstenliebe an der Seite der Ukraine, sondern weil es in unserem strategischen Interesse ist.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen pochte darauf, die jetzige Situation auf dem Schlachtfeld dürfe nicht festgeschrieben werden. „Den Konflikt heute einzufrieren, während fremde Truppen ukrainisches Land besetzen, ist nicht die Antwort“, sagte sie. „Es ist ein Rezept für zukünftige Angriffskriege.“ Stattdessen müssten die Teilnehmer des Gipfels „einen umfassenden, gerechten und nachhaltigen Frieden“ für die Ukraine unterstützen. Dieser müsse auch die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen.

Selenskyj will der Diplomatie eine Chance geben

Die Initiative für den Gipfel ging von der Schweizer Regierung und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus. „Wir haben es geschafft, der Diplomatie eine Chance zu geben“, sagte Selenskyj vor der Eröffnung des Gipfels. Alles, was bei diesem internationalen Treffen vereinbart werde, sei „Teil des friedensstiftenden Prozesses“.

Weiter sagte der ukrainische Staatschef, dass er Russland erst einen Vorschlag für eine mögliche Beendigung des Krieges vorlegen werde, wenn sich die internationale Gemeinschaft darauf geeinigt habe. „Wir müssen gemeinsam entscheiden, was ein gerechter Frieden für die Welt bedeutet und wie er dauerhaft erreicht werden kann.“ Bis Sonntag soll über erste Schritte in Richtung Frieden beraten werden.

Kernkraftwerk Saporischschja, Häfen und Gefangenenaustausch sind zentrale Themen

Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen ihr
vorliegenden Entwurf für die Abschlusserklärung berichtet, sieht diese
die Forderung vor, der Regierung in Kiew wieder die volle Kontrolle über
das Kernkraftwerk Saporischschja zu übergeben. Auch der sichere,
komplette Zugang zu den Häfen am Schwarzen und Asowschen Meer müsse
gewährleistet werden, um den gerade für den sogenannten Globalen Süden
wichtigen Getreideexport der Ukraine über das Schwarze Meer
fortzusetzen.

Ferner sollten alle ukrainischen Kriegsgefangenen
freigelassen und deportierte ukrainische Kinder in ihre Heimat
zurückgebracht werden. Eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen gegen
die Ukraine im Zusammenhang mit dem laufenden Krieg sei unzulässig.

Die Schweizer Gastgeber hatten sich monatelang darum bemüht, möglichst viele Staaten zur Teilnahme an dem Gipfel zu bewegen. 160 wurden eingeladen, mehr als 90 sagten zu und sind zu einem großen Teil mit Staats- und Regierungschefs vertreten. Bundeskanzler Scholz reiste direkt vom G7-Gipfel in Süditalien in die Schweiz. US-Präsident Joe Biden klinkte sich dagegen zugunsten eines Termins zum Sammeln von Wahlkampfspenden in Los Angeles aus und lässt sich nun von seiner Stellvertreterin Harris vertreten.

Russlands Freunde sind skeptisch – oder bleiben fern

Auch wenn sie Russland nicht einluden, bemühten sich die Schweizer Gastgeber darum, möglichst viele mit Russland befreundete Länder mit an den Tisch zu bekommen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Mit China sagte der wichtigste Verbündete Russlands ganz ab. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und der indische Ministerpräsident Narendra Modi nahmen zwar die lange Reise nach Europa auf sich, um am Freitag am G7-Gipfel teilzunehmen. Die gleich daran anschließende Schweizer Konferenz schenkten sie sich aber. Brasilien ist nun nur als Beobachter dabei, Indien schickte laut Teilnehmerliste nur einen Staatssekretär aus dem Außenministerium. Für Südafrika ist der Nationale Sicherheitsberater dabei.

Der hochrangigste Vertreter aus den Ländern, die trotz des Angriffskriegs immer noch mit Russland befreundet sind, ist nun Saudi-Arabiens Außenminister Faisal bin Farhan al-Saud. Er merkte in Bürgenstock an, ein Fahrplan hin zum Frieden werde „schwierige Kompromisse“ erfordern. Glaubwürdige Verhandlungen über einen Frieden könnten mit Beteiligung Russlands erfolgen. Sein Land gilt als möglicher Ausrichter einer Nachfolgekonferenz, an der dann auch Russland teilnehmen könnte.

Es ist aber noch völlig unklar, wann die Zeit reif dafür ist. „Wir sind da noch weit weg von“, sagte Scholz am Samstag noch vor Beginn des Gipfels. Der Friedensprozess sei ein zartes Pflänzchen, das jetzt gegossen werden müsse. „Aber wir wollen, dass der Garten blüht und gedeiht.“ Die Schweizer Ausrichter des Treffens hoffen, dass eine weiterführende Konferenz noch in diesem Jahr beschlossen wird. „Als internationale Gemeinschaft können wir dazu beitragen, das Terrain für direkte Gespräche zwischen den Kriegsparteien vorzubereiten“, sagte Präsidentin Viola Amherd.

Letzte Friedensbemühungen liegen zwei Jahre zurück

Ernsthafte Bemühungen um eine Friedenslösung gab es zwischen Russland und der Ukraine bisher nur kurz nach der Invasion 2022. Vor der Schweizer Konferenz veröffentlichte die US-Zeitung New York Times die damaligen Vertragsentwürfe. Putin hatte am Freitag versucht, sie als unterschriftsreife Vereinbarung darzustellen.

Den Dokumenten zufolge war die Ukraine damals bereit, auf einen Nato-Beitritt zu verzichten und blockfrei zu bleiben. Die Frage der von Russland annektierten Halbinsel Krim sollte vertagt werden. Die Regierung in Moskau versuchte aber, die von der Ukraine erhofften Sicherheitsgarantien anderer Länder wie der USA auszuhebeln. Wie die New York Times berichtete, sind in den vergangenen Monaten schon mehrere Zeithistoriker zu dem Schluss gekommen, dass beide Seiten 2022 weit von einer Einigung entfernt waren.

Beim sogenannten Friedensgipfel für die Ukraine in der Schweiz haben sich mehrere Teilnehmer – darunter Bundeskanzler Olaf Scholz – dafür ausgesprochen, Russland künftig an ähnlichen Konferenzen zu beteiligen. Zu dem Treffen am Bürgenstock bei Luzern war das Land, das die Ukraine angegriffen und teilweise besetzt hat, nicht eingeladen. Mehr als zwei Jahre nach dem Überfall suchen gut 90 Staaten nach Wegen zum Frieden zwischen dem Aggressor und der Ukraine.

„Es ist wahr, dass der Frieden in der Ukraine nicht erreicht werden kann, ohne Russland mit einzubeziehen“, sagte Scholz zum Auftakt des Treffens am Samstagabend. Er machte aber gleichzeitig deutlich, was aus seiner Sicht die Bedingungen für Frieden sind: „Russland könnte diesen Krieg heute oder zu jedem beliebigen Zeitpunkt beenden, wenn es seine Angriffe einstellt und seine Truppen aus der Ukraine abzieht.“

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