Überschwemmungen in Spanien: Was die Klimakrise kostet

Wenige Tage nach den extremen Regenfällen in Spanien mit mehr als 200 Toten treten die Schäden immer deutlicher zutage: In vielen Orten fehlt es an Lebensmitteln, Wasser und Strom. Die Überschwemmungen werfen ein Schlaglicht nicht nur auf das menschliche Leid, sondern auch auf die ökonomischen Kosten extremer Wetterereignisse.

In der Kleinstadt Chiva westlich von Valencia waren am Dienstag 491 Liter Regen je Quadratmeter in acht Stunden gemessen worden – so viel fällt normalerweise in einem Jahr. Solche Niederschläge und folgende Überschwemmungen sind wegen des menschengemachten Klimawandels seit den 1950er Jahren häufiger und intensiver geworden, das haben Klimaforscher inzwischen für die meisten Teile der Welt nachgewiesen. Der Hauptgrund dafür ist, dass wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann – einer Faustformel zufolge sieben Prozent mehr je ein Grad höhere Temperatur. Wenn es regnet, kommt also mehr Wasser vom Himmel. Aktuell kommt hinzu, dass das Mittelmeer sehr viel wärmer ist als normalerweise.

Entweder zu viel oder zu wenig Regen

Nicht nur Starkregen, auch Dürren, Stürme und extreme Temperaturen häufen sich: Laut der Weltorganisation für Meteorologie der Vereinten Nationen (WMO) haben sich derartige Katastrophen seit 1970 verfünffacht, und ihre Kosten stiegen um den Faktor sieben. Infolge des weltweiten Temperaturanstiegs beschleunige sich der Wasserkreislauf, und er werde gleichzeitig unregelmäßiger sowie unvorhersehbarer, berichtete WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo in dieser Woche. „Wir stehen zunehmend vor dem Problem, entweder zu viel oder zu wenig Wasser zu haben“, sagte sie.

Die Weltbank ergänzte, dass knapp ein Fünftel der Weltbevölkerung unter hohem Risiko von extremen Wetterereignissen stehe. Die klimabedingten Katastrophen zu bewältigen, habe zwischen 2000 und 2019 rund 2.860 Milliarden Dollar gekostet. Die Weltbank beruft sich auf eine Studie neuseeländischer Forscher. Diese halten ihre Zahlen auf Basis offizieller Angaben indes noch für niedrig, denn in den Entwicklungsländern sei die Datenlage unsicher, und oft würden indirekte ökonomische Kosten nicht einbezogen. In einem anderen Bericht im Auftrag der EU beziffert der frühere finnische Präsident Sauli Niinistö die Kosten extremer Wetterereignisse für Europa zwischen 1980 und 2022 auf 650 Milliarden Euro, davon 112 Milliarden Euro in den Jahren 2021 und 2022.

Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re berichtet, der Umfang der versicherten Schäden durch Naturkatastrophen liege immer häufiger bei mehr als 100 Milliarden Dollar im Jahr. „Häufigere und intensivere wetterbedingte Katastrophen führen dazu, dass Versicherungsunternehmen zunehmend mit hohen Schadensauszahlungen konfrontiert sind“, ließ sich Vorstandsmitglied Thomas Blunck in der Schadenbilanz zitieren. Das gesamte Schadenaufkommen lag im vergangenen Jahr bei 250 Milliarden Dollar. 74.000 Menschen starben.

„Das teuerste aller Szenarien ist das ohne Klimaschutz“

Auch in Deutschland kostet der Klimawandel schon jetzt Milliardensummen. Von 2000 bis 2021 sind hierzulande Schäden von mindestens 145 Milliarden Euro entstanden, haben Forscher von IÖW, Prognos und GWS im vergangenen Jahr im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums berechnet. Und sie haben auch in mehreren Szenarien untersucht, was die negativen Folgen des Klimawandels die deutsche Volkswirtschaft in Zukunft noch kosten könnten. Je nach Ausmaß der Erderwärmung sei demnach bis 2050 mit Schäden in Höhe von 280 bis 900 Milliarden Euro zu rechnen – schlimmstenfalls wäre das mehr als doppelt so viel Geld als der gesamte Bundeshaushalt derzeit umfasst. In diesem Extremszenario könnten Anpassungsmaßnahmen, etwa mehr Grünflächen, Investitionen in widerstandsfähige Bäume sowie neue Be- und Entwässerungsysteme, die potentiellen Schäden infolge des Klimawandels immerhin noch um 60 Prozent verringern. Sie schränken allerdings ein, dass eine exakte Kosten-Nutzen-Analyse nicht möglich sei, weil sich nicht vorhersagen lasse, wie stark der Klimawandel ausfallen werde.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) fordert schon seit langem, deutlich mehr Geld in die Hand zu nehmen, um sich gegen Extremwetterereignisse zu wappnen. Und zwar trotz oder gerade wegen der angespannten Haushaltslage. „Weil es sonst sehr viel teurer wird“, mahnt die Ministerin. Das sieht auch Friederike Otto so, Deutschlands profilierteste Klimaforscherin: „Es ist klar, dass selbst hoch entwickelte Länder wie Deutschland nicht vor dem Klimawandel sicher sind.“ Niklas Höhe vom New Climate Institute fordert deshalb: „Mit konsequenten Maßnahmen zur Reduzierung unseres CO2-Ausstoßes könnten wir heute eine Politik gestalten, die zukünftige Hochwasserschäden erheblich mindert“, sagt er. „Denn das teuerste aller Szenarien ist das ohne Klimaschutz: Die Schäden durch ungebremsten Klimawandel würden bei weitem die nötigen Investitionen in ambitionierten Klimaschutz übersteigen.“ Anpassen an die Folgen der Erderwärmung muss sich Deutschland in jedem Fall. Seit Juli müssen Bund, Länder und Kommunen nach dem Klimaanpassungsgesetz aus dem Hause von Umweltministerin Lemke Risikovorsorge gegen die Klimakrise treffen. Die Umweltministerkonferenz hat den zusätzlichen Finanzbedarf der Länder und Kommunen in den Bereichen Naturschutz, Klimaanpassung und natürlicher Klimaschutz im Herbst 2022 auf 55,7 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 beziffert. Hinzu käme ein zusätzlicher Personalbedarf von Ländern und Kommunen von rund 16.500 Stellen. Unklar ist, wie diese zusätzlichen Lasten gestemmt werden sollen. Die Förderprogramme des Bundes werden dafür bei weitem nicht ausreichen.

Es gibt freilich auch gute Nachrichten: Die Weltbank berichtet, dass sich der Anteil der Weltbevölkerung unter hohem Klimarisiko zwischen 2010 und 2021 von 36 auf 18 Prozent halbiert habe. Denn vor allem in Ostasien und im pazifischen Raum habe die wirtschaftliche Entwicklung unter anderem zu besserer Infrastruktur und Bildung geführt.

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