Türkei: Tausende Widerspruch erheben gegen Festnahme Ekrem İmamoğlus

Türkei: Tausende Widerspruch erheben gegen Festnahme Ekrem İmamoğlus

In der Türkei sind mehrere Tausend Menschen aus Protest gegen die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu auf die Straße gegangen. In Istanbul und der Hauptstadt Ankara forderte die Menge Präsident Recep Tayyip Erdoğan zum Rücktritt auf und warf ihm vor, durch die Festnahme seinen größten Rivalen ausschalten zu wollen. Am Rande der Proteste kam es zu Ausschreitungen und Festnahmen, wie Medien berichteten.

İmamoğlus Partei CHP, die wichtigste Oppositionskraft in der Türkei, sprach von einem versuchten Staatsstreich. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete die Festnahme des populären Oppositionspolitikers als „äußerst besorgniserregend“. In Berlin, wo zahlreiche Türkinnen und Türken leben, gab es ebenfalls Proteste. Erdoğan hat sich trotz eines Auftritts am Abend bisher nicht geäußert.

In der Provinz Istanbul wurden Demonstrationen auf Anordnung des Gouverneurs der Provinz für vier Tage verboten. Etliche soziale Netzwerke sowie Kurznachrichtendienste waren nur eingeschränkt nutzbar. Der türkische Justizminister Yılmaz Tunç warnte vor Protesten und bezeichnete es als „anmaßend“, die von der Justiz eingeleiteten Ermittlungen mit Erdoğan in Verbindung zu bringen.

Am späten Mittwochabend teilte die Generalstaatsanwaltschaft von Istanbul mit, dass İmamoğlus Bauunternehmen beschlagnahmt worden sei. Basierend auf Untersuchungsberichten zu Finanzkriminalität sei die Kontrolle über İmamoğlu Construction von einem Strafgericht übernommen worden, teilte das Gericht mit.

Der aussichtsreichste Kontrahent des Präsidenten

İmamoğlu gilt als wohl wichtigster Gegner und potenziell aussichtsreichster Herausforderer des autoritär regierenden Staatschefs Erdoğan bei der für 2028 angesetzten Präsidentenwahl. Die sozialdemokratische CHP wollte ihn am Sonntag zu ihrem Kandidaten wählen. Aktuellen Umfragen zufolge hätte er gute Chancen auf einen Wahlsieg gehabt.

İmamoğlu war am Mittwochmorgen bei einer groß angelegten Razzia festgenommen worden. Die Ermittlungsbehörden, die Kritikern zufolge von Erdoğan für politische Zwecke instrumentalisiert werden, werfen ihm Korruption und Terrorunterstützung vor. Mit dem bekannten Bürgermeister wurden laut der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu mindestens 87 weitere Personen festgenommen. Insgesamt wird demnach gegen mehr als 100 Menschen ermittelt.

İmamoğlu wurde nach seiner Festnahme in die Polizeidirektion in Istanbul gebracht und soll dort eine Aussage machen. Laut der türkischen Anwaltsvereinigung könnte die Aufnahme aller Aussagen bis Sonntag dauern. In den Anadolu-Berichten hieß es, Hintergrund der Terror-Ermittlungen sei eine Kooperation zwischen der CHP und der prokurdischen DEM-Partei bei den Kommunalwahlen. Die Parteien hatten zusammengearbeitet, um in Gemeinden Mehrheiten zu gewinnen.

Erdoğan darf nur im Fall von Neuwahlen erneut antreten

Erdoğan führt die Türkei seit mehr als 20 Jahren als Regierungschef oder Präsident und war einst selbst Bürgermeister von Istanbul. Er darf laut geltender Verfassung beim regulären Wahltermin 2028 kein weiteres Mal als Präsidentschaftskandidat antreten – es sei denn, das Parlament stimmt für vorgezogene Neuwahlen. Dafür brauchen seine Partei und ihre Verbündeten im Parlament Stimmen der Opposition.  

Es sind nicht die ersten Terror-Ermittlungen gegen politische Amtsträger und Erdoğan-Gegner in der Türkei. Vor allem Bürgermeister der prokurdischen DEM-Partei wurden zuletzt wegen solcher Ermittlungen ihres Amtes enthoben und durch regierungsnahe Zwangsverwalter ersetzt. Ob es auch im Falle İmamoğlu so kommen könnte, ist unklar.

Seit Monaten mehren sich juristische Verfahren gegen Mitglieder der Opposition und der Zivilgesellschaft. Die Justiz in der Türkei gilt als politisiert. Ebenfalls am Mittwoch wurde der Investigativjournalist İsmail Saymaz in Zusammenhang mit den Gezi-Protesten im Jahr 2013 festgenommen.

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