TSMC: Taiwan ist der wichtigste Chiphersteller der Welt. Bisher war das auch ein Schutz im Konflikt mit China

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Ohne Mikrochips würde kein Smartphone oder Laptop funktionieren, kein Flugzeug oder Auto sicher navigieren, kein moderner Kühlschrank das Essen genießbar halten. Weit weniger bekannt ist, dass zwei Drittel aller Mikrochips der Welt in Taiwan gefertigt werden. Bei den neuesten und leistungsstärksten Modellen beträgt der Anteil sogar an die 90 Prozent.

Damit ist die Bedeutung Taiwans für das globale Chipgeschäft noch größer als die des Opec-Kartells für die Ölförderung. Und so wie es jedes Mal die Weltwirtschaft bewegt, wenn die großen Ölländer ihre Fördermenge ausweiten oder begrenzen, hat auch alles, was Manager wie C. C. Wei sagen, eine internationale Bedeutung. Wei ist Chef des mit Abstand weltgrößten Chipherstellers TSMC aus der taiwanischen Stadt Hsinchu. „Auf Grundlage von Anfragen einiger Kunden vergrößern wir unsere Kapazitäten außerhalb Taiwans“, sagte er im Januar auf einer Pressekonferenz.

Ein Satz von riesiger Tragweite, wirtschaftlich wie geopolitisch. Wenn künftig mehr Mikrochips – auch Halbleiter genannt – außerhalb der Insel produziert werden, macht das die globalen Lieferketten weniger anfällig für Störungen. Das ist zwar gut für alle Unternehmen, die diese elektronischen Bauteile für ihre Produkte benötigen. Doch möglicherweise ist es schlecht für Taiwan, das sich um seine Sicherheit sorgt.

TSMC, so verriet der Vorstandschef, werde in Kürze mit dem Bau einer großen Chipfabrik im US-Bundesstaat Arizona beginnen. Erst Ende vergangenen Jahres hatte der Konzern dort eine neue Anlage eingeweiht. In Japan, wo er derzeit ebenfalls eine Fabrik baut, könnte bald eine weitere folgen. Und auch in Europa erwägt TSMC eine Fertigungsstätte zu errichten, möglicherweise in Dresden.

Im Verhältnis zu China verändern solche Entscheidungen viel. Schließlich betrachtet das von Peking aus regierte Festlandchina die demokratisch regierte Insel vor seiner Südostküste als Teil des eigenen Territoriums. Immer wieder hat Chinas Präsident Xi Jinping zuletzt die „Wiedervereinigung“ Taiwans mit dem Festland angekündigt, notfalls unter Zwang. Chinesische Kampfflugzeuge sind in den taiwanischen Luftraum eingedrungen, chinesische Schiffe patrouillieren vor Taiwans Küste.

Ausgerechnet die Chipindustrie hat bislang dazu beigetragen, China von einer Invasion abzuhalten. Denn nicht nur die USA, Japan und Europa, sondern auch China selbst deckt den Großteil seines jährlich wachsenden Bedarfs an Halbleitern mit Importen aus Taiwan. Ein Krieg könnte die wichtigen Produktionsanlagen zerstören. In Taiwan bezeichnet man die heimische Chipindustrie daher auch als „Säule nationaler Sicherheit“ oder als „Schutzschild aus Silizium“. Aber kann diese Branche, die rund ein Fünftel der taiwanischen Volkswirtschaft ausmacht, auch dann noch ein Schutzschild sein, wenn die wichtigsten Unternehmen zunehmend im Ausland produzieren?

Die Entwicklung anderer Branchen sei vernachlässigt worden

Nur widerwillig haben sich die taiwanische Regierung und TSMC, das Ende der 1980er-Jahre mit staatlicher Unterstützung gegründet wurde, zu den jüngst verkündeten Schritten durchgerungen. TSMC-Gründer Morris Chang hatte zuvor wiederholt erklärt, die Fertigung sei auf heimischem Territorium am vorteilhaftesten, weil hier die nötigen Zulieferbetriebe ansässig seien.

„Dass in Zukunft massiv im Ausland produziert wird, hat viel mit internationalem Druck zu tun!“, sagt Alexander Chieh-cheng Huang, Professor für Internationale Beziehungen an der Tamkang-Universität in Neu-Taipeh. Er gehört der konservativen Oppositionspartei Kuomintang an, die Taiwan über Jahrzehnte regiert hat, und ist dort zuständig für die Beziehungen zu den USA. Über das Kräfteverhältnis mit dem wichtigen Sicherheitspartner sagt er: „Wenn die USA etwas von uns wollen, dann kriegen sie es auch. Wir sind diplomatisch zu schwach, um dem etwas entgegensetzen zu können.“

Immerhin haben die USA zu verstehen gegeben, im Fall eines chinesischen Angriffs auf der Seite Taiwans zu stehen. Für ein Land, das durch die Pekinger Machtpolitik von den Vereinten Nationen ausgeschlossen bleibt und zu kaum einem Staat offizielle Beziehungen unterhalten kann, sei diese Sicherheit von so existenzieller Bedeutung, dass man zu allen möglichen Zugeständnissen bereit sei, sagt Chieh-cheng Huang. Das schließe sogar die wichtigste Industrie des Landes ein.

Trotzdem spricht einiges dafür, dass der Schutzschirm auch nach den Auslandsinvestitionen weitgehend intakt bleibt. Nach wie vor wird TSMC einen bedeutenden Anteil seiner Chips im Inland fertigen. Eine militärische Auseinandersetzung zwischen China und Taiwan dürfte den Rest der Welt daher zwar weniger stark treffen als früher. Spurlos vorbei ginge sie aber trotzdem nicht, sagt Max Zenglein, Chefökonom des Mercator Institute for China Studies in Berlin. Im Fall einer Einnahme Taiwans durch China sei nicht zu erwarten, „dass die Halbleiterindustrie dann noch intakt bliebe“.

Dennoch wäre Taiwan schlecht beraten, sich künftig allein auf den Schutzschild aus Silizium zu verlassen – nicht nur aus geopolitischer, sondern vor allem auch aus ökonomischer Perspektive. Denn während Jobs in der Halbleiterindustrie heiß begehrt sind, suchen Taiwans Uni-Absolventen ansonsten oft im Ausland ihr Glück. Angesichts des niedrigen Lohnniveaus außerhalb der Schlüsselbranche – der taiwanische Durchschnittslohn liegt bei umgerechnet rund 1500 Euro – zieht es viele in die USA oder nach China. Kritiker sagen, dies sei die Kehrseite des Chipbooms: Die Entwicklung anderer Branchen sei vernachlässigt worden.

Die Regierung versucht nun umzusteuern. Taiwans liberale Präsidentin Tsai Ing-wen hat beispielsweise im vergangenen Jahr ein Programm zur Förderung der heimischen Landwirtschaft aufgelegt. Sie will zudem Handelsverträge mit anderen südostasiatischen Ländern schließen und Besucher von dort ins Land locken, um den Tourismus zu stärken.

Auch die taiwanische Industrie versucht, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Der Fertigungskonzern Foxconn zum Beispiel, der unter anderem die iPhones zusammenbaut und bei der Produktion von PCs und Smartphones einen Weltmarktanteil von rund 40 Prozent hat, will künftig auch Elektroautos herstellen. „Wir hoffen, dass wir dort das Gleiche erreichen können wie auf dem Markt für Informations- und Kommunikationstechnologien“, sagte der Foxconn-Vorsitzende Liu Young-way. Das Know-how ist vorhanden. Und je mehr Elektroautos die Taiwaner bauen, desto strategisch wichtiger wäre die kleine Insel in einer weiteren Zukunftsbranche.

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