Sollten sich die Vereinigten Staaten und Russland über die Köpfe der Ukrainer einigen, droht ein Diktatfrieden, der Europa unmittelbar bedroht.
Unsere Weltordnung wankt. Fast im Stundentakt überschreitet die amerikanische Regierung rote Linien, die in einer rechtsstaatlichen Demokratie nie überschritten werden dürften. Postfaktische Verdrehungen fluten die Medien. Wolodymyr Selenskyj ist ein Diktator. In einem Statement der G 7 darf nicht mehr von „russischer Aggression“ gesprochen werden. Gegen Europa wird ein Handelskrieg angezettelt, während gleichzeitig mit den Kommunisten in China gedeihliche Deals eingefädelt werden.
Und nun wurde der Präsident der Ukraine aus dem Weißen Haus geworfen wie ein Schuljunge, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Dass Selenskyj sich höchst ungeschickt benommen hat, tut dabei fast nichts zur Sache. Der Anführer eines Landes, das sich gegen einen Angriffskrieg verteidigt, wird von seiner Schutzmacht so nicht behandelt. Es sei denn, die Schutzmacht will keine mehr sein oder hat die Seiten gewechselt.
Viele Transatlantiker – auch ich – wollten in den letzten Wochen immer noch hoffen, dass hinter provozierenden Reden und Posts doch irgendwie ein konstruktives Konzept steht. Eine Verhandlungs-Taktik, die zwar irritierend klingt, aber am Ende zu einem überraschend guten Ausgang führt, der Russlands Präsident Wladimir Putin einhegt und Europa und Amerika wieder eint. Man muss Donald Trump zwar ernst nehmen, aber nicht wörtlich, lautete die Losung der Hoffnung.
Diese Hoffnung ist zerstört. Trump meint, was er sagt. Und das hat nichts mehr mit dem Amerika zu tun, das rechtsstaatlich gefestigt über Jahrzehnte an der Seite Europas stand. Für mich war die Ukraine immer der Testfall, der zeigt, ob diese Regierung dem Recht, oder der Gelegenheit folgt.
Trumps Amerika opfert die Ukraine
Nun ist klar: Trumps Amerika opfert die Ukraine, opfert eine transatlantische Sicherheitsarchitektur einer transaktionalen „America First“- und „America Only“-Strategie. Politik ist in dieser Logik ein Geschäft wie jedes andere. Da darf selbst internationales Völkerrecht nicht stören.
Wenn Putin im vierten Jahr seines Krieges mit amerikanischer Unterstützung den Sieg über die Ukraine erklären darf, wird dieser Diktatfrieden der Anfang einer Eskalation sein, die Pazifisten immer befürchtet haben. Es ist auch die Konsequenz einer zu halbherzigen und zögerlichen Unterstützung der Ukraine durch den Westen. Durch Europa.
Das muss sich nun ändern. Die verstörenden Bilder und Sätze aus dem Weißen Haus haben eines klargemacht: Wenn Europa die Ukraine fallen lässt, fällt Europa.
Source: welt.de