Trump-Tochter heiratet syrischen Eseltreiber

Trump-Tochter heiratet syrischen Eseltreiber

Die Strauss-Stadt München arbeitet sich mal wieder rechtschaffen an „Die Liebe der Danae“ ab, der 14. und letzten Oper von Richard Strauss. Das spröde Stück ist nicht zu retten. Aber die Musik ist sehr schön.

Ein Opernintendantenalbtraum: Da sagt kaum mehr als 24 Stunden vor der Premiere eines äußerst raren, ja eigentlich nie gespielten Werkes an einem A-Haus die Sängerin der Titelrolle ab. Es gibt drei Sängerinnen weltweit, die das Stück in den vergangenen 24 Jahren interpretiert haben, die eine ist in Rente, die zweite kann nicht. Die dritte ist verfügbar, hat es zuletzt vor neun Jahren in Berlin gesungen, immerhin mit dem gleichen Dirigenten.

Sie kommt abends aus Hannover an die Bayerische Staatsoper nach München, geht es mit dem Team noch einmal musikalisch durch, entscheidet sich morgens dafür, die zudem schwere Partie auswendig und sogar szenisch darzustellen. Vor der Vorstellung werden noch letzte Videos für die Inszenierung geschossen – und dann steht sie da, spielt, singt und siegt.

Leider nicht über das Stück. „Die Liebe der Danae“ von Richard Strauss wird, obwohl Spitzenkräfte am Werk sind, das Adrenalin auf der Bühne brodelt, die neue Sopranistin Manuela Uhl glorios über sich hinauswächst und dementsprechend lauthals bejubelt wird, in der Heimatstadt ihres Schöpfers, wieder nur – ein Achtungserfolg.

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Man hat sich dazu bequemt, Strauss’ Opernspätwerk (eigentlich alles nach der „Frau ohne Schatten“ von 1918) etwas gnädiger zu durchleuchten. Doch keiner – in C-Dur-Himbeersauce sich verlierende Melomanen mal bei Seite gelassen – erwärmt sich wirklich für die als antikisch flirrende Operette angelegte „Liebe der Danae“, jene von verlöschender Schaffenskraft und letztem Aufbäumen am Ende des Krieges kündende, von sinnenfrohen Griechen singende 14. Strauss-Oper. Was auch an dem dürren Buchstabengewölk des inkompetenten (von fünf Zuarbeitern Hilfe bekommenden) Librettisten Joseph Gregor liegt.

„Die Liebe der Danae“ entstand 1940, doch wurde sie erst 1944 in einer – nach der Ausrufung des totalen Krieges – als „Generalprobe“ deklarierten geschlossenen Festvorstellung zum 80. Geburtstag des seine Welt in Trümmern sinken sehenden Richard Strauss in Salzburg uraufgeführt. Für alle Welt wurde das offiziell 1952, drei Jahre nach dem Tod des Komponisten, nachgeholt. Aus der Generalprobe hatte sich der greise Komponist mit den Worten verabschiedet: „Das war das Ende der abendländischen Kultur. Vielleicht sehen wir uns in einer besseren Welt wieder.“

Deutschland lag in Trümmern

Diese Bemerkung zeigt Strauss’ Hybris und die Prätention dieses letzten Romantikers, der sich als finaler Olympier und Vollender unserer Musiktradition begriff. Um ihn herum lag zumindest Deutschland in Trümmern. Und so sah Strauss sich selbst als virilen, doch verzeihenden Jupiter, der Daphne dem geliebten, aber armen Midas überlässt. Dieses Bilanzziehen über seine Epoche, das gelingt freilich Strauss in allen Opern bis „Arabella“ (1933) weitaus vorteilhafter, tiefsinniger, künstlerisch aufregender, befriedigender.

Jede Exhumierung der „Danae“ scheint vergebliche Liebesmüh. Das an seinem philologischen Gewicht und an kompositorischem Altfett schleppende Opus bleibt unrettbar versunken. Kaum zu durchtrennen ist das mäandernde Satzgestrüpp des – Hofmannsthal war tot, Stefan Zweig exiliert – Hobby-Librettisten Gregor. Ein Geröllberg lederner Wendungen, umständlicher Sätze, blässlicher Charaktere. Strauss bemüht hier noch einmal alle seine großen Themen um Rausch, Verwandlung, Metamorphose. Und er erzeugt doch nur ausgeglühte Reste, polyphon kunstvoll verästelt.

Immerhin verklären sich die letzten 30 Minuten. Danae, die charakterlich fade, zunächst nach Talmi gierende Tochter des bankrotten König Pollux will vom ältlichen, Goldregen streuenden Jupiter gar nichts wissen. Sie bleibt ihrem Eseltreiber Midas treu. Liebe und Versagen, Resignation und Verzeihen fügen sich hier zu jenen spätherbstlich leuchtenden Klangbögen zusammen, die der späte Strauss grandios beherrschte und hier zum momentelang berührenden Weltabschiedswerk von der Opernbühne destillierte.

Da findet dann auch diese aktuelle Münchener Version ihren Fokus. Der sonst durchaus laute, aggressiv-ruppig viele Dissonanzen in der Partitur bloßlegende Dirigent Sebastian Weigle lässt mit dem hier vollkommen heimischen Staatsorchester ein letztes Mal luxuriösen Gold- und Silberklangstaub rieseln, die Geigen schmeicheln allerschönst, das Holz tönt schmiegsam wie selten, das Blech wellt sich weich und fein. Die pure Lust am pudrigen Luxus. Doch wo die kreative Inspiration fehlt, wo mürbe in der unfröhlichen Werkstatt gerührt wird, was nur Notentrockenpulver ergibt, da ist einfach nichts zu retten.

Im grotesk unbequemen Goldbett

Auch der Strauss-Regie-Experte Claus Guth verlässt sich da ganz auf seine könnerische Personenführungsroutine. Michael Levine hat ihm eine aseptische Büroetage gebaut, in der Pollux, der bankrotte Firmenchef (der quakige Vincent Wolfsteiner), seine hektisch zelebrierte Pleite beklagt.

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Zudem will nun auch noch die Tochter dieses Trump-Klons einen „syrischen Eseltreiber“ (den bayreuthlauten Andreas Scharger) heiraten! An dieser Danae, die Manuela Uhl als gelangweiltes It-Girl in YSL-Rosaorangegold mit ihren charakteristisch hochgezogenen Sopranspitzen gibt und die im zweiten Akt ein groteskes wie grotesk unbequemes Golddoppelbett besteigt, beißt sich der als Sänger in seiner kneifend hochliegenden Baritonpartie souveräne Christopher Maltman die göttlichen Zähne aus. Sie will einfach nicht mit ihm.

Hinten erscheinen per Video erst rauchende Wolkenkratzer, dann das ausgebombte München und der in Zeitlupe durch seinen Garmischer Garten schlendernde Strauss. Ein alter resignierender Mann, aus der Welt von gestern, der das Heute nicht mehr versteht. Und ein schlicht sich liebendes Paar im Vordergrund. Ein Entschuldigungsschluss mit schlechtem Gewissen. Aber die Musik tönt so schön!

Source: welt.de

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