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Wie viel Einfluss haben Business-Interessen auf die Politik? Diese Frage ist seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte von Schwarz-Rot noch virulenter. Immerhin war Bundeskanzler Friedrich Merz bis 2020 als Blackrock-Lobbyist tätig – und in den USA sitzt gleich ein Milliardär im Weißen Haus.
In unserer mehrteiligen Serie „Regiert uns die Wirtschaft?“ schauen wir auf die Situation in Deutschland, den Vereinigten Staaten und anderen Teilen der Welt. Was hilft wirklich gegen die „stille Übermacht“ des Lobbyismus?
In den USA ist das ein Endlosthema: das große Geld in der Politik. Kapitalismusfreundlichen Republikanern hilft es häufig, Wahlen zu gewinnen. Manchen „moderaten“ Demokraten auch, doch sie nehmen Identitätskrisen in Kauf. Sie wollen das Geld, bekommen es oft, müssen bei diesem Teufelspakt aber bereit sein, Programmpunkte zu verändern und werden mehr so wie ihre vermeintlichen Gegner. Millionäre und Wirtschaftsverbände spenden und kaufen Einfluss, weil es ihnen nutzt und weil das Gesetz in den USA es erlaubt.
Wenn es zum Inhaltlichen der Wahlversprechen kommt, ist es in den USA im Prinzip so: Geldgeber gestalten, was möglich ist. Es zeigt sich krass bei Steuergesetzen, bei der Gesundheitspolitik und bei Vorschriften zur Wahlkampffinanzierung.
Bei den Demokraten bremsen Spenden der Wohlhabenden und Wirtschaftsinteressen den Wunsch zur Reform. Bei den Republikanern hat Donald Trump mit seinem Trend zum Autoritären den Rahmen gesprengt. Doch seine Spender und die Partei bleiben ihm treu, trotz Unbehagens etwa bei der Zollpolitik. Aber warum ist das in den Vereinigten Staaten eigentlich so, dass „Big Money“ noch größeren Einfluss auf die Politik hat als in Europa?
Nicht alle Reichen unterstützen die Republikaner
Rückblickend überrascht es kaum, dass Kamala Harris nicht so recht punkten konnte mit der Warnung, Donald Trump zerstöre die Demokratie. Mit Blick auf Geld in der Politik haben Amerikaner wenig Grund, ihrer Demokratie zu vertrauen. Der permanente Wahlkampf kostet einen Haufen Geld, und Geld und Wähler rivalisieren um Bedeutung, mehr als das in Europa geschieht, wo keiner beinahe 300 Millionen Dollar locker machen kann wie Elon Musk für Trump.
Auch Kamala Harris hatte ein paar Dutzend Milliardäre auf ihrer Seite, darunter laut Wirtschaftsmagazin Forbes Reid Hoffman von LinkedIn, Eric Schmidt von Google, Melinda French Gates, George Soros, Sheryl Sandberg und Steven Spielberg. „Die Reichen“ sind kein monolithischer Block. Bei gesellschaftlichen Fragen sind manche liberal. Was wiederum Trumps Attacken gegen die Elite Nahrung gibt.
Geldgier ist eine Wurzel alles Übels, hat der Apostel Paulus in der Heiligen Schrift geschrieben. Das soll Jesus selber gesagt haben: Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. Und: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt!“ Jesu Zuhörer dürften verstanden haben, was der Mann aus Nazareth meinte: Nadelöhr ist Theologen zufolge der Name eines engen Tors in der Stadtmauer von Jerusalem. Doch an der amerikanischen Politik sind diese warnenden Worte vorbeigegangen.
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Ein Wahlkampf für einen der 435 Sitze im Repräsentantenhaus kostet viele Millionen Dollar. Und meist, wenn auch nicht immer, hat der Sieger mehr Geld ausgeben können als der Verlierer, berichtete die beim Thema Wahlfinanzierung verlässliche Website opensecrets.org. 2024 hätten 93,9 Prozent der Kandidaten für das Repräsentantenhaus mit höheren Ausgaben im Wahlkampf gewonnen, im Senat 87,9 Prozent.
Im Präsidentschaftswahlkampf 2024 flossen beinahe fünf Milliarden Dollar an Berater, Mitarbeiter, für Reisen und Bürokosten, Umfragefirmen sowie Fernseh- und Onlinewerbung. Und was sonst noch anfiel. Medienfirmen haben ein finanzielles Interesse an dem permanenten Wahlkampf, diesem mehr oder weniger spannenden Pferderennen, wie er oft dargestellt wird.
Wie sehr „das Geld“ blockieren will, doch nicht immer durchkommt, zeigte sich krass im Sommer in New York City, wo der junge demokratische Sozialist Zohran Mamdani die Vorwahlen der Demokratischen Partei für das Bürgermeisteramt gewann. Die Stadtbewohner sollen sich ihre Stadt wieder leisten können, betonte Mamdani. Mieten runter, Steuern für die Gutbetuchten rauf, Busfahren umsonst. Das hat auf linker Seite unbändige und möglicherweise selbst überschätzende Begeisterung ausgelöst und bei manchen „moderaten“ Demokraten einen kleinen GAU.
Der Kampf der Milliardäre gegen ein links regiertes New York City
So berichtete die Informationsplattform axios.com: Demokratische Spender, die Dutzende Millionen in die Kampagnen des geschlagenen rechtsdemokratischen Andrew Cuomo gesteckt hätten, kämen nun zusammen zu Gesprächen, ob sie Cuomo bei der Wahl am 4. November bei einer unabhängigen Kampagne unterstützen sollen oder den seit 2022 amtierenden Bürgermeister Eric Adams, der ebenfalls als Unabhängiger kandidiert.
Adams, das ist der Trump-nahe Politiker, der wegen einer Korruptions- und Bestechlichkeitsanklage in der Kritik steht. Trumps Justizministerium hat die Anklage fallen lassen. Offenbar in der Erwartung, Adams unterstütze Trumps Razzien gegen Migranten. Hedgefonds-Manager Bill Ackman ist anscheinend nicht zufrieden mit den Kandidaten gegen Mamdani. Der Milliardär verkündete auf X, es stünden „Hunderte von Millionen“ Dollar bereit für einen guten Gegenkandidaten, den es anscheinend noch nicht gibt.
Das Argument gegen Mamdani lautet auch: Man müsse doch „realistisch“ sein. New York City wählt nämlich nicht immer links – da waren Adams’ Sieg 2021, der des Milliardärs Michael Bloomberg 2001 und 2005, in dessen Welt New York attraktiv bleiben muss für die Finanzindustrie, und Trumps späterer Weggefährte Rudy Giuliani, im Amt von 1994 bis 2001. Linken Enthusiasmus erregte letztmals 2013 der Demokrat Bill de Blasio, in seiner Jugend Nicaragua-Solidaritätsaktivist, mit seiner Warnung, keine Stadt könne existieren mit den riesigen Einkommensunterschieden, wie New York City sie habe.
Umfrage: 80 Prozent sagen, Geldgeber hätten zu viel Einfluss auf den US-Kongress
Bei der Suche nach vermeintlichem Realismus verbiegt die Suche nach dem Geld die angebliche Identität der Demokraten als Partei der kleinen Leute. Dieses Image geht zurück auf die 1930er-Jahre und die tiefen Wirtschaftsreformen des demokratischen Präsidenten Franklin Roosevelt. Der wetterte gegen die „wirtschaftliche Tyrannei“ der Reichen und Unternehmen, denen man „die organisierte Macht der Regierung“ entgegensetzen müsse. So etwas sagt heute kaum mehr jemand.
Die linke Mediengruppe perfectunion.ushat kürzlich einen Film online gestellt über den rund 7.000 Einwohner zählenden Landkreis Elliott in Kentucky. Ländlich, weiß, früher Kohlebergwerke. Bis 2016 hat Elliott County immer demokratisch gewählt, auch mit großen Mehrheiten für Barack Obama. Dann kam Trump und gewann. Der Perfect-Union-Film hat sich bei Kentuckianern erkundigt. Nach Jahren des Wählens der Demokraten lebten viele Menschen in Armut, sagte eine Frau. Menschen seien wütend.
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Bei einer Umfrage des Pew Research Center erklärten 70 Prozent der Befragten, Leute in ihrem Wahlkreis hätten zu wenig Einfluss auf den US-Kongress; 80 Prozent sagten, Geldgeber hätten zu viel. Beinahe drei Viertel sprachen sich für Obergrenzen bei Spenden aus. Was genau vorführt, wie wenig Einfluss der Alltagsmensch hat.
Denn die Gesetze laufen seit Jahren in die entgegengesetzte Richtung. Ein Elon Musk kann mit beinahe 300 Millionen Dollar Donald Trump ins Weiße Haus helfen. Kamala Harris, die Demokratische Partei und unterstützende Verbände haben bei ihrer Kampagne der Freude und Hoffnung auf dem Weg zur Niederlage mehr Geld eingenommen als Team Trump. Ihre Kampagne erhielt direkt eine Milliarde Dollar an Spenden, davon 40 Prozent von Kleinspendern, dazu kamen weitere 586 Millionen Dollar von unterstützenden Lobbygruppen, den sogenannten Political Action Committees (PAC).
Aber Direktspenden an die Kandidaten sind nicht alles.
2010 wurde die Spendenvorschrift gelockert – mit heftigen Folgen
Eine noch heute wegweisende „Lockerung“ der Spendenvorschrift trat 2010 in Kraft bei einem bahnbrechenden Urteil des Obersten Gerichts der USA im „Citizens United“-Fall. Das Gericht befand, Firmen und „unabhängige“ Verbände dürften mit unbegrenzten Summen für oder gegen politische Kandidaten Werbung betreiben. Unternehmen und Verbände hätten das Recht auf Redefreiheit wie jeder Bürger.
Bei dem Rechtsstreit ging es vordergründig um einen nicht sonderlich attraktiven und nicht sonderlich beachteten Anti-Hillary-Clinton-Film („Hillary – The Movie“), produziert 2008 von der Organisation Citizens United, mit der Botschaft, die frühere First Lady und potenzielle Präsidentschaftskandidatin sei ein abgrundtief schlechter Mensch, verlogen, korrupt und praktisch eine Sozialistin. Rechtlich kompliziert wurde es, als Citizens United eine Video-on-Demand-Firma für den Vertrieb bezahlen wollte. Die Wahlaufsichtsbehörde Federal Election Commission sah ein Problem. Damals galt noch ein Gesetz, das Wahlwerbung mit Hilfe unternehmerischen Geldes begrenzte.
Citizens United zog vor das Gericht. Das Urteil am Obersten Gericht mit fünf zu vier Richterstimmen hat die US-amerikanische Wahlfinanzierung drastisch verändert. Die Mehrheit der Richterinnen und Richter begrenzte sich nicht auf die Details des vorliegenden Falles, sondern legte fest, dass „unabhängige“ Wahlspenden von Unternehmen und Verbänden nicht begrenzt werden dürfen. Spenden sei eine Form der Meinungsäußerung und falle unter den Redefreiheitsparagrafen der US-Verfassung.
Das Brennan Center for Justice, ein Thinktank an der New York University, hat im Januar 2025, fünfzehn Jahre nach dem Urteil, eine verheerende Bilanz gezogen. Das Urteil sei von großen Geldgebern zum Aufbau sogenannter „Super Political Action Committees“ genutzt worden, mit denen sie unbegrenzt zugunsten von Kandidaten spenden dürfen. Von 2010 bis 2022 hätten diese Super-PACs 6,4 Milliarden Dollar bei den bundesstaatlichen Wahlen ausgegeben. Bei den Wahlen 2024 seien es 2,7 Milliarden Dollar gewesen. 50 Millionen Dollar spendete Bill Gates auf diesem Weg an Kamala Harris.
Am Ende bekamen dreizehn Milliardär-Wahlspender führende Posten in der Regierung Trump. Und alle Millionäre und Milliardäre günstige Steuergesetze. Man hat nicht schlecht investiert. Mal sehen, wie die Bürgermeisterwahl in New York im November ausgeht und ob sich daraus Rückschlüsse ziehen lassen auf den Rest des Landes.
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Wie viel Einfluss haben Business-Interessen auf die Politik? Diese Frage ist seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte von Schwarz-Rot noch virulenter. Immerhin war Bundeskanzler Friedrich Merz bis 2020 als Blackrock-Lobbyist tätig – und in den USA sitzt gleich ein Milliardär im Weißen Haus.
In unserer mehrteiligen Serie „Regiert uns die Wirtschaft?“ schauen wir auf die Situation in Deutschland, den Vereinigten Staaten und anderen Teilen der Welt. Was hilft wirklich gegen die „stille Übermacht“ des Lobbyismus?