Trauung unter Reichen: Märchenhochzeit hinauf Chinesisch

Ein glückliches, vom Himmel bestimmtes Paar“ werde sich das Jawort geben. So stand es auf einer Einladungskarte zur Hochzeit, auf der das Brautpaar in traditioneller chinesischer Kleidung abgebildet war. An vergangenen Montag war es so weit. Sogleich verbreiteten sich in den sozialen Medien Bilder eines sehr klassisch chinesischen, in Rot und Gold gekleideten Paares.

Die Hochzeit, um die es geht, dürfte eine der schillerndsten der chinesischen Wirtschaftsgeschichte gewesen sein. Bei der Braut handelt es sich um Gao Haichun, Tochter des Gründers des chinesischen Solarkonzerns Trina Solar und inzwischen selbst in der Führung des Unternehmens tätig. Trina ist einer der größten Solarkonzerne Chinas, und Gao, die auch als Katherine bekannt ist, wurde in den Klatschspalten als „schönste Unternehmenserbin der Solarindustrie“ oder auch als „Göttin der Photovoltaik“ beschrieben.

Ihr Bräutigam, beide sind Jahrgang 1993, ist kein Geringerer als Zhang Junjie, Gründer der Teekette Chagee . Die ist im Westen zwar weitgehend unbekannt, aber in China finden sich die Filialen in den Großstädten an jeder Ecke. Man kann sich diese Teeketten wie Starbucks-Filialen vorstellen, nur dass eben süßer Milchtee in unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen verkauft wird. Chagee hat sich einen Ruf als anspruchsvollere Teekette erarbeitet, die auf traditionelle chinesische Teesorten setzt. Auf der Hochzeit gab es für die Gäste deshalb Hunderte Becher von Milchtee, zeigen Bilder aus den sozialen Medien.

Unternehmertochter auf der Weltbühne

Die Lebenswege der beiden könnten kaum unterschiedlicher sein. Sie geben der Hochzeit fast etwas von einem Märchen. Gao ist in Reichtum aufgewachsen und hat die typischen Stationen einer wohlhabenden chinesischen Erbin hinter sich. Sie hat an der elitären Brown University in den USA studiert und danach kurz bei McKinsey gearbeitet, bevor sie sukzessive bei Trina Solar aufstieg.

Der Solarkonzern, der nach eigenen Angaben rund 50.000 Mitarbeiter hat, ist ein Familienunternehmen. Ihr Vater Gao Jifan hat das Unternehmen 1997 gegründet und ist bis heute Vorstandschef, sein jüngerer Bruder ist sein Stellvertreter. Gao Haichuns Mutter wird als Trina-Mitgründerin geführt und war einst Vizepräsidentin des Konzerns. Die Tochter selbst ist seit Anfang des Jahres Ko-Vorsitzende von Trina. Das Vermögen der Familie wurde einst auf mehr als zehn Milliarden Dollar geschätzt, zuletzt taxierte die chinesischen Reichenliste Hurun die Familie noch auf knapp zwei Milliarden Dollar.

Ihr Vater ist in der chinesischen Politik bestens vernetzt, Abgeordneter des Volkskongresses und Vorsitzender und Ehrenvorsitzender etlicher Verbände. Die Staatsmedien berichten immer wieder wohlwollend über Trina und Gao Jifans politische Aktivitäten. Gao Haichun kümmerte sich zuletzt um die globale Bühne und vertrat den Konzern auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, wo sie in geschliffenem Englisch über die Herausforderungen der Energiewende sprach. Neben ihr auf der Bühne saßen Schwergewichte wie der frühere US-Politiker und Präsidentschaftskandidat Al Gore, der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und Muhammad Yunus, Friedensnobelpreisträger und aktuell Regierungschef in Bangladesch.

Aufstiegsgeschichte zu schön, um wahr zu sein?

Bräutigam Zhang dagegen kommt aus enorm ärmlichen Verhältnissen und hatte eine schwierige Kindheit. Seine Biographie, soweit öffentlich bekannt und erzählt, ist so kitschig, dass sie Stirnrunzeln hervorruft. Seine Eltern starben, als er gerade zehn Jahre alt war. Die Vollwaise erhielt laut staatlichen chinesischen Medien keine formelle Bildung, lernte erst mit 18 Jahren lesen und schreiben und benutzte noch Jahre später keine chinesischen Zeichen, sondern nur die Umschrift in lateinischen Lettern. In manchen Berichten heißt es sogar, er sei jahrelang obdachlos gewesen. Überprüfen lassen sich diese Angaben kaum.

Sein Aufstieg begann, als er in einer Milchteekette in der südchinesischen Provinz Yunnan anfing. Dort überzeugte er und wurde immer weiter befördert, bis er selbst zum Franchisenehmer wurde. So lässt es sich auf der Chagee-Firmenwebsite nachlesen. Danach arbeitete er knapp zwei Jahre für eine Shanghaier Robotikfirma und war dort schließlich für das Asien-Pazifik-Geschäft zuständig. Vor acht Jahren, immer noch im zarten Alter von 24 Jahren, gründete er Chagee und baute das Milliardenunternehmen auf.

In China werden an dieser Geschichte immer wieder Zweifel angemeldet, gegen die sich Zhang jedoch vehement wehrt. Innerhalb von sechs Jahren soll jemand, der gerade lesen und schreiben gelernt hat, erst eine Teefiliale führen, dann das regionale Geschäft einer Robotikfirma leiten und schließlich den Grundstein für eine der größten Teeketten der Welt legen? Manche chinesische Finanzmedien fragen, woher das Kapital für die rasante Expansion stammte und was ihn für die Robotik qualifizierte. Auch gibt es Spekulationen, Zhang sei in der Vergangenheit schon verheiratet gewesen. Das wies Zhang kürzlich persönlich zurück – es würden viele unwahre Gerüchte über ihn verbreitet – und ging juristisch gegen die Urheber vor.

Junge Unternehmerliebe

Doch selbst wenn es kleinere Ungereimtheiten geben sollte, dürfte es sich um einen Ausnahmeunternehmer handeln, der einen märchenhaften Aufstieg aus der Armut in die globale Wirtschaftselite hinter sich und sein Unternehmen in wenigen Jahren an die Wall Street gebracht hat. Laut Börsenprospekt hält Zhang knapp 90 Prozent der Stimmrechte von Chagee. Bloomberg bezifferte sein Vermögen zuletzt auf rund 850 Millionen Dollar. In lokalen Medien, die nicht besonders kritisch sind, wird ihm eine gute Menschenkenntnis zugeschrieben, er könne Mitarbeiter und Investoren gut für sich einnehmen.

Inzwischen ist Zhang in der Branche etabliert. Er sitzt im Aufsichtsrat von Haidilao, einer legendären chinesischen Kette, die Hotpotrestaurants in China und im Ausland betreibt. Zhang Yong, einer der Gründer von Haidilao, ist wiederum Direktor von Chagee. Soweit bekannt, sind die beiden nicht verwandt.

Was das Paar vereint, das sich auf einer Veranstaltung für junge Unternehmer kennengelernt haben soll, ist ihr Reichtum, es sind aber auch die Herausforderungen ihrer Unternehmen. Zusammen sind die beiden Konzerne mehr als sieben Milliarden Euro wert. Trina Solar brachte in Shanghai zuletzt knapp fünf Milliarden Euro auf die Börsenwaage. Chagee ist im Frühjahr an die New Yorker Börse gegangen und wird dort aktuell mit rund 2,6 Milliarden Dollar bewertet, rund 2,2 Milliarden Euro. Damit hat das Unternehmen die Hälfte seiner Bewertung zum Zeitpunkt des Börsenganges eingebüßt.

Kampf um Marktanteile

Das liegt vor allem an dem harten Wettbewerb, der Chagee ebenso wie Trina und die allermeisten Branchen in China trifft. Unzählige Teeketten kämpfen um Marktanteile und unterbieten sich mit Kampfpreisen. In der Photovoltaikindustrie stellen zu viele Konzerne zu viele Paneele her, Trina Solar häufte zuletzt sogar Verluste an. In den ersten neun Monaten dieses Jahres belief sich das Minus auf umgerechnet rund eine halbe Milliarde Euro. In den vergangenen drei Jahren haben die Aktien drei Viertel ihres Wertes verloren.

Chagee hat innerhalb von anderthalb Jahren die Zahl seiner Filialen fast verdoppelt. Nur knapp 400 der insgesamt 7300 Filialen stehen im Ausland, der Rest in China. Zum Vergleich: Starbucks, dessen Chinageschäft gerade von einem chinesischen Investor übernommen wurde, betreibt in der Volksrepu­blik rund 8000 Filialen. Chagee ist in Chinas Städten also fast so präsent wie Starbucks. Doch Chagee ist mit dieser rasanten Expansion nicht allein, und unter dem Wettbewerb leidet die Profitabilität. Der Nettogewinn sank im dritten Quartal um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Die Marge schrumpfte von 18 auf zwölf Prozent, im zweiten Quartal waren es sogar nur rund zwei Prozent. Der Umsatz je Filiale in China brach um mehr als ein Viertel von umgerechnet gut 64.000 Euro auf 46.000 Euro im Monat ein.

Hochzeiten wie diese sind in Festlandchina höchst selten. Während es in Hongkong, Macau, Taiwan oder auch Singapur immer wieder größere, aufsehenerregende Hochzeiten reicher Unternehmer oder von Erben gibt, kommen diese in Festlandchina bisher kaum vor. Eher erregen Hochzeiten der Kinder oder Enkelkinder von Politikern Aufsehen, wie etwa von Deng Xiaoping. So war Präsident Xi Jinping, selbst Sohn eines der einst einflussreichsten Politiker Chinas, in erster Ehe mit der Tochter des früheren chinesischen Botschafters in Großbritannien verheiratet. Bevor er in die höchste Riege der chinesischen Politik aufstieg, war er vor allem als Ehemann bekannt. Seine zweite Ehefrau Peng Liyuan ist eine sehr bekannte Schlagersängerin.

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