Für Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist der Krieg nach dem Tod Sinwars noch nicht zu Ende. Zwar sei Sinwars Tötung durch die israelische Armee ein „wichtiger Meilenstein“ beim Niedergang der Hamas, sagte Netanjahu am Donnerstagabend in einem Video-Statement. Der Krieg gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen sei aber „noch nicht beendet“. An die Einwohner des Küstenstreifens gewandt sagte Netanjahu in einer Videobotschaft: „Sinwar hat euer Leben zerstört. Er hat euch erzählt, er sei ein Löwe, aber in Wirklichkeit hat er sich in einer dunklen Höhle versteckt – und er wurde eliminiert, als er voller Angst vor unseren Soldaten weglief.“
„Dem Bösen wurde ein schwerer Schlag zugefügt, aber die Aufgabe, die uns erwartet, ist noch nicht beendet“, betonte Netanjahu. An die Geiselnehmer gerichtet, die im Gazastreifen immer noch Dutzende aus Israel verschleppte Menschen festhalten, sagte Netanjahu, wenn sie die Geiseln freiließen, werde Israel sie im Gegenzug am Leben lassen.
Der Chef der israelischen Armee, Herzi Halevi, erklärte derweil, mit Sinwars Tötung habe Israel mit dem Hamas-Anführer „seine Rechnungen beglichen“. Sinwar sei „für diesen sehr schwierigen Tag vor einem Jahr verantwortlich“ gewesen. Die Armee werde allerdings „nicht ruhen“, bis alle Beteiligten des Hamas-Großangriffs vom 7. Oktober 2023 gefasst seien.
Scholz: Sinwar für schlimmste Verbrechen verantwortlich
Bundeskanzler Olaf Scholz wies darauf hin, dass der Extremist schlimmste Verbrechen begangen hat. Für den „furchtbaren, brutalen, menschenverachtenden Angriff der Hamas auf israelische Bürgerinnen und Bürger, die getötet, vergewaltigt und auf schlimmste Weise menschlich erniedrigt worden sind“, sei Sinwar der Verantwortliche, sagte der SPD-Politiker nach einem Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel.
Über die Frage, ob die Befreiung der israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas nun leichter oder schwieriger werde, wollte Scholz keine Spekulationen anstellen.
Biden äußert Hoffnung auf einen „Tag danach“ im Gazastreifen
Auch US-Präsident Joe Biden begrüßt die Tötung Sinwars. „DNA-Tests haben nun bestätigt, dass Sinwar tot ist. Dies ist ein guter Tag für Israel, für die Vereinigten Staaten und für die Welt“, hieß es in einer vom Weißen Haus veröffentlichten Stellungnahme Bidens. US-Geheimdienste hätten das israelische Militär dabei unterstützt, Sinwar und andere Hamas-Anführer ausfindig zu machen. Die Hamas sei jetzt nicht mehr in der Lage, ein weiteres Massaker wie am 7. Oktober zu verüben.
Es gebe nun eine Chance auf einen „Tag danach“ im Gazastreifen ohne die Hamas an der Macht, erklärte Biden weiter. Es gebe auch eine Chance auf eine politische Lösung, die Israelis und Palästinensern gleichermaßen eine bessere Zukunft biete. Sinwar sei dafür ein Hindernis gewesen, das es jetzt nicht mehr gebe. „Aber es liegt noch viel Arbeit vor uns“, mahnte er.
Harris sieht Chance auf Ende des Krieges
Zuvor hatte der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, die Tötung von Sinwar ebenso als Zeichen der „Hoffnung“ gewertet. „Sein Tod bringt Hoffnung für alle, die in Freiheit leben wollen, und Erleichterung für die Israelis, die er zu unterdrücken versucht hat“, erklärte Johnson am Donnertag in Washington, während die Regierung in Israel fast zeitgleich die Tötung Sinwars bestätigte. Sinwars Tod bedeute „jedoch nicht das Ende von Israels Überlebenskampf“, betonte Johnson. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden müsse nun mit Israel zusammenarbeiten, um maximalen Druck auf den Iran auszuüben, erklärte Johnson weiter.
US-Vizepräsidentin Kamala Harris sieht in der Tötung von Yahya Sinwar die Chance auf ein Ende des Kriegs im Gazastreifen. „Dieser Moment ermöglicht uns, den Krieg in Gaza endlich zu beenden. Und er muss so enden, dass Israel sicher ist: Die Geiseln werden freigelassen. Das Leiden in Gaza hat ein Ende, und das palästinensische Volk kann sein Recht auf Würde, Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung wahrnehmen“, sagte Harris.
„Großbritannien wird seinen Tod nicht betrauern“
Der britische Premierminister Keir Starmer hat nach dem Sinwars Tod an die Opfer des Massakers vom 7. Oktober erinnert. Als Anführer der terroristischen Gruppe Hamas sei Sinwar der Kopf hinter dem tödlichsten Tag in der jüdischen Geschichte seit dem Holocaust gewesen, als 1200 Menschen in Israel niedergemetzelt wurden, sagte der Labour-Politiker einer Mitteilung zufolge. „Großbritannien wird seinen Tod nicht betrauern.“ Stattdessen seien seine Gedanken bei den Familien der Opfer.
Die Freilassung aller Geiseln, eine sofortige Waffenruhe und eine Erhöhung der humanitären Hilfe seien nun längst überfällig, damit Schritte in Richtung eines langfristigen, nachhaltigen Friedens im Nahen Osten gemacht werden könnten, so Starmer weiter.
Rutte wird Sinwar „nicht vermissen“
NATO-Generalsekretär Mark Rutte sieht keinen Grund, den von Israel vermeldeten Tod des Hamas-Anführers Yahya Sinwar zu bedauern. Sinwar werde als der Architekt der Terroranschläge auf Israel am 7. Oktober 2023 angesehen, sagte der Niederländer am Abend bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er persönlich „werde ihn nicht vermissen“.
Die israelische Regierung hatte den Anführer der islamistischen Hamas im Gazastreifen, für tot erklärt. „Der Massenmörder Yahya al-Sinwar, der für das Massaker und die Gräueltaten des 7. Oktober verantwortlich ist, ist von israelischen Soldaten getötet worden“, ließ Außenminister Israel Katz erklären. Auch die Streitkräfte bestätigten den Tod Sinwars im südlichen Gazastreifen. Die Hamas äußerte sich zunächst nicht.
Source: faz.net