Thyssenkrupp: Streit um die Zukunft des Stahls spitzt sich zu

Die Gewerkschaft IG Metall greift den Vorstand des Industriekonzerns Thyssenkrupp scharf an. „Der Konzernvorstand will sich auf Kosten der Belegschaft und der Öffentlichkeit vom Stahlgeschäft verabschieden und sich aus der Verantwortung stehlen“, heißt es in einem Infobrief an Mitglieder. Dabei geht es der Gewerkschaft vor allem um den sogenannten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV), den Thyssenkrupp mit seiner Tochtergesellschaft, der Stahlsparte Thyssenkrupp Steel Europe geschlossen hat. Der stehe durch den Einstieg des Investors Daniel Kretinsky nun vor dem Aus.

Dabei entstünden alleine durch den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen in einer Restrukturierung der Stahlsparte Kosten von 1 Milliarde Euro, rechnet die Gewerkschaft vor. Zudem müsse die Stahl AG finanziell mit weiteren 3 Milliarden Euro ausgestattet werden, um im Wettbewerb und der Transformation hin zu einer grünen Stahlproduktion bestehen zu können. „Eine Verselbstständigung ohne diese Ausstattung wäre der Weg in den sicheren Tod“, heißt es in dem Flugblatt. „Diesen Deckel von vier Milliarden Euro muss jemand bezahlen.“ Die Beschäftigten würden das nicht übernehmen, das sei Aufgabe der Muttergesellschaft. „Schließlich hat sie den Karren auch in den Sand gesetzt“, schreiben die Gewerkschaftsvertreter weiter.

In einer Sitzung Ende der vergangenen Woche hatte Thyssenkrupps Aufsichtsrat zugestimmt, dass Kretinskys Gesellschaft EPCG 20 Prozent an der Stahlsparte übernehmen kann. Allerdings war die Zustimmung nur mit der Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden Siegfried Russwurm möglich; die Arbeitnehmerbank des Kontrollgremiums hatte geschlossen dagegen gestimmt. Daraufhin hatte die IG Metall „erbitterten Widerstand“ angekündigt. Flugblätter wie das nun veröffentlichte sind Teil des Protestes. „Für mich sieht es danach aus, als sei es das Ziel, den Konzern zu zerschlagen und möglichst viel für die Anteilseigner zu sichern“, ließ sich Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der IG Metall und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Thyssenkrupp in dem Flugblatt zitieren.

Konzern: „Keine Auswirkungen auf die Finanzlage der Stahlsparte“

Der Konzern reagierte am Mittwoch mit einer eigenen Stellungnahme auf die Vorwürfe. „Die angestrebte 20-Prozent-Beteiligung von EPCG am Stahlgeschäft von Thyssenkrupp hat keine Auswirkungen auf die Finanzlage der Stahlsparte“, hieß es. „Auch nach vollzogener Beteiligung wird das Stahlgeschäft vorerst weiter seitens Thyssenkrupp finanziert.“ Der BGAV ende alleine durch die Gesetzeslage automatisch, sobald sich ein neuer Gesellschafter an der Tochtergesellschaft beteiligte – also in dem Fall die EPCG nach Abschluss des Geschäfts. Perspektivisch soll allerdings ein Unternehmen mit je hälftiger Beteiligung von Thyssenkrupp und EPCG entstehen, dafür werde eine „eigenständige Finanzierung mit unterstützenden Beiträgen beider Partner angestrebt“, teilte der Thyssenkrupp-Vorstand mit.

Die Details der Finanzierung würden in den Gesprächen über den Erwerb weiterer 30 Prozent an der Stahlsparte geklärt. Dabei werde es um eine sogenannte Fair- und Best-Owner-Vereinbarung gehen, worin Verpflichtungen von Investoren festgeschrieben werden. So etwas hatte es auch gegeben, als die Finanzinvestoren Advent und Cinven die Aufzugsparte von Thyssenkrupp übernommen hatten. Zunächst liege die operative Führung der Stahlsparte weiter im Management, betonte Thyssenkrupp. Zudem habe es im Stahl noch nie betriebsbedingte Kündigungen gegeben. Das solle auch weiterhin so bleiben. So halte sich der Konzern an bestehende Tarifverträge. In der Vergangenheit hatte das Unternehmen stets betont, dass sich jede Sparte des traditionsreichen Industriekonzerns aus eigener Kraft finanzieren müsse.

Angespannte Lage für die deutsche Stahlindustrie

Die Lage der Stahlindustrie in Deutschland ist insgesamt angespannt. Denn die Branche ächzt unter Überkapazitäten und sinkenden Preisen. Auch für den Stahlhersteller Salzgitter bleibt die erhoffte Erholung der Wirtschaft bislang aus. „Ein herausforderndes Jahr 2024 liegt vor uns“, sagte der Vorstandsvorsitzende Gunnar Groebler diese Woche auf der Hauptversammlung in Wolfsburg. Das Ergebnis für 2023 mit einem Nachsteuergewinn von rund 204 Millionen Euro nach 1,1 Milliarden Euro im Vorjahr bezeichnete er als „gerade noch zufriedenstellend“. Für dieses Jahr musste der Stahlhersteller seine Prognose senken, auch Thyssenkrupp zeigte sich zuletzt pessimistischer.

Der Investor Kretinsky hingegen konnte diese Woche einen Erfolg verbuchen: So hat die Muttergesellschaft der britischen Royal Mail hat einem nachgebesserten Übernahmeangebot des tschechischen Milliardärs zugestimmt. Für die International Distributions Services (IDS) zahlt Kretinsky 3,57 Milliarden Pfund (4,20 Milliarden Euro), Teil des Geschäfts sind auch weitere Verpflichtungen: Dazu zähle unter anderem, dass die Royal Mail weiter an sechs Tagen je Woche die Post zustelle. Leistungen und Pensionen an Mitarbeiter sollen ebenso beibehalten werden, wie die Firmenzentrale in London und der britische Steuersitz. Die Investmentgesellschaft EP Group von Kretinsky werde als Käuferin die Gewerkschaften der Royal Mail nach der Übernahme für mindestens fünf Jahre anerkennen und sich dazu verpflichten, das Lohnniveau zu halten. Zwangsentlassungen soll es nicht geben.

„Der Umfang der Verpflichtungen zeigt, wie ernst wir diese Verantwortung nehmen“, erklärte Kretinsky. Der Milliardär ist hierzulande auch als Großaktionär des Großhandelskonzerns Metro bekannt, über seine Energieholding gehört ihm in Ostdeutschland der Braunkohleverstromer LEAG.

BelegschaftBestDanielDeutschlandEndeErnstEuroFinanzierungGeldGesellschaftGewerkschaftGewerkschaftenJürgenKritikLondonNeuerOstdeutschlandPostRusswurmSalzgitterSiegfriedStahlindustrieStreitThyssenKruppTodUnternehmenVorstandWirtschaft