– – Theater heute (6/23)

Ist ja nicht so, dass Frau Fiedler nicht ihre Lektion gelernt hätte: „die zerstörerische Einordnung des Theaters als nicht systemrelevant während der Pandemie“. Was lernt frau daraus: auch die Kultur muss an die Front. Sie berichtet über junge Dramatik aus Südosteuropa: Das „New Stages South East“ Festival, angestiftet vom Goethe-Institut, gebracht vom Theater Oberhausen, ausgewählt vom Geheimrat persönlich? Da gibt es ein „ziemlich spannendes Stück“, der Autor selbst „performt Auszüge daraus als selbstkritisch ironisch, antiglamouröse Drag-Queen-Show. Das hätte Goethe sicher gut gefallen, aber das ist natürlich reaktionär, natürlich nicht Goethe, aber hu – verplappert. Aber es naht Rettung, denn es gibt eine Gegenerzählung zu der „Leidensgeschichte im kaputtgesparten Griechenland [hier fehlt leider der Bezug auf die Troika und den dt. Beitrag dazu] mit einem sehr konsequenten, sehr feministischen Rachefeldzug“. Hoffentlich nicht gegen Herrn Schäuble?! Doch es geht nicht ganz ohne uns, schließlich wurde die frühere Förderung von 2 Mio € für die freie Theaterszene auf Druck des IWF „komplett gestrichen“. Und wo genau ist das hier Thema, etwa, wenn eine „symptomatische Szene greifbar“ wird: Da ist der soziale Abstieg einer Mittelstandsfamilie, der rassistische Ausbruch während der Fußball-EM, die Polizeigewalt auf einer Demo [wir sind irgendwo in Südosteuropa!]… Unverhofft kommt dann Britney Spears ins Spiel…“ Wir atmen erleichtert auf! Ach, es gibt noch Science Fiction: „und ohne erkennbaren Grund verwandeln sich zunehmend Leute in Gegenstände, Tiere, Pflanzen“.

Anpassung macht nicht helle, wie man weiß, in anderen Zeiten wäre hier ein Diskurs über Entfremdung und Verdinglichung angebracht; aber Georg Lukács lesen nur noch die Chinesen, wie man dem Programm des Hegel-Kongresses entnehmen kann, aber das ist weit hergeholt. Zugegeben!

Aber es geht doch noch mehr: „Performing Exiles“. Eigentlich geht es um Künstler ausländischer Herkunft, die in Berlin leben, aber nicht unbedingt Flüchtlinge im Exil, und außerdem gibt es in Berlin inzwischen „eine Art globales Exil“, ja!, auch der Schreiber dieser Zeile wähnt sich im eigenen Land im Exil! Der Text ist ein Interview mit einem ukrainischen Architekten, und irgendwas mit Medien, der an einer forensischen Rekonstruktion des Theaters Mariupol beteiligt ist. Klar, dass hier die Europäische Kommission finanziert. Allerdings auch das Babyn Jar Memorial Holocaust Center! (An dem dortigen Massaker soll auch eine Melnyk-Fraktion teilgenommen haben, aber das gehört natürlich nicht hierher!) Und jetzt wird es spannend, denn der Herr Rokmaniko, dessen Rekonstruktionen einer hoffentlich anderen Logik folgen als seine Argumentation, war in der Nähe, als eine zweite Rakete* nach dem russischen Angriff im ehemaligen Babyn-Jar-Gelände, das es so nicht mehr gibt, aber wieder zu finden, einschlug (1), wo (2) ein jüdischer Friedhof sich befindet, wo es (3) eine islamische Abteilung gibt, wo (4) Menschen aus der Krim bestattet sind.

Nun, das alles widerlegt doch schlagend die „russische Propagandamaschine“, wovon die ukrainische zehrt, bleibt hier leider offen, vermutlich lauter dilettantische Amateure, ganz ohne PR-Beratung* (wo ist hier der investigative Journalismus; schätze auf dem Schoß von Schelenski and friends). Da es im Journalismus keine Nachfragen mehr gibt, kritische schon gar nicht, und alles geglaubt und so referiert wird, nur eine: Hat Putin die Rakete persönlich abgefeuert und eigentlich war doch sein Knie das Ziel?- Aber das menschliche Leid genügt nicht, ein „Bewusstseinsstrom“ muss schon sein, man ist schließlich in einem Theatermagazin. Logik fort, Artikel systemrelevant.

Die ukrainischen Künstler haben noch eine Bitte. Sie wollen nicht mit russischen in einen Dialog treten oder einen Zusammenhang kommen! (Warum als Nachfrage ist zu viel verlangt.)

Nun, das scheint mir der entscheidende Fehler, nicht nur, weil es hier aus mit dem Humanismus ist, das schmerzt nur die dt. Leser, die gerne Stimmung bzw. Gefühl in den Talksshows haben, nein: Sie könnten von den Russen lernen, wie man einen Weltkrieg beendet, aber da sei ihr lokaler Anführer vor!

PS: Vorgeschichte
Wenn eine Hamburger Korrespondentin [1919] über die Aufführung einer Operette an der Volksoper ironisch schrieb, man habe es ‚hier mit einem Stück zu tun, von dem man nicht recht weiß, ob man daran mehr die Urteilslosigkeit der Verfasser oder des Publikums bewundern soll‘, dann dürfte dies eine weitverbreitete Meinung des alten Kulturbürgertums über die neuen Operetten und ihr Publikum wiedergeben.“

Walter, Michael: Hitler in der Oper. Deutsches Musikleben 1919-1945. Metzler 1995

* Man hätte die Rakete auch einfach als Blindgänger bezeichnen können…

* Nun, die USA wissen schon, warum sie Julian Assange zum Tode im Gefängnis verurteilt haben.

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