„The Big Cigar“: Nicht mehr welcher Mann hinauf dem Foto

Mit ihren schwarzen Lederjacken,
Berets und Sonnenbrillen hat die US-amerikanische Black Panther Party in den Sechzigerjahren
einen bis heute unverkennbaren Look erschaffen. 2016 spielte sogar Beyoncé bei
ihrem Auftritt während der Halbzeitpause des Superbowls mit offensichtlich Black-Panther-inspirierten,
aber knapper geschnittenen Outfits und gereckten Fäusten auf die Ästhetik der
Bewegung und ihre popkulturelle Bedeutung an. Dabei stand die Partei natürlich
nicht in erster Linie für Fashion. Was sie auszeichnete, war ihre
sozialistische, mitunter militante Politik.

Dass Politik und Showbiz kein
Widerspruch sein müssen, daran erinnert aktuell die Serie The Big Cigar auf
Apple TV+. Sie dreht sich um Huey P. Newton (gespielt von André Holland), einen
der Gründer der Black Panther, der mithilfe der Hollywoodproduzenten Bert
Schneider (Alessandro Nivola) und Stephen Blauner (P. J. Byrne) 1974 nach Kuba
flieht, als ihn die Polizei des Mordes an einer Sexarbeiterin beschuldigt.
Passenderweise tarnen die Männer hinter dem Roadmovie Easy Rider die
Flucht als Filmdreh. Hollands Newton fungiert nun in The Big Cigar als
Erzähler dieser Geschichte, erlaubt sich wilde Zeitsprünge und stellt vorneweg
klar: „Diese Story wird aus der Sicht von Hollywood wiedergegeben. Schauen
wir mal, was sie zu zeigen bereit sind.“

Was The Big Cigar dann
zeigt, ist so ziemlich alles. Wie Newton als Kind mit seiner Familie von
Louisiana nach Kalifornien zieht, um der Gewalt gegen Schwarze in seinem Herkunftsstaat zu entkommen – nur
um sofort wieder von Polizisten verprügelt zu werden; wie Newton und Bobby
Seale die Idee der Black-Panther-Partei entwickeln, um sich gegen rassistische Polizeigewalt
zu wehren; oder wie Newton Zeit in Einzelhaft verbringt, als er für den Mord an
einem Polizisten angeklagt wird.

Wie die Serie Newton und Black
Panthers zeigt, ist wiederum eine andere Frage. The Big Cigar steht dem
Aktivisten und seiner Partei durchaus wohlgesonnen gegenüber. Man sieht die
Hauptfigur eher als leisen, zweifelnden Mann, denn als jenen Hitzkopf, der von Zeitgenossen in Stanley
Nelson Juniors Dokumentation The Black Panthers: Vanguard of the Revolution
beschrieben wird. Das dürfte auch am Quellenmaterial liegen, auf dem das Skript
zu The Big Cigar von Jim Hecht beruht: Einen gleichnamigen Artikel des
Journalisten Joshuah Bearman machte der Playboy 2013 wie ein Retro-Filmplakat
auf und bezeichnete den Text als „true-life
1970s Hollywood epic
„. Die Siebzigerjahre-Ästhetik des Artikels
übernimmt die Serie nicht nur durch ihren Funk-Soundtrack und Outfits mit Schlaghosen
und Vokuhilas. Ausgewaschene Farben verleihen The Big Cigar einen analogen
Look, die Nutzung von Splitscreens erinnert an die New-Hollywood-Ära der Sechziger-
und Siebzigerjahre.

Über das Hollywood der
Seriengegenwart verrät The Big Cigar außerdem, wie sehr die Branche nach
guten Geschichten und charismatischen Figuren lechzt. Der Produzent Schneider
erkennt in Newton einen potenziellen Kinohelden – und profitiert auch davon,
dass die Black Panthers sein Geld sehr gut gebrauchen können. Dennoch
widersteht die Serie der Versuchung, den Weißen als Retter zu inszenieren.
Stattdessen zeigt sie Newtons ambivalente Haltung gegenüber Schneider: Wessen
Geschichte möchte dieser erzählen und auf welche Art? „Ich will die
Revolution finanzieren“, sagt der Produzent einmal strahlend und zieht
dann eine Linie Kokain.

Zeitsprünge und Flashbacks rücken
immer wieder Newton und die Panthers in den Fokus. The Big Cigar zeigt Meinungsverschiedenheiten
der Parteileitung oder Ausschnitte der Beziehung Newtons zu seiner damaligen
Freundin Gwen Fontaine (Tiffany Boone). So entsteht ein differenziertes Bild
der Partei und ihres Funktionärs. Schwachpunkt der Serie bleiben jedoch ihre
weniger ausgereiften weiblichen Figuren. Zwar treten Fontaine und die
fiktionale Protagonistin Teressa Dixon (Moses Ingram) als eigenständige und für
die Haupthandlung wichtige Figuren auf. Ihre eigenen Storylines bleiben jedoch zweitrangig.
Einerseits dürfte dieser Umstand tatsächliche Spannungen beim Thema der
weiblichen Emanzipation widerspiegeln, die in der Partei auftraten.
Andererseits erinnert er daran, dass Verfilmungen der Geschichten von Kathleen
Cleaver oder Angela Davis überfällig sind.

Newton sinniert derweil in The
Big Cigar
über Foucaults Verständnis des ikonischen Bildes – schließlich
wurde er selbst einmal stilprägend auf einem Rattanstuhl fotografiert,
mit Gewehr und Speer in den Händen. Die Aufnahme machte Newton zu einem Symbol
des bewaffneten Schwarzen Widerstands. Doch in der Serie will er nicht mehr
der Typ auf diesem Foto sein. The Big Cigar enthält stattdessen einen
anderen Hinweis darauf, wie sich Newton sah. Immer wieder schaut er sich den
legendären Blaxploitation-Film Shaft an, in dem ein Schwarzer Detektiv die
Tochter eines Mobsters aus Harlem von italienischen Gangstern befreit. Wie kein
zweiter Filmprotagonist seiner Zeit steht der Ermittler für Sex-Appeal und
Schwarze Ermächtigung.

Ärgerlich nur, dass The Big
Cigar
allzu offensichtlich mit solchen Details und den Metaebenen seiner
Geschichte umgeht. Auch die Dialoge sind streckenweise hölzern – ohne jedoch
der Serie ihren Unterhaltungswert zu nehmen. Die Faszination von Hollywood und
Serienfernsehen für die Black Panther Party bleibt ungebrochen. Und Newton nicht
umsonst eine schillernde Figur, die zu Hause heroische Pastellporträts ihrer
selbst hängen hatte. 

Die sechs Folgen von „The Big
Cigar“ sind bei Apple TV+ verfügbar. Neue Episoden erscheinen jeweils
freitags.

Mit ihren schwarzen Lederjacken,
Berets und Sonnenbrillen hat die US-amerikanische Black Panther Party in den Sechzigerjahren
einen bis heute unverkennbaren Look erschaffen. 2016 spielte sogar Beyoncé bei
ihrem Auftritt während der Halbzeitpause des Superbowls mit offensichtlich Black-Panther-inspirierten,
aber knapper geschnittenen Outfits und gereckten Fäusten auf die Ästhetik der
Bewegung und ihre popkulturelle Bedeutung an. Dabei stand die Partei natürlich
nicht in erster Linie für Fashion. Was sie auszeichnete, war ihre
sozialistische, mitunter militante Politik.

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