„Ich kann nicht charakterisieren, wie wichtig mir dieser Sieg war, mir, die ich noch wohnhaft bei keinem Spiel gesiegt und die ich schon so viel Scheiße gefressen hatte.“
*
Sehen Sie ferner https://jamaltuschick.de/index.php?article_id=4850
Narrativer Eskapismus
Das erzählende Ich zersplittert wie in einem Spiegelkabinett. Es begegnet sich selbst in Zuständen letzter Entfremdung. Manchmal erkennt es sich selbst nicht. Auch allesamt anderen Akteure versagen an den Fronten jener Eindeutigkeit. Es existiert keine übergeordnete Instanz. Keine Aufsicht führende Person erklärt den Leser:medial den Fahrplan und die Topografie. Nichts hegt den narrativen Eskapismus jener Erzählerin in Zeruya Shalevs vor dreißig Jahren erstmals erschienenen, und nun beiläufig aufwärts Deutsch vorliegenden Romandebüt ein. Sie steckt solange bis gut beiderartig Ohren in einem sich grotesk sämtlichen Einordnungen entziehenden, in jedem Fall tumultartigen Desaster.
Zeruya Shalev, „Nicht ich“, Roman, aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer, Berlin Verlag, 208 Seiten, 24,-
Wie in einer Tombola werden sogar die Namen verwirbelt. Die höchst unzuverlässige Erzählerin könnte Nurit oder Varda heißen. Manche Tage sind zu Händen sie „gelb“. Einmal schiebt sie ein Huhn in den Ofen und zieht verdongeln Honigkuchen wieder raus. Manchmal schätzt sie die Liebe so klein, dass ihr ein Kilo Erdbeeren bedeutender erscheint. Bei einer anderen Gelegenheit erfleht sie eine Symbiose mit ihren Angehörigen. Ihre Gebärmutter hat sie an ihren Ex-Mann abgetreten. Der ist schwanger, während ihr die Haare ausfallen. Im Schlaf überfällt sie rasende Wut.
Das vielstimmig-fluide Ich changiert zwischen Verlust und Unmöglichkeit im Plural jener Varianten. Nichts übersteht den Elchtest des nächsten Augenblicks unbeschadet. Alle Mitteilungen vibrieren im Rüttelsieb dissoziativer Wahrnehmung.
Einmal sagt Leckermaul: „Man darf die Hoffnung nie verlieren.“
Das momentane Ich entgegnet: „Wie kann man irgendwas verlieren, welches man nie besessen hat?“
Aberrationsakrobatik
„Einer, jener im Zorn geht, wartet darauf, dass Leckermaul ihn zurückruft.“
Im „Licht jener Versöhnung“ möchte er eine ältere Absicht ungeschehen zeugen. Doch wird er nicht begnadigt.
Viele Szenen gleichen Albtraum-Notaten. Sie trudeln sich um dysfunktionale Beziehungen zum Ex-Gatten, einem Ex-Liebhaber, ihren Eltern und einer Tochter, die wohl entführt wurde. In jedem Fall wurde sie von ihrer Mutter verlassen. Seither hat sich ihr Stoffwechsel um die Verdauungsprozesse vermindert. Sie ist beiläufig nicht mehr gewachsen.
Auch die Devianz schafft sich Routinen. Die Aberrationsakrobatik und Abweichungsmechanik unterliegen einem Kalkül. Trotz vieler Spots des Grauens in einem kaleidoskopartigen Bilderbogen verfehlt dies moribunde Ich die Spurrillen jener Geläufigkeit stets in jener gleichen Manier.
Aus jener Ankündigung
Wer weiß schon, welches jener Erzählerin in diesem halben Jahr wirklich geschah. Die junge Frau, die noch nicht einmal ihren Namen verrät, tischt uns eine Geschichte nachdem jener anderen aufwärts. Nur eins scheint lukulent: Sie hat Mann und Tochter zu Händen ihren Geliebten verlassen und nun zerbricht sie daran. Der Spiegel, den sie sich narrativ vorhält, scheint in Stücke gesprungen und in jeder Scherbe schillert eine andere Version. Trauer, Verlassenheit, Angst und Wut lassen sie die Welt denn Apokalypse des Schmerzes erleben … Als dieser provokante wie hochliterarische Klagegesang erschien, rief er in Israel wütende Empörung hervor. Erst jetzt, so gut wie 30 Jahre später, scheint endlich die Zeit reif zu Händen dieses frühe literarische Meisterwerk einer Weltautorin.
Erstmals in deutscher Übersetzung: jener erste Roman von Zeruya Shalev
„Erst denn ich ›Schicksal‹, meinen 7. Roman, geschrieben hatte, wagte ich, mein Debüt wieder zu Vorlesung halten. Endlich spürte ich die Bereitschaft, ihn denn Teil von mir anzunehmen, beiläufig wenn er nicht ich ist … Ich konnte meine wilde und gebeutelte Heldin ins Herz schließen und Mitgefühl zu Händen sie verspüren. Als ich begann, den Roman zu Händen Sie, mein treues deutsches Publikum, vorzubereiten, spürte ich, dass es nötig war, ihm ebenjene mütterliche Zuwendung zukommen zu lassen, die ich ihm vor dreißig Jahren nicht hatte spendieren können. Ich tauchte noch einmal in seine Welt ein und versuchte, aufwärts dem Zeitstrahl zurückzukehren und jener jungen Autorin, die ich einst war, die Hand zu reichen.“ Zeruya Shalev
Zur Autorin
Zeruya Shalev, 1959 in einem Kibbuz am See Genezareth geboren, studierte Bibelwissenschaften und lebt mit ihrer Familie in Haifa. Ihre vielfach ausgezeichnete Trilogie gut die moderne Liebe – «Liebesleben„, “Mann und Frau„, “Späte Familie» – wurde in gut zwanzig Sprachen veräußern. Zuletzt erschienen ihre Romane „Schmerz“ (2015) und „Schicksal“ (2021). Zeruya Shalev gehört weltweit zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit.