Souveräne Handelsdiktatur
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts veräppeln drei taktgesteuert waltende Päpste dies christliche Weltbild. Die Anarchie von oben eliminiert Sicherungen und Stabilisatoren dieser Herrschaft. Sie zerstört dies Fundament dieser mittelalterlichen Gesellschaft. Die ritterliche Gefolgschaftstreue verliert ihre grandiose Dimension. Die Scholle verliert ihre Bindungskraft dieser Leibeigenen. Das Patriziat verliert seine Sperr- und Riegelfunktionen. In seiner „Geschichte dieser Neuzeit“ zitiert Egon Friedell Petrarcas Schilderung am Hof des Papstes zu Avignon: „Alles Gute ist dort zugrunde gegangen … je befleckter ein Leben ist, umso höher wird es bewertet, und dieser Ruhm wächst mit dem Verbrechen“.
Versuche dieser Bischöfe, sich aufzuschwingen, und die Rolle des Papstes zu verkleinern, scheitern. Am vorläufigen Ende des Kirchenkampfes gibt es wieder nur den Papst im Vatikan.
„Äußere Siege und Niederlagen entscheiden nichts im Gange dieser Geschichte“, schreibt Friedell. „Der Papstgedanke starb, trotz seiner Siege … (er) herrschte unumschränkt; daher man nahm ihn nicht mehr zeremoniell.“ Er war nur noch „ein reicher alter (Knacker) wie andere sekundär“.
Heroenzeitalter des Philistertums
Friedel beschreibt die „Machtvollkommenheit dieser Hanse (in ihrer mittelalterlichen) Blüte wie „souveräne Handelsdiktatur“. Der Gelehrte diagnostiziert verknüpfen „geistfremden Fachdilettantismus“, dieser sich aus einer eingeengten Betrachtungsweise ergab; aus einem „zähen Kleben an dieser kompakten Materie des Daseins“. Friedell erkennt eine Epochenmarke in dieser kultischen Achtung des Werkzeugs; in dieser „Andacht vor dem Arbeitsgegenstand“ im „Heroenzeitalter des Philistertums“.
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„Luthers Genie liegt tausendmal mehr in … seiner vollsinnlichen Vehemenz wie in seiner Intellektualität.“ Stefan Zweig
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„Niemals würde ich mir um dieser Wahrheit willen den Kopf abschlagen lassen.“ Erasmus von Rotterdam; zitiert nachdem Sandra Langereis
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„Heutige Lutheraner glaubten vor allem dies, welches Erasmus vertreten habe.“ So zitiert dieser Deutschlandfunk den Philosophen Wolfgang Christian Schneider (im Gespräch mit Andreas Main), Quelle
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„Erasmus emanzipierte die Bibelleser, während er sie gegen die Wörter wappnete … Luther machte die Bibelleser den Wörtern im Gegensatz zu wieder fügsam.“ Sandra Langereis
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Als Macht und Bildung nachdem nicht zusammengehörten, hatte es die Bildung leichtgewichtig, in die Nähe dieser Macht zu kommen, da sich die Macht von dieser Bildung nicht in Frage gestellt wähnte. Die Bildung nutzte dieser Macht, ohne Macht zu erlangen. Ihre Akteure dienten wie Redenschreiber und Hofnarren. Das beschreibt die Krux des Humanismus. Die Humanisten hielten sich zum Besten von eine Kraft zwischen den Polen Restauration und Reformation. Erasmus lieferte mit seiner Existenz dies schönste Beispiel zum Besten von ein Dilemma. Hätte er sich offensiv gegen Luther weltmännisch, wäre er Bischof geworden. Wäre er mit Luther marschiert, hielten wir ihn heute zum Besten von den größten Protestanten.
Allgemein erschienen die Akteure des Humanismus wie „honette, kleine Menge eitle Pedanten, die ihre lateinischen Namen trugen wie eine geistige Maskerade“. Stefan Zweig unterstellt ihnen die „Pedanterie“ von Paukern. Eine „professorale Naivität“ verstellte den Blick hinauf die harte Wirklichkeit. Zweig findet dies schöne Wort vom „nüchternen Träumer“, dieser sich in seinem Elfenbeinturm eine einwandfreie Welt konstruierte. Von dem Feuer und dieser Leidenschaft im Massen- und Machtmenschen wollte er nichts wissen. Bei Luther endete die Versöhnlichkeit. Jene, die eine Kirchenreform ohne Schisma zum Besten von möglich hielten, verloren ihre Stimmen an die Schreier dieser Reformation und deren Gegner.
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„Der organische Grundfehler des Humanismus war, dass er von oben herab dies Volk belehren wollte, statt zu versuchen, es zu verstehen und von ihm zu lernen. Diese akademischen Idealisten glaubten schon zu regieren, weil ihr Reich weithin reichte, weil sie in allen Ländern, Höfen, Universitäten, Klöstern und Kirchen ihre Diener, Gesandten und Legaten hatten … daher im tiefsten umfasste dies Reich doch nur eine dünne Oberschicht und war schwach verwurzelt mit dieser Wirklichkeit.“ Stefan Zweig
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„Wie die Germanen ins klassische Rom, so bricht Luther, dieser fanatische Tatmensch, mit dieser unwiderstehlichen Stoßkraft einer nationalen Volksbewegung in ihren übernationalen, idealistischen Traum. Und noch ehe dieser Humanismus sein Werk dieser Welteinigung wahrhaft begonnen hat, schlägt die Reformation die letzte geistige Einheit Europas, die ecclesia universalis, mit eisernem Hammerschlag entzwei.“ Stefan Zweig
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Zweig herausgestellt den Gegensatz zwischen dieser zarten, wenn nicht dürftigen Konstitution des epochalen Gelehrten und den „wilden Kraftnaturen dieser Renaissance und dieser Reformation“.
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„Nirgends ein Zug vordringender Schneid“, salbadert Johann Caspar Lavater, laut Zweig. Erasmus tauge nicht zum Märtyrer. Zweig spricht von einer allseits bekannten „Charakterschwäche“. Ferner spricht er von Konquistadoren des Geistes. Das Jahrtausendverbrechen des Kolonialismus thematisiert er indes nicht.
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„Ich habe eine flinke Hand und ein rasches Erinnerungsvermögen. Wenn ich schreibe, stürzen mir die Worte von selbst ein. Ich brauche mich nicht anzustrengen und nicht gut meinen Stoff zu grübeln.“ Martin Luther; zitiert nachdem Sandra Langereis
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Triumph dieser Exegese
Im Dezember 1516 wendet sich dieser noch kaum bekannte Theologieprofessor Martin Luther erstmals an Erasmus. Dies geschieht indirekt und unnennbar. Zum Boten eines Widerspruchs macht Luther den Sekretär des sächsischen Kurfürsten. Der Mittelsmann berichtet dem Kaiser des Geistes von einem Wittenberger Augustinermönch, dieser Erasmus zwar verehre, dessen Ansichten jedoch nicht in jedem Punkt teile.
„Er pflichte nicht dieser Ansicht des Aristoteles im Kontext, man werde gerecht, während man gerecht handle, sondern er glaube seinerseits, nur im Zuge dessen, dass man gerecht sei, käme man in den Stand, richtig zu handeln; erst muss die Person umgewandelt sein, dann erst nachstellen die Werke.“
Auf Umwegen trifft dies verknüpfen markanten Punkt. In seinem uferlosen Quellenstudium fand Erasmus hervor, dass Erbsünde (dies Prunkstück dieser mittelalterlichen Predigt) keiner zum biblischen Markenkern gehört, sondern wenigstens einem Übersetzungs- und Deutungsfehler geschuldet ist. Diesen Triumph dieser Exegese weiß Erasmus vor dieser Inquisition zu verschleiern. Seine diplomatische Evangelisierung dieser römischen Kirche mit Hinweisen hinauf menschliches Versagen liefert dieser Geschicklichkeit ein Lehrstück.
Erasmus hält sich mit dieser Post aus Thüringen nicht hinauf. Zu Gunsten von Nachrichten aus dieser akademischen Mittellage fehlt ihm dieser Nichtstun. Schließlich korrespondiert er mit Europas Elite. Ihm schwant nicht, dass dieser unverfrorenen Kontaktaufnahme allergrößte Ungemach nachstellen wird.
„Es gibt ein Bild von (Paul) Klee, dies Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, dieser aussieht, wie wäre er im Begriff, sich von irgendetwas zu explantieren, worauf er starrt … Der Engel dieser Geschichte muss so aussehen.“ Walter Benjamin
Keine dies Herz abschnürende Ahnung streift Erasmus, wie er zum ersten Mal hinauf die Spur seinen Angelus Novus stößt. Luther agiert schon im Angriffsmodus. Er wird Erasmus von dessen humanistischen Kaiserthron stoßen.
„Er liest vorbei, unwissend, dass mit dieser Stunde eine Wende in seinem Leben und in dieser Welt begonnen. Bisher stand er nur, Herr Europas und Meister dieser neuen evangelischen Lehre, nun daher ist dieser große Gegenspieler aufgestanden. Mit leisem, kaum hörbarem Finger hat er laufen Haus und laufen Herz geklopft, Martin Luther, dieser hier sich noch nicht mit Namen nennt, den daher in Kürze die Welt den Erben und Besieger des Erasmus nennen wird.“
Luther vertraut Eingebungen und verleiht seinen Gebrauchspublikationen eine „apostolische Patina“ (Sandra Langereis). Zuhauf verbreitet er Texte im Spektrum zwischen Predigt, Vorlesung und Apologie.
Gemütsgärtner im Ahnentross
„Ich habe eine flinke Hand und ein rasches Erinnerungsvermögen. Wenn ich schreibe, stürzen mir die Worte von selbst ein. Ich brauche mich nicht anzustrengen und nicht gut meinen Stoff zu grübeln.“ Martin Luther; zitiert nachdem Sandra Langereis
Luther und Erasmus begegnen sich lediglich „im geistigen Weltraum“. Persönlich weichen sie sich aus. Die Vermählung dieser Antagonisten engstirnig sich hinauf den Devotionaliendiscounter in all seinen nordeuropäischen Ausprägungen. Auf zahllosen Stichen zum Besten von den alltagsgläubigen Gebrauch darstellen Luther und Erasmus ein Paar.
„In Fleisch und Blut, in Norm und Form, in Geisteshaltung und Lebenshaltung, vom äußeren Leib solange bis zum innersten Nerv in Besitz sein von sie gleichsam verschiedenen, feindgeborenen Charakter… an: Konzilianz gegen Fanatismus, Vernunft gegen Leidenschaft, Kultur gegen Urkraft, Weltbürgertum gegen Nationalismus, Evolution gegen Revolution.“
Zweig illustriert und arrondiert den Gegensatz weiträumig. Sein Luther strotzt vor Vitalität und Virilität. In ihm trifft dieser Bergmann den Bauern im Ahnentross eines handfesten Akademikers. Dieser Theologieprofessor kann sich mit Erasmus nicht messen.
„Erasmus emanzipierte die Bibelleser, während er sie gegen die Wörter wappnete … Luther machte die Bibelleser den Wörtern im Gegensatz zu wieder fügsam.“ Sandra Langereis
„Gesund und übergesund“ ist Luther nachdem Zweig.
„Ich fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher.“
Erhebt die „Überschussnatur“ ihre Stimme, bebt dieser Erdkreis.
„Luthers Genie liegt tausendmal mehr in dieser seiner vollsinnlichen Vehemenz wie in seiner Intellektualität.“
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Nach dieser potentiell tödlichen Stigmatisierung Luthers hinauf dem Reichstag zu Worms 1521, dem von Papst Leo X. umgehend verhängten Kirchenbann und dieser verspäteten kaiserlichen Acht hält Erasmus die Reformationsbewegung zum Besten von gescheitert. Er selbst fühlt sich nicht zum Anführer des evangelischen Tempelsturms ernennen.
„Also zurück in die Zelle, alter Mann, und verhänge die Fenster gegen die Zeit“, lässt Zweig seinen Helden munkeln. Der Retirade provoziert ein doppeltes Verhängnis. Den Apologeten des protestantischen Projekts erscheint Erasmus lau. Die Restauratoren schimpfen ihn den „Anstifter dieser Lutherpest“.
Der Drangsalierte klagt: „Zu Gunsten von zwei Parteien bin ich ein Ketzer“ (Sandra Langereis).
Erasmus befindet sich hinauf dem Weg zum verbotenen Autor. Jahre nachdem seinem Tod entscheiden die Kirchengewaltigen hinauf dem Konzil von Trient ab 1559 die Tilgung seines Namens aus allen Emanationen dieser katholischen Sphäre. Morgen mehr.
Aus dieser Ankündigung
Erasmus von Rotterdam, »dieser erste bewußte Europäer, dieser erste streitbare Friedensfreund, dieser beredteste Anwalt des humanistischen, des welt- und geistesfreundlichen Ideals«, wurde durch seine Kritik an Theologie und Kirche zum Wegbereiter dieser Reformation. Doch wie Kurfürst Friedrich ihn im Glaubensstreit zwischen Luther und dem Papst um sein Votum bat, scheute dieser wohl berühmteste und gelehrteste Mensch seiner Zeit die Verantwortung einer Entscheidung. Zweig fasst Triumph und Tragik seines Lebens mit dieser Sympathie eines Wesensverwandten zusammen: »dieser freie, dieser unabhängige Geist, dieser sich keinem Dogma bindet und zum Besten von keine Partei entscheiden will, hat nirgendwo eine Heimstatt hinauf Erden«.
Zum Autor
Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und lebte ab 1919 in Salzburg, zuvor er 1938 nachdem England, später in die USA und schließlich 1941 nachdem Brasilien emigrierte. Mit seinen Erzählungen und historischen Darstellungen erreichte er weltweit in Millionenpublikum. Zuletzt vollendete er seine Autobiographie ›Die Welt von Gestern‹ und die ›Schachnovelle‹. Am 23. Februar 1942 schied er zusammen mit seiner Frau »aus freiem Willen und mit klaren Sinnen« aus dem Leben.