Bei Lucky Luke, Butch Cassidy und Co. sieht das Werfen eines Lassos irgendwie einfacher aus. Tatsächlich gestaltet sich das gekonnte Schwingen des Seils aus Nylon- und Polyester-Fasern (nicht, wie fälschlicherweise angenommen, aus Baumwolle) als ganz schön kompliziert. „Eine Truppe mit so wenig Koordination habe ich selten gesehen!“, sagt Larry Cortez und lacht.
Der Mittsiebziger führt eine Ranch im Hill Country vor den Toren von San Antonio. Das ganze Jahr über erleben Gäste hier jenseits von TV-Serien und Wild-West-Romanen das authentische Arbeiten mit Rindern und Pferden – eine Dreiviertelstunde Autofahrt von der Großstadt entfernt. Urtexanischer Alltag zum Anfassen.
Das macht einen Urlaub im Süden des US-Bundesstaats Texas so besonders. Sowohl San Antonio als auch das Umland bieten Einblicke in vergangene Welten, die Chance, verschiedenste Küchenstile zu probieren, oder die Möglichkeit zum uneingeschränkten Adrenalinausstoß.
In Texas die beliebteste Attraktion
Außerhalb der US-Landesgrenzen mag er noch keinen legendären Ruf genießen wie der Central Park in New York oder die Golden Gate Bridge in San Francisco. Innerhalb von Texas aber – und dabei handelt es sich nach Alaska immerhin um den zweitgrößten Bundesstaat – gilt der River Walk als beliebteste Attraktion überhaupt.
Die Promenade entlang des San Antonio River schlängelt sich fünf Kilometer durch das Zentrum – was sie zum begehbaren Reiseführer macht, reihen sich doch eine Vielzahl von Restaurants, Bars, Boutiquen und Kultureinrichtungen wie dem exzellent gestalteten Briscoe Western Museum aneinander. Der vor gut 100 Jahren künstlich angelegte Weg liegt eine Ebene unter dem Straßenverkehr; über Treppen gelangen Passanten hinab auf den River Walk.
Insbesondere an Wochenenden verwandelt sich die Promenade in ein einziges Open-Air-Spektakel. Hier dröhnen aktuelle Hits aus den Lautsprecherboxen der Lokale, dort buhlen aufgeregte Kellner um die Gunst potenzieller Gäste, und von den langsam über den Fluss gleitenden Booten hallen die Worte der Guides nach, die San Antonios Vielfalt von A bis „Tower of the Americas“ (dem 229 Meter hohen Aussichtsturm) beschreiben.
Die zu keinem Zeitpunkt gestellt wirkende Lebendig- und Freundlichkeit, die auch Touristen – also Fremden – schon nach wenigen Tagen das Gefühl vermittelt, Teil einer Gemeinschaft zu sein, macht den Reiz der Metropole aus. „Hier wohnen mehr als eine Million Menschen, und trotzdem fühlen wir uns wegen des Zusammenhalts wie in einer Kleinstadt“, erzählt Daniel Ureno. Der Mittdreißiger zog, wie so viele andere, jüngst von Kalifornien nach Texas; vor allem wegen der vergleichsweise niedrigen Preise des täglichen Lebens.
Koriander muss im Essen sein
Auch das Essengehen gestaltet sich in San Antonio angenehm preiswert. Während ein Stück Prime Rib-Rinderbraten im typischen New Yorker Steak-Restaurant „Keens“ 72 Dollar kostet, zahlen Gäste bei „Boudro’s“ am River Walk 47,50 Dollar. Als eine von nur zwei Städten in den USA – bei der anderen handelt es sich um Tucson, Arizona – darf sich die Metropole mit dem Unesco-Titel „Creative Cities of Gastronomy“ für ihre herausragende kulinarische Geschichte schmücken.
Die Jury überzeugte der Einklang von europäischer und mexikanischer Küche, auch bekannt als „Tex-Mex“, die junge Talente durch moderne Interpretationen beispielsweise mit asiatischen Aromen auf ein neues Niveau namens „Tex-Next“ heben. Viele James-Beard-Award-Finalisten, also Nominierte für die prestigeträchtigste Ehre für Gastronomen in den USA, führen vor Ort Restaurants – etwa Lattoia Massey das „The Jerk Shack“ oder Jennifer Dobbertin ihr „Best Quality Daughter“.
Wer sich an die omnipräsente, bisweilen extrem scharfe mexikanische Küche heranprobieren möchte, kostet Tortilla-Suppe. Das Traditionsgericht mit Hähnchenfleisch, Jalapeños, Avocado, Cheddar-Käse und natürlich Tortillas bereitet jede Küche je nach Hausrezept ein wenig anders zu; einziges Muss und für viele im wahrsten Sinne des Wortes eine Frage des Geschmacks: Koriander.
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Dieses Kraut, das die einen lieben, die anderen hassen, lässt sich aus San Antonios Lokalen nicht wegdenken. Bei „Carriqui“ im Pearl-Viertel sowie in der „Esquire Tavern“ am River Walk verwenden Köche das Gewürz besonders großzügig. Wer wiederum Chili & Co. im Laufe seines Aufenthalts für sich entdeckt, kommt an der Version der Tortilla-Suppe in der „Casa Hernan“ nicht vorbei. Zudem gibt es dort die vielleicht besten Tacos der Stadt.
Das süße Finale folgt, etwa mit „Churros“, im Café „Mi Tierra“. Es liegt gegenüber dem größten mexikanischen Markt außerhalb Mexikos. An 150 überdachten Ständen lässt sich auf dem „Historic Market Square“ von der quietschbunten Piñata bis zur reich bestickten Bluse und den „Catrina“-Totenfiguren jedes nur denkbare Souvenir finden.
Viele Deutsche zog es nach San Antonio
Während das sehr sehenswerte San Antonio Art Museum 30.000 Ausstellungsstücke aus 5000 Jahren präsentiert – darunter ein vom Dalai Lama für Heilungszwecke genehmigtes Sand-Mandala, Seidengewänder der Kaiser von China und peruanische Pfeifengefäße –, legt eine weitere Attraktion den Fokus auf die US-Geschichte: das Alamo.
Die zu einem Fort ausgebaute ehemalige Missionsstation wirkt, Stand Frühjahr 2024, etwas verloren neben einer Baugrube mit den gefühlten Ausmaßen eines Fußballfeldes. Das gesamte Areal soll sich in eine dem Ort angemessene Anlage verwandeln: Billigshops mit Zwei-Dollar-Artikeln müssen einem hochmodernen Visitor Center mit Dachterrasse, Restaurants und Event-Bereich weichen.
Nach Plan öffnet im Frühjahr 2025 zunächst ein Education Center; es zeigt im 4-D-Kino die Geschichte des Krieges von 1836 um die Unabhängigkeit Texas’ zwischen Widerstandskämpfern und der mexikanischen Armee. 2027 folgt die Eröffnung des eigentlichen Besucherzentrums.
Auf dem Gelände des Forts befindet sich bereits ein Neubau mit einer Galerie einzigartiger Artefakte. Bei 200 von ihnen handelt es sich um eine Schenkung von Phil Collins. Der Musiker trug über Jahrzehnte die größte Sammlung von Gegenständen aus der Schlacht zusammen, etwa das legendäre Allzweckmesser des Alamo-Kommandeurs und -Helden James „Jim“ Bowie. Mit diesem lassen sich sogar Nägel durchhauen.
Geht es um den Einfluss der Deutschen auf die Stadt, laufen Interessierte ein paar Minuten weiter ins Viertel „King William“. Wegen der Revolution 1848/49 in vielen deutschen Staaten, entschieden sich etliche Bürger für ein neues Leben im gelobten Westen. In der Gegend sitzt auch der Verein Beethoven Maennerchor, in dem wöchentlich ein – der Name verrät es – Männerchor Volkslieder aus der früheren Heimat zum Besten gibt.
Im eigenen Biergarten tischen sie importiertes Münchner Bier, Bratwurst und Reuben-Sandwich auf. „Das ist zwar nicht von drüben, kommt aber gut an bei den Gästen“, sagt Vereins-Vizepräsident David Uhler und lacht. Im 19. Jahrhundert, erzählt er, sprachen zeitweise mehr Einwohner San Antonios Deutsch als Spanisch oder Englisch.
Ein Cowboy-Hut für den Papst
Entgegen dem gängigen Texas-Klischee gehören in San Antonio Waffen nicht zum Straßenbild. Cowboystiefel (die weltweit größten aus Stahl stehen vor dem 15 Kilometer von Downtown entfernten Einkaufscenter „North Star Mall“) und -hüte dagegen schon. Frauen, Männer, Kinder tragen sie beim Stadtbummel, zu Kongressen, Kinobesuchen oder Picknicks in einem der 250 Parks völlig selbstverständlich.
Hüte von Stetson – in der Regel aus Biber- oder Nerzfell – verkaufen Myrna und Abe Cortez in ihrem Geschäft „Paris Hatters“. 1917 gegründet, orderten hier schon König Charles, sein Landsmann Paul McCartney sowie US-Präsidenten von Johnson bis Truman ihre Kopfbedeckungen. Ein Dankschreiben aus dem Vatikan klebt vergilbt an einer Kasse. „Papst Johannes Paul II. bekam bei seinem Besuch in Texas 1987 einen Hut aus unserem Laden geschenkt“, erzählt Abe Cortez und strahlt.
Wer seine neue Garderobe ausführen möchte: Alljährlich im Februar findet im Stadion der Basketballmannschaft San Antonio Spurs ein gigantisches Rodeo statt, bei dem Cowboys aus aller Herren Länder ihr Geschick auf Pferden, Bullen und sogar Schafen präsentieren.
Von März bis November bietet sich ein Besuch des „Tejas Rodeo“ im 50 Kilometer entfernten Bulverde an. Oder eben ein Ausflug zu Larry Cortez’ zu Beginn erwähnter Ranch im Hill Country. Auf dem Weg dorthin liegen an den Straßenrändern immer wieder verloren gegangene Hufeisen. Vielleicht bringen sie ein wenig Glück beim nächsten Lasso-Schwung?
Tipps und Informationen:
Anreise: Ab 17. Mai bietet Condor Direktflüge von Frankfurt/Main nach San Antonio an – es sind die einzigen von Europa aus. Condor hat die Strecke vorerst bis 6. September 2024 im Programm. Alternativ bietet sich eine Reise beispielsweise mit American Airlines ebenfalls ab Frankfurt oder KLM via Amsterdam mit Zwischenstopp in Dallas an.
Unterkunft: Das klassische Business-Hotel „Hyatt Regency“ (ab rund 230 Euro pro Nacht, hyatt.com) liegt unmittelbar am River Walk. Das „Hotel Emma“ in einer ehemaligen Brauerei gehört zu den „Leading Hotels of the World“ (ab 700 Euro, thehotelemma.com).
Tipp der Redaktion: Für Alleinreisende empfiehlt sich ein Trip mit dem „Vespa Sidecar“. Guide José fährt mit einer Vespa samt Beifahrerkabine zu allen Sehenswürdigkeiten der Stadt, 90 Minuten kosten rund 160 Euro, sanantoniosidecars.com.
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Visit San Antonio. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.com/de/werte/downloads.
Source: welt.de