Wir als Unternehmen und erst recht als Fabrikstandort haben uns nie politisch positioniert. Wir konzentrieren uns darauf, was wir am besten können, nämlich Autos zu bauen, und zwar sehr gute und sehr viele. Für uns geht es hier um die Fertigung am Standort und nicht um Politik. Das können wir gut trennen.
Vor einem Jahr wurde die Fabrik in Grünheide durch einen Brandanschlag auf die Stromversorgung von linksextremen Aktivisten lahmgelegt. Rechnet Tesla aktuell mit ähnlichen Angriffen, und sind Sie besser darauf vorbereitet?
Wir sind sicherlich sensibler geworden und haben unser Netzwerk für den Austausch von relevanten Informationen weiter verbessert, um schneller reagieren zu können. Wir sind im Austausch mit allen Sicherheitsbehörden und werden bei Bedarf Maßnahmen ergreifen. Wir werden hier aber keine fünf Meter hohe Mauer um die Fabrik ziehen. Das kann auch nicht das Ziel sein.
Wir bleiben auch weiter ein relevanter Dialogpartner für die Politik. Daniel Keller, der neue Wirtschaftsminister Brandenburgs, hat sich die Fabrik auch bereits angeschaut. Wir sind im sehr guten Austausch mit Behörden und Politik. Wir pflegen hier sehr gute Kontakte auf allen Ebenen. Ich sehe auch in der Fortführung der Tesla Task Force durch die Landesregierung in Potsdam ein klares Bekenntnis zu unserem Wirtschaftsstandort. Seit der Eröffnung vor drei Jahren haben wir hier fast 500.000 Autos gebaut und mehr als 11.000 unbefristete Arbeitsplätze mit einem übertariflichen Mindesteinkommen von mehr als 40.000 Euro in einer Region geschaffen, die als strukturschwach galt. Jeder neunte Industriearbeitsplatz in Brandenburg ist mittlerweile in Grünheide. Wir haben mehr als fünf Milliarden Euro am Standort investiert und sind der größte industrielle Arbeitgeber Brandenburgs.
Im Februar verzeichnete Tesla in Deutschland einen Absatzeinbruch, während der Markt zulegte. Liegt das an den Schlagzeilen zu Elon Musk, oder baut die Konkurrenz die besseren Autos?
Der Rückgang der Zulassungszahlen hat im Moment vor allem mit der Umstellung unserer Produktion auf das neue Model Y zu tun. Seit dem Jahresanfang haben wir die Produktion des alten Model Y heruntergefahren und für einige Tage ganz gestoppt, um die Produktionslinien umzustellen. Jetzt befinden wir uns mitten im Produktionshochlauf für das neue Auto. Das erklärt einen Rückgang der Produktionszahlen, und dieser schlägt sich direkt in den Zulassungszahlen nieder. Denn wir haben einen Direktvertrieb ohne Zwischenhändler. Was wir produzieren, geht direkt in den Markt. Was nicht in den Markt geht, wird auch nicht zugelassen.
Das erste neue Model Y aus Grünheide wurde Anfang März ausgeliefert. Wie ist der Verkauf angelaufen, und wie viele Vorbestellungen gibt es für das Auto?
Dazu kann ich nichts sagen. Wir in der Gigafactory verkaufen nicht, wir produzieren. Die Verkaufszahlen liegen in der Verantwortung unserer Vertriebsorganisation. Wir kennen aber unsere Produktionszahlen und unsere Produktionsplanung, und wir fahren die Produktion aktuell weiter hoch. Unsere Auslieferungsplätze hier und auf dem Flughafengelände in Neuhardenberg sind verhältnismäßig leer, die Autos gehen also schnell in den Markt. Eine Glaskugel, wie sich der Markt in den nächsten Monaten entwickeln wird, habe ich aber nicht.
Wie viele Autos werden aktuell in Grünheide produziert, und wie schnell soll der Hochlauf der Produktion erfolgen?
Wir befinden uns auf einem guten Weg, die Produktion wieder auf 5000 Fahrzeuge pro Woche hochlaufen zu lassen. Dieses Niveau haben wir schon im vergangenen Jahr erreicht, und da wollen wir mindestens wieder hin. Wir haben die Möglichkeit, am Standort weiter zu wachsen. Das hängt aber von der Nachfrage der Märkte ab. Wir produzieren für ganz Europa und darüber hinaus.
2023 wurden in Grünheide 200.000 Autos produziert, im vergangenen Jahr waren es mehr als 210.000. Wie viele Autos sollen 2025 vom Band rollen?
Im vergangenen Jahr hatten wir zwei Wochen mit den Auswirkungen der Angriffe durch jemenitische Huthi-Rebellen auf die Schifffahrtsroute durch das Rote Meer und den Suezkanal zu kämpfen, mit den Folgen des Brandanschlags auf unsere Stromversorgung umzugehen und mussten eine versuchte Fabrikstürmung abwehren, da wurde uns viel in den Weg gestellt. Ziel ist es natürlich, auch in diesem Jahr zu wachsen.
Zum 1. April übernimmt Tesla in Grünheide 300 Leiharbeiter in unbefristete Arbeitsverhältnisse. Drohen mittelfristig betriebsbedingte Kündigungen oder Kurzarbeit, sofern die Produktion weiter unter der Produktionskapazität bleibt?
Darüber reden wir aktuell überhaupt nicht. Wir beliefern aus Grünheide heute 37 Märkte und werden in diesem Jahr noch weitere Märkte hinzunehmen. Das Model Y war im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge das meistverkaufte Auto der Welt und lag in Europa auf Platz vier. Das ist ein sehr erfolgreiches Fahrzeug, das wir jetzt noch einmal sehr viel besser gemacht haben.
Reicht ein Facelift für das Model Y, um im Wettbewerb zu bestehen?
Sogenannte Autoexperten sprechen abwertend von einem Facelift, das neue Model Y ist aber viel mehr als das. 70 Prozent der Komponenten wurden neu entwickelt, das Auto ist effizienter als sein Vorgänger, und der Fahrkomfort wurde noch einmal erhöht.
Welche Umstellungen waren dafür in der Fabrik nötig?
Den Hochlauf muss man sich ziemlich komplex vorstellen. 70 Prozent neue Komponenten bedeuten neue Prozesse, Maschinen müssen umprogrammiert und Mitarbeiter neu geschult werden. Aber auch die Lieferanten müssen eine Lernkurve durchlaufen. Das alles ist bislang ohne Verzögerungen gelungen, und wir liegen voll im Plan. Jetzt muss das ganze System wieder Fahrt aufnehmen.
Machen Sie sich Sorgen, dass die Fabrik bald die Folgen eines transatlantischen Handelskriegs zu spüren bekommt?
Wir haben den Lokalisierungsgrad unserer Lieferanten mit der Umstellung der Produktion noch einmal erhöht und liegen mittlerweile bei 92 Prozent auf dem europäischen Kontinent. Das macht uns noch resilienter gegenüber Störungen im Welthandel. Außerdem verfügen wir über eine hohe Fertigungstiefe am Standort, die sich in den vergangenen Jahren bereits bezahlt gemacht hat. Weder die Turbulenzen in den Lieferketten während der Corona-Pandemie noch die Chipkrise oder der Krieg in der Ukraine haben bei uns zu Produktionsstörungen geführt.
Wie sieht es mit den Plänen für die Fertigung von Batteriezellen aus?
Die Batteriefertigung in Grünheide wird noch auf das neue Model Y umgestellt, sie wird den Betrieb aber noch in diesem Jahr wieder aufnehmen. Wir fertigen Module mit importierten Zellen, die wir in Batterien einbauen. In der Zellfertigung haben wir im vergangenen Jahr die Fertigung von Teilkomponenten begonnen, die nach Austin verschifft werden. Das werden wir in diesem Jahr noch ausweiten. Ich kann noch nicht sagen, wann wir mit der kompletten Zellproduktion beginnen, das bleibt aber das Ziel.
Mit dem Wasserverband Strausberg-Erkner verhandelt Tesla seit bald zwei Jahren über einen Änderungsvertrag zur Versorgung mit Frischwasser und zur Entsorgung von Schmutzwasser. Bremst das die Entwicklung des Standorts?
Nein, das hält unsere Expansionspläne nicht auf, die vertraglich zugesicherten Wassermengen lassen den geplanten Ausbau zu. Aber der aktuell gültige Vertrag beschreibt eine Entsorgungsstruktur, die so nicht mehr gegeben ist, seit wir das Prozesswasser aus der Fabrik fast vollständig aufbereiten und wiederverwenden. Die Abwassergrenzwerte, die vertraglich festgesetzt sind, orientieren sich an Industriemischabwasser, wir leiten aber fast ausschließlich sanitäre Abwässer ein. Das wollen wir anpassen und sind dafür bereit, auf vertraglich zugesicherte Wassermengen zu verzichten.
Trotzdem gibt es seit zwei Jahren Streit. Was ist schiefgelaufen?
Uns überrascht das auch. Wir haben hier für 40 Millionen Euro eine Abwasserbehandlungsanlage hingestellt, die in der Fachwelt als Leuchtturmprojekt gilt. Hier kommen viele Experten zu Besuch, die sich diese Anlage anschauen. Ich kann nicht sagen, dass es die Technologie so nirgendwo sonst gibt, aber das ist technologisch in gewisser Weise schon einzigartig. Wir haben zusätzlich eigenes Geld in die Hand genommen, um neue Quellen zu erkunden. Wir versuchen so schonend wie möglich mit dem Wasser umzugehen und sind bereit, knapp 400.000 vertraglich zugesicherte Kubikmeter Wasser jährlich zurückzugeben, was neue Projekte in der Region ermöglicht. Wir tun mehr, als die meisten Industrieunternehmen tun würden, wollen in dem neuen Vertrag aber unsere Rechte gewahrt sehen.
Die IG Metall wirft Tesla vor, ärztliche Atteste für Mitarbeiter im Krankenstand anzuzweifeln, Entgeltfortzahlungen zu verweigern und Entgelte einzubehalten. Was antworten Sie?
Das ist ein völlig legitimes Vorgehen, dazu gibt es auch höchstrichterliche Rechtsprechung. Wir reden hier über etwa ein Dutzend Fälle pro Monat, es geht also um rund 0,1 Prozent der Belegschaft, bei denen wir so ein Vorgehen wählen. Das betrifft beispielsweise Mitarbeiter, die nach sechs Wochen im Krankenstand aus der Lohnfortzahlung in den Bezug von Krankengeld fallen würden, aber passgenau am ersten Tag nach Ablauf der sechs Wochen eine neue Erstbescheinigung einreichen und so in der Lohnfortzahlung verbleiben würden. In diesen Fällen stellen wir infrage, ob das so alles richtig ist, und dann muss der Mitarbeiter nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine weitere Lohnfortzahlung vorliegen. Gelingt dies nicht, stellen wir die Lohnfortzahlung ein.
Die Gewerkschaft wirft Tesla vor, mit diesem Vorgehen Druck auf Beschäftigte auszuüben und sie zur Unterzeichnung von Aufhebungsverträgen zu drängen. Sehen Sie sich damit auch innerhalb der Grenzen des Arbeitsrechts?
Wenn wir merken, dass das Arbeitsverhältnis nicht weiter zielführend ist, der Arbeitnehmer aber weiter daran festhalten möchte, versuchen wir auch, uns außergerichtlich zu einigen. Es wird dabei jedoch kein unzulässiger Druck ausgeübt.
Wie hat sich der Krankenstand in der Fabrik entwickelt, seit Tesla mit unangekündigten Hausbesuchen bei Mitarbeitern im Krankenstand im Herbst scharfe Kritik auf sich zog?
Wir sind noch nicht bei unserem Ziel von durchschnittlich vier Prozent Krankentage angelangt, haben uns aber deutlich verbessert und lagen zuletzt mit acht Prozent schon unter dem Durchschnitt in Brandenburg. Als wir im September die Hausbesuche gemacht haben, wurden wir übrigens dafür kritisiert, dass wir dieses Vorgehen wählen, statt die Lohnfortzahlung nach sechs Wochen Krankheit einzustellen. Das machen wir jetzt und werden wieder kritisiert.
Die Hausbesuche finden weiter statt?
Der Aufwand ist zu groß, das macht man nicht regelmäßig. Für uns war das grundsätzlich etwas Einmaliges, auch wenn ich es für die Zukunft nicht ausschließe. Es ging damals um Mitarbeiter, die zwischen Januar und August weniger als zwei Wochen zur Arbeit gekommen sind und den Rest der Zeit in der Lohnfortzahlung mit Erstbescheinigungen zubrachten. Da hatten wir damals Zweifel und wollten mit den Mitarbeitern in den Dialog treten. Wenn sie einen Mitarbeiter fast acht Monate lang nicht sehen, möchte man schließlich wissen, ob er überhaupt noch Interesse hat, zurückzukommen. Solche Hausbesuche machen deshalb auch andere Unternehmen, das hat sich Tesla nicht selbst ausgedacht.
Mit den Hausbesuchen im Herbst hat Tesla auch eine Debatte über die Arbeitskultur in Deutschland ausgelöst. Wollen Sie diese Debatte neu anfachen?
Das ist ein Thema, das lange tabuisiert wurde und das man ansprechen muss. Das bekommen wir auch regelmäßig von unseren Mitarbeitern gespiegelt, die fleißig und ehrlich zur Arbeit kommen. Nachdem wir das Tabu im September gebrochen haben, sind viele Unternehmen aufgesprungen. Ich würde mich freuen, wenn das jetzt wieder passiert und sie unserem Beispiel folgen würden. Wenn man in die Statistiken schaut, findet sich Deutschland bei den Krankheitstagen weit vorne wieder. Statistiken, die man nicht anführen möchte. Wir werden uns dem nicht einfach ergeben. Und wir sehen, dass man Verbesserungen erzielen kann, wenn man dranbleibt.
Klingt ein bisschen nach mehr Musk wagen. Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung?
Unsere Forderungen sind nicht neu, und wir stellen sie auch nicht allein. Es gibt in Deutschland einen erheblichen Rückstand bei der Digitalisierung, der den Abbau von Bürokratie hemmt, der die Voraussetzung für mehr Geschwindigkeit am Standort ist. Zu einer Verbesserung der Standortbedingungen gehört aber eben auch, Tabuthemen wie die vielen krankheitsbedingten Abwesenheiten anzupacken. Und wir brauchen endlich eine stringente Strategie für Mobilität in Deutschland. So wie es in der Vergangenheit war, mal Förderung ja, mal Förderung nein, damit sorgt man nur für Verunsicherung. Die Bundesregierung sollte sich klar bekennen, wie Mobilität in Zukunft aussieht und was der Fahrplan ist, um das zu erreichen. Meines Wissens hat man das Ziel von 15 Millionen Elektrowagen bis 2030 nie aufgegeben. Um es zu erreichen, müsste man wahrscheinlich ab morgen nur noch Elektrofahrzeuge zulassen. Es geht um glaubwürdige Ziele und Maßnahmen, die zu ihnen führen.
Braucht Deutschland dafür eine Heckenschere oder doch eine Kettensäge?
Wenn Deutschland als Industrieland wieder die Anerkennung erlangen möchte, die es einmal hatte, braucht es Veränderungen. Das ist jedem bewusst. Dass es möglich ist, beweisen wir und auch viele andere Unternehmen. Den Abgesang einzuleiten, wäre viel zu früh. Aber wenn man jetzt keine Veränderungen herbeiführt, kommen sehr schwierige Zeiten auf uns zu, und viele Unternehmen erleben sie schon heute.