Es ist kein gutes Zeichen, wenn die Kommissarin mit dem Fall
verwandt ist. Dieser Satz stand hier schon vor einem Jahr beim
letzten Abenteuer aus Dresden. Und dieser Satz kann hier getrost wieder
stehen, denn in Unter Feuer (MDR-Redaktion: Sven Döbler), dem neuen Tatort
aus dem sogenannten Elbflorenz, ist Ermittlerin Leonie Winkler (Cornelia
Gröschel) mit dem Tod ihres Polizistenbruders vor zehn Jahren beschäftigt.
Das klingt nach emotionalem Sprengstoff (der eigene
Bruder!), nimmt sich in den dramatischen Mittellagen, die in der
ARD-Sonntagabendkrimi-Routine vorherrschen, aber auch nur als ein Fall unter
vielen aus. Was bringt eine familiäre Beziehung, wenn das vermeintlich innige
Verhältnis in kurzen Rückblenden überhaupt erst mal herbeibehauptet werden muss?
An der Einstellung, in der Winkler ihren im Einsatz erschossenen Bruder in einem
pittoresk verfallenen, fabrikähnlichen Treppenhaus betrauert, ist vor allem das
pittoresk verfallene, fabrikähnliche Treppenhaus eindrucksvoll (Kamera: Tobias
von dem Borne, Szenenbild: Matthias Mücke).
Der Tod des Bruders ist irgendwie mit dem aktuellen Fall
verbunden. Das heißt, mit einer Gruppe von korrupten Polizisten, die seit elf
Jahren Einbrüche begehen in größter Perfektion. Gemeinsam mit Marek Krug (Max
Mauff), dem einzigen Nichtpolizisten der Diebesbande. Weil beim letzten
Einbruch doch was schiefgegangen ist, soll Krug aus dem Verkehr gezogen werden
– und zwar bei einer eigens für ihn anberaumten Verkehrskontrolle in trostloser
Gegend. Allerdings schießt Krug schneller als die korrupten Polizisten, die ihn
umbringen wollen – der eine ist tot, der andere wird am Ende im Krankenhaus
seinen Verletzungen erliegen.
Und Leonie Winkler ermittelt trotzdem. Krug war eigentlich
auf dem Weg zu ihr, ihre Nummer die letzte, die von seinem Telefon aus
angerufen wurde. Aber als Kollegin Gorniak (Karin Hanczewski) anmerkt, dass Winkler
dem Revierleiter Schnabel (Martin Brambach) das doch sagen müsse, ist das für die
Kommissarin nur der Grund, fix weiterzumachen, damit der Fall gelöst ist, bevor
ihre Verwicklung bekannt wird. So schafft sich der Tatort seine eigenen
Gesetze: Korruption bei der Polizei ist zwar ein „Thema“ der Folge, Winklers
selbstgerechte Schritte vom Wege ziehen aber nichts von der Sympathie der Figur
ab.
Die Geschichte von Unter Feuer ist kompliziert
aufbereitet, sie nimmt eher langsam Fahrt auf, um am Ende mit scheinbar
überraschenden Wendungen aufwarten zu können (Drehbuch: Christoph Busche,
Regie: Jano Ben Chaabane). Als Chef der Einbruchstruppe soll zuerst der
Dienststellenleiter Jens Riebold (der große Andreas Lust) verdächtigt werden,
zumal der auch der Vorgesetzte vom Winkler-Bruder war. Am Ende springt als
Drahtzieher der Serie aber Richard Weiswasser (Jörn Hentschel) aus der Kiste,
der witzigerweise Leiter der Einbruchsermittlung ist, also sich selbst fassen
müsste beziehungsweise gerade das natürlich nicht tut.
Der Tatort wirkt dabei wie ein eher rumpeliges Spiel
mit Versatzstücken aus allen möglichen Kriminalfilmen. So gelingt es Weiswasser
als Präzisionsschütze, Krug und eine von ihm entführte Frau (Dorothea Arnold)
aus großer Distanz zu töten, obwohl das Setting dafür überhaupt nicht geeignet
ist: Krug und die Frau befinden sich in einem alten Fabrikgebäude; statt sich
auf dem Boden gemütlich, weil von außen unsichtbar, in Sicherheit zu robben,
rennen beide unmotiviert aufrecht vor den Fensterfronten lang, bis der Schütze
sie erwischt hat.
Ein anderes Beispiel für eine schlecht ausgeführte
Standardsituation des Krimis ist die Identifizierung des Täters. Der von Krug
zu Beginn angeschossene Polizist im Krankenhaus will vor seinem Dahinscheiden Gorniak
noch „Weiswasser“ zuflüstern. Die versteht dabei zuerst den Wunsch nach (einem
Glas) Wasser. Die richtige Botschaft begreift sie erst beim Showdown – und zwar
durch einen Wassertropfen, der ihr auf den Kopf fällt.
Auch das Bruder-Ding von Winkler bleibt vage. Am Ende dient die familiäre Verbindung
dazu, einen Konflikt anzuheizen mit Vater Otto (Uwe Preuss), der alten
Polizistenlegende, für den sich der Film zugleich kaum Zeit nimmt. Da geht es zwischen
Tochter und Vater um zu hohe Ansprüche und verdrängte Schuld, alles Dinge, die
kaum in vier Dialogzeilen ermessen werden können. Unter Feuer versucht
es dennoch.
Es ist eben kein gutes
Zeichen, wenn die Kommissarin mit dem Fall verwandt ist – für derart existenzielle Dramen bietet ein Film, der nebenher noch Krimi sein will, zu
wenig Raum.
Es ist kein gutes Zeichen, wenn die Kommissarin mit dem Fall
verwandt ist. Dieser Satz stand hier schon vor einem Jahr beim
letzten Abenteuer aus Dresden. Und dieser Satz kann hier getrost wieder
stehen, denn in Unter Feuer (MDR-Redaktion: Sven Döbler), dem neuen Tatort
aus dem sogenannten Elbflorenz, ist Ermittlerin Leonie Winkler (Cornelia
Gröschel) mit dem Tod ihres Polizistenbruders vor zehn Jahren beschäftigt.
Das klingt nach emotionalem Sprengstoff (der eigene
Bruder!), nimmt sich in den dramatischen Mittellagen, die in der
ARD-Sonntagabendkrimi-Routine vorherrschen, aber auch nur als ein Fall unter
vielen aus. Was bringt eine familiäre Beziehung, wenn das vermeintlich innige
Verhältnis in kurzen Rückblenden überhaupt erst mal herbeibehauptet werden muss?
An der Einstellung, in der Winkler ihren im Einsatz erschossenen Bruder in einem
pittoresk verfallenen, fabrikähnlichen Treppenhaus betrauert, ist vor allem das
pittoresk verfallene, fabrikähnliche Treppenhaus eindrucksvoll (Kamera: Tobias
von dem Borne, Szenenbild: Matthias Mücke).