„Tatort“ Dortmund: Nichts Halbes und nichts Ganzes

Es gibt eine gute und eine bessere Nachricht. Die gute
zuerst: Wem es vergangene Woche zu viel war mit der gewagten,
ungewöhnlichen Folge aus dem Schwarzwald
, der kann angesichts des neuesten
Dortmunder Abenteuers Abstellgleis (WDR-Redaktion: Frank Tönsmann)
aufatmen. Dieser Schauplatz ist wie ein Cheeseburger aus der Systemgastronomie
– schmeckt nicht besonders, aber immer gleich. Alles ist da, wo es zu sein hat.

Und nun die bessere Nachricht. Eines der Opfer im neuen Fall
ist der nervtötende Faber-Antagonist KTU-Chef Haller (Tilman Strauß). Auf einer
Liste der mühsamsten Tatort-Nebenfiguren dürfte Haller sich unsterblich
gemacht haben, um ihm mit einem schiefen Bild adäquat die letzte Ehre zu
erweisen. Würdevoll ist der Abgang, insofern Haller vor seinem
Umgebracht-werden noch an einer Katachrese
mitwirken darf, die sich gewaschen hat.

Am Tatort der ersten Leiche, einer überfahrenen
Ghostwriterin für Doktorarbeiten, ruft der KTU-Chef in seiner charmanten Art Kommissarin
Herzog (Stefanie Reinsperger) zu sich. Die lehnt erst ab mit dem Satz:
„Dann kaufen sie sich einen Hund, vielleicht redet der mit Ihnen.“
Geht dann aber doch hin, worauf Haller ihr sagen kann: „Ich brauch keinen
Hund, ich hab ja Sie“ (Drehbuch: Jürgen Werner).

Jetzt gibt es natürlich Menschen, die gewöhnungsbedürftige
Metaphern verwenden. Aber anders als in der vergangenen Woche ist das Scheitern
hier nicht beabsichtigt, soll damit nicht die Insuffizienz einer Figur
charakterisiert, sondern ein „cooler Spruch“ gekloppt werden. Der hat
es ihr aber gegeben, dieser Fiesling, wie gemein.

Der Fall handelt von einem Hochstapler, der neu in der
Rechtsmedizin ist, und damit dessen Schlechtigkeit unmittelbar erkennbar ist, sofort
die dort arbeitende Kollegin Dr. Leitner (Sybille J. Schedwill) unter Druck setzt. Dieser
Magnus Gabor (Stefan Haschke) hat die Ghostwriterin seiner Doktorarbeit
getötet, weil die ihn erpresst hatte. Und dann auch KTU-Chef Haller, weil der das
rausgefunden hatte.

Verpackt werden diese
Verbrechen mit doch sehr spezifischer Motivation in eine standardisierte
Whodunit-Ermittlung. Verdächtig sind im Laufe der Folge: der Polizist Otto Pösken (Malick Bauer), die Haller-Geliebte und -Kollegin Rabea Sharif
(Ann-Kathrin Hinz), Rosa Herzog und, natürlich, Kommissar Faber (Jörg
Hartmann). Das ist der große Vorteil von Dortmund, wo sich alle Figuren
permanent ankacken mit flotten Sprüchen – es könnte einfach jede jeden ermordet
haben, Motiv frei Haus.

Damit die
standorttypische Peinsackhaftigkeit nach Hallers Abgang nicht flöten geht, wird
mit Kossik (Stefan Konarske) eine frühere Schauplatzfigur reaktiviert, die, wer
wäre es nicht, mit Faber in Abneigung verbunden ist. Kossik war, musste ich
erst nachschlagen, in der Folge Sturm von 2017 hart angeschossen worden (ich
dachte damals, er sei tot). Im
darauffolgenden Fall Tollwut
wurde dann verkündet, dass Kossik am Leben und zum LKA gewechselt
sei. In Abstellgleis feiert er nun sein Comeback.

Abstellgleis
ist auf eine Weise ein routinierter Tatort, allerdings nicht auf eine
schöne. Ein Krimi von ermüdender Schlichtheit, in dem die Figuren und Konflikte
immer nur funktional sind, nie unverwechselbar, elegant, gewitzt oder
detailfreudig. Die Verfolgungsszene, in der sich der verdächtige Faber über ein Dach mit Außentreppe
entzieht, sieht trostlos aus. Kossik geistert zwar mit superprofessionell
gehaltener Pistole, begleitet von Pösken, über das Dach, aber ohne dass
Inszenierung und Auflösung den Raum erschlössen und etwa auf mögliche
Versteckmöglichkeiten in den Blick nähmen (Regie: Torsten C. Fischer,
Kamera: Andreas Köhler). Da laufen halt zwei Leute rum, die Polizei spielen.

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