„Tatort“ Dortmund: Es ging nicht besser

Eine prominente Rolle im neuen Dortmunder Tatort: Made in
China
(WDR-Redaktion: Frank Tönsmann) kommt einer alten Bekannten zu. Die
eindrucksvolle Villa, in der hier die Familie aus einer Stahldynastie wohnt,
ist dasselbe Haus, in dem erst vorletzte Folge in Münster Doreen Prätorius, eine
vermeintliche Witwe mit einem ziemlich lebendigen Mann im Keller, angesiedelt
war. Die Folgen wurden im Abstand von einem halben Jahr gedreht, die Auswahl an
Anwesen solcher Größe im Umfeld des WDR ist nicht so riesig.

War das Haus für Münster mit kolonialem Tand aus Souvenirshops
vollgemüllt, sind es für Dortmund nun Chinoiserien, die den weltläufigen
Reichtum von Familie Haiden ausstellen sollen. Eine Hundeskulptur mit offenem
Maul etwa, von der die verwirrt wirkende Haiden-Tochter Vanessa (Klara Lange) anfangs
erzählt. Der Hund habe zugeschaut, als sie ihren Vater Jo getötet habe. Der Drehort
scheint magische Kräfte zu versprühen – wie in Münster werden auch hier
mögliche Tathergänge vor dem Auge von Kommissar Faber (Jörg Hartmann) und
seiner Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) fürs Publikum imaginiert.

Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne „Der Obduktionsbericht“.

Das mit dem Mord stellt sich am Ende als aufwendige
Inszenierung heraus, denn Jo Haiden (Gerhard Roiß) ist gar nicht tot. Das macht
diesen ARD-Sonntagabendkrimi zu einem der wenigen, die ohne Mord auskommen. Von
der Familie wird Jo Haiden als anstrengender, aber auch liebenswerter Chaot
beschrieben. Mal war er weg für lange Zeit, und dann hat er in Shanghai auch noch
eine zweite Tochter gezeugt (Yun Huang), die sich mit der Dortmunder aber gut
versteht. Jo Haiden wollte von
der Bildfläche verschwinden, um dem Furor seines Schwagers (Francis
Fulton-Smith) zu entgehen sowie dem chinesischen Geheimdienst, für den er das
Familienunternehmen seiner Frau ausspioniert hatte.

Freiwillig, denn Jo Haiden war RAF-Mitglied. So wie die Mutter von Kommissarin Herzog (Esther Zschieschow), die
beim vorletzten
Dortmunder Auftritt
von der eigenen Tochter an die Polizei verraten worden war
und in Made in China nun im Gefängnis sitzt. Daraus spricht das Bestreben,
im folgenübergreifenden Dortmunder Erzählen alle Figuren mit schwierigen
Familienverhältnissen zu beschweren. Der Fall von Rosa Herzog ist besonders unglaubwürdig, weil Frau
Mama für die RAF-Nummer viel zu jung ist
.

Auch wenn die Faszination für die RAF ungebrochen ist, wie
das aktuelle Interesse an Burkhard Garwegs Flucht
vor Augen führt – dass der
Terrorgruppe nun auch noch die kurzzeitige Begeisterung fürs maoistische China von
Splittergruppen der westdeutschen Linken in der Zeit um und nach 1968 als
Spitzelei für die chinesische Stasi in den 1990er-Jahren angedichtet wird, darauf
muss man überhaupt erst mal kommen. Was sollen nur die Kinder denken?

Das Faszinierende an Made in China ist allerdings,
dass solche Räuberpistolen noch nicht mal das Ärgste sind am Film, weil
praktisch sämtliche Dialogzeilen auf Krawall gebürstet sind (Drehbuch: Wolfgang Stauch). Genau, der
wird mit der pampigen Faber-Figur verbunden und von vielen gemocht. Das
gegenseitige Runtergemache betrifft nicht nur den Konflikt zwischen Faber und
Kriminaltechniker Haller (Tilman Strauß): „Was soll denn die beschissene
Frage?“ – „Bei Ihnen stellt man besser ganz viele beschissene Fragen,
Haller, bei Ihnen weiß man ja nie.“ Erfasst wird vom Dauergenöle auch Rosa Herzog, die noch am ehesten geeignet wäre, einigermaßen sympathisch zu sein.

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