Studio Museum New York: Musentempel zum Besten von die ganze Community

New York hat einen neuen, alten kulturellen Anziehungspunkt: Vergangenes Wochenende wurde das neue Studio Museum in Harlem nach sieben Jahren Bauzeit eröffnet. Der 160 Millionen Dollar teure Neubau erhebt sich wuchtig über der 125. Straße. Er erinnert mit seinen Kohle- und Grautönen und den skulpturalen, verschachtelten Blöcken seiner Fassade ein wenig an das brutalistische Breuer-Building sechseinhalb Kilometer weiter südlich. Der Architekt, David Adjaye, wurde mit ähnlichen Bauten bekannt. Das Studio Museum trennte sich allerdings wegen eines Skandals um sexuelle Nötigung schon vor zwei Jahren von ihm und machte mit anderen Architekten weiter, namentlich mit Pascale Sablan aus Adjayes Büro und mit Erin Flynn von Cooper Robertson.

Als das Museum 1968 als lokale Initiative öffnete, zeigte man mit Tom Lloyd einen wenig bekannten Künstler aus Queens. Die blinkenden Lichtskulpturen, die der 1996 verstorbene Lloyd aus Alltagsobjekten wie Autoleuchten oder Weihnachtsdekoration schuf, stehen auch jetzt im Mittelpunkt der Eröffnungs-Schau. Abstrakte Kunst wurde in den Sechzigerjahren noch vor allem mit weißen Künstlern assoziiert. „Für Lloyd war schwarze Kunst aber jede Kunst, die Schwarze machen“, formulierte es die „New York Times“. Das sei wie ein Motto des neuen und alten Museums. Die Dauerausstellung wird Werke aus mehr als zweihundert Jahren umfassen. Die Kuratoren schöpfen aus einem Fundus von etwa 9000 Werken von Künstlern von Faith Ringgold bis Jordan Casteel.

Anfangs hatte das Studio Museum nur zehn Millionen Dollar Vermögen

Dass das Museum nun einen so prestigeträchtigen neuen Bau eröffnen kann, ist Ergebnis der Fundraising-Fähigkeiten von Direktorin Thelma Golden. Anders als andere große Kulturinstitutionen hatte das Studio Museum kein „Endowment“, kein Vermögen, das durch Spenden stetig wächst. Als das Neubauprojekt beschlossen wurde, hatte man zehn Millionen Dollar auf dem Konto, doch die Spendenkampagne brachte am Ende 307 Millionen ein, unter anderem von der Bank of America und der Henry Luce Stiftung. Die Stadt New York beteiligte sich mit rund 60 Millionen Dollar.

Ungerechte Sündenbock-Zuweisungen kennen viele schwarze US-Amerikaner nur zu gut: Howardena Pindells Gemälde „Autobiography: Scapegoat“ thematisiert das Gefühl und ist eines der Hauptwerke unter den 7000 Bildern und Skulpturen des Studio Museum in New YorkAFP

Das alte Studio Museum, das in den Achtzigerjahren in ein größeres Gebäude umzog, war seit 1968 nicht nur ein Ausstellungsort. Es symbolisierte damals den Widerstand gegen die strukturelle Ausgrenzung schwarzer Künstlerinnen und Künstler. Im Laufe der Jahre wurde aus dem mit bescheidenen Mitteln in einem Bürogebäude gegründeten Museum ein Anziehungspunkt, in dem nicht nur wichtige Ausstellungen gezeigt, sondern Netzwerke geformt und politische Probleme diskutiert wurden.

Die Architektur lädt zur Kommunikation ein

Das Studio Museum war auch eine Plattform für aufstrebende Künstler der afrikanischen Diaspora. Das neue Gebäude will diese Tradition fortsetzen. Das Residenzprogramm wird beibehalten, neue Klassenräume sollen zudem mehr Platz für Programme mit Schülern und Studenten schaffen. Und die Lobby ist angelegt wie ein Indoor-Marktplatz mit Café, den man sich als neuen Treffpunkt wünscht. Die breiten Treppen, die genug Platz zum Sitzen bieten, sollen an die „Stoops“ der Brownstone-Wohnhäuser draußen erinnern, wo sich Nachbarn treffen. Eine ähnliche Funktion soll die großzügige Dachterrasse erfüllen, von der man im Süden die Wolkenkratzer von Midtown sieht. Und an einigen Tagen im Monat wird der Eintritt gratis sein.

Während des Planungsprozesses haben die Verantwortlichen um Direktorin Golden stets betont, dass die Nachbarschaft über alle Schritte informiert werde. Dennoch begegnen manche Anwohner dem neuen Prachtbau auch mit Skepsis, wie lokale Medien berichten. Die „Gentrifizierung“ von Harlem ist in vollem Gange, in manchen Ecken wohnen fast nur noch Menschen mit hohem Einkommen und viele Weiße ziehen her, die Mieten sind seit 2006 um rund 25 Prozent gestiegen. Weiße Anwohner haben laut einer Untersuchung der Columbia Universität (die mit ihren Immobilienprojekten als einer der Hauptverursacher der Verdrängung gilt) ein doppelt so hohes Durchschnittseinkommen wie schwarze Nachbarn. Das neue Studio Museum will nun zeigen, dass es weiterhin für alle Mitglieder der Community da ist. Dass das Museum neben den neuen Apartmentgebäuden und dem Whole Foods ein paar Schritte weiter die Attraktivität der Nachbarschaft für gut situierte Neuankömmlinge weiter steigert, lässt sich indes nicht leugnen.

Source: faz.net