Nach Ansicht der Union ist der Ausbau erneuerbarer Energien verlorene Liebesmüh, wenn nicht gleichzeitig genügend leistungsfähige Stromnetze verlegt werden. Die Fraktionsgremien von CDU und CDU wollen deshalb in dieser Woche einen Zwölf-Punkte-Plan zur Senkung der Netzausbaukosten beschließen und ihn anschließend in den Bundestag einbringen.
Der Antrag, der der F.A.Z. vorliegt, sieht unter anderem vor, statt teurer Erdkabel mehr Freileitungen zu verlegen. „Es macht keinen Sinn, für viele Milliarden Euro Offshore-Windenergiekapazität von mehreren Gigawatt aufzubauen, wenn diese dann über weite Teile des Jahres abgeriegelt werden müssen, weil nicht gleichzeitig der Abtransport der so erzeugten Energie sichergestellt wurde“, heißt es in dem dreiseitigen Papier.
Mit dem neuen Konzept vollzieht die Union, wie schon in der Kernkraft, eine energiepolitische Kehrtwende und distanziert sich von den eigenen Entscheidungen unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Den Erdkabelvorrang hatte die große Koalition 2015 auf Druck des CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer beschlossen, um den Bundesländern die angeblich unzumutbaren „Monster-Freileitungen“ zu ersparen.
„Überirdisch, wo möglich, unterirdisch, wo nötig“
Jetzt heißt es in dem Antrag, den neben dem Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz (CDU) auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unterzeichnet, künftig müsse gelten: „überirdisch, wo möglich, unterirdisch, wo nötig“. Die Trassen sollten „in der Regel als Freileitungen geplant und umgesetzt werden“, um die Bau- und Betriebskosten zu senken und die Planungs- und Errichtungszeiten zu verkürzen. „In belasteten Regionen bleibt es grundsätzlich bei Erdverkabelung.“ Durch die weitgehende Umstellung auf überirdische Verbindungen lassen sich den Angaben zufolge 35 Milliarden Euro einsparen.
Das wären fast 12 Prozent der rund 300 Milliarden Euro an Ausbaukosten für die Übertragungsnetze, die im neuen Netzentwicklungsplan 2037/2045 veranschlagt werden. Für die Verteilnetze sind weitere 150 Milliarden Euro vorgesehen. Dieses Geld müssen private und gewerbliche Verbraucher über die Netzentgelte aufbringen. Nachdem die Ampelregierung den jüngsten Bundeszuschuss von 5,5 Milliarden Euro wegen der Haushaltkrise gestrichen hat, werden stark steigende Entgelte erwartet. Diese Belastungen würden den ohnehin hohen deutschen Strompreis weiter anfachen, fürchtet die Union: „Die Kostenfrage darf nicht zu einer Akzeptanzfrage werden.“
Der Netzausbau sei deutlich zu teuer, „Stromkunden müssen in den nächsten Jahren zig Milliarden Euro mehr zahlen, als eigentlich nötig wäre“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU) der F.A.Z. „Die Bürger und die Industrie erwarten einen Sparplan für den Netzausbau.“ Neben der Priorität für Freileitungen müsse es einen „Realitäts-Check“ für den erwarteten Strombedarf geben. „Beispielsweise ist die Annahme von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 völlig illusorisch“, sagte Spahn. Entsprechend sei der Netzausbau anzupassen, „damit ein unnötig teurer Überausbau verhindert wird“.