Nach dem Passauer Bischof Stefan Oster und seinem Regensburger Amtsbruder Rudolf Voderholzer distanziert sich auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki von einem Papier der Schulkommission der Bischofskonferenz zu sexueller Vielfalt. Man schließe sich der Kritik Osters an dem Papier an, teilte das Erzbistum Köln mit.
Unterdessen äußerte Voderholzer am Rand der Herbstvollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern heftige Kritik am Vorgehen der Bischöfe. Obwohl die Kritiker im Ständigen Rat der Bischofskonferenz gefordert hätten, den Text zu modifizieren, sei er fast unverändert „in unserem Namen“ veröffentlicht worden. Wörtlich sagte der Bischof: „Es wird hier eine Agenda durchgezogen. Ich möchte nicht in 30 Jahren hören, dass die katholische Kirche auch hier wieder mitgemacht hat.“
So wie es in diesem Fall gelaufen sei, gehe es bei vielen Themen des Reformprozesses des Synodalen Weges, kritisierte Voderholzer. „Ich habe nicht den Eindruck, dass aufeinander gehört und, dass gemeinsam um das, was uns aufgetragen ist, gerungen wird, sondern es wird eine politische Agenda durchgezogen auf Teufel komm raus.“
Das Ende Oktober veröffentlichte Dokument „Geschaffen, erlöst und geliebt. Sichtbarkeit und Anerkennung der Vielfalt sexueller Identitäten in der Schule“ will Schulen Orientierung im Umgang mit sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität geben. Es ruft zu einem offenen und wertschätzenden Umgang mit sexueller Vielfalt auf. Schulen sollten Orte sein, an denen Kinder und Jugendliche Schutz vor Diskriminierung finden. Religionslehrkräfte sind aufgerufen, kirchliche Sexualmoral differenziert zu vermitteln und Diskussionen zu ermöglichen.
„Nicht in meinem Namen“ – Oster geht auf Distanz
Oster hatte sich von dem Papier am Montag auf seiner Internetseite distanziert. „Wenn auch auf dem Umschlag der Broschüre steht: ‚Die deutschen Bischöfe‘, dann spricht der Text trotzdem nicht in meinem Namen“, schrieb er.
Der Passauer Bischof hält zentrale Aussagen des Textes für theologisch und anthropologisch unklar. Begriffe wie „sexuelle“ und „geschlechtliche Identität“ würden zu oft verwendet, ohne sie ausreichend zu erklären. Außerdem dürfe es nicht sein, „dass wir auf unsere eigenen, sehr grundsätzlichen Positionen zum Menschenbild verzichten“. Die Vorstellung, sexuelle Identität sei von der Natur festgelegt und müsse in der Schule vor allem anerkannt und gefördert werden, stehe im Widerspruch zum christlichen Verständnis des Menschen.
Vorwurf eines „Superdogmas“ der Vielfalt
Der Text scheine davon auszugehen, so der Bischof weiter, dass jede Diversität im Blick auf sexuelle Orientierung und sexuelle Identität gottgewollt sei: „Daher suggeriert er mit nahezu jeder Zeile: ‚Ja nicht zu viel Sexualmoral, schon gar nicht der Anspruch auf Wahrheit‘“. Stattdessen zeige sich „eine Überdosis eines gefühlsbeladenen Superdogmas: ‚Gott hat alle genauso lieb, wie sie sind.‘ Deshalb darf auch keiner in seiner Diversität kritisch angefragt werden, das wäre ja schon Diskriminierung.“
Besonders kritisch sieht Oster die Aussagen zur Transidentität: „Paradoxerweise soll das ‚Genau so von Gott gewollt und geliebt‘ auch für transidente Menschen gelten, die sich Angleichung ihrer leiblichen Geschlechtsmerkmale an das neue Geschlecht wünschen.“ Der Text blende hier Risiken und Konflikte aus, etwa mögliche negative körperliche oder seelische Folgen. Auch auf internationale Debatten, in denen der Umgang mit geschlechtsangleichenden Behandlungen bei Jugendlichen neu und sehr kritisch bewertet werde, gehe das Papier nicht ein.
Der Bischof betonte weiter, er habe versucht, im Entstehungsprozess stärker den Begriff der „christlichen Identität“ einzubringen, sei aber kaum gehört worden. Für ihn zeige das Papier ein tieferes Problem in der Kirche: Es gehe um die grundlegende Frage, wie der Mensch verstanden werde. Auch wenn er das Ziel unterstütze, jungen Menschen Orientierung und Schutz zu bieten, lehne er „die inhaltlichen Voraussetzungen“ des Dokuments ab.
Source: welt.de