Otfried Preußler war der berühmteste Kinderbuchautor Deutschlands. Aber eine bayerische Schule hatte wegen Preußlers nationalsozialistischer Jugend Zweifel, ob sie nach ihm heißen will. Jetzt hat es die Familie selbst untersagt. Gut so!
Endlich – und konsequent: Das Otfried-Preußler-Gymnasium in Pullach bei München stellte seit rund einem halben Jahr infrage, ob es weiterhin nach dem berühmtesten deutschen Kinderbuchautor heißen will oder soll. Jetzt darf die Schule gar nicht mehr nach ihm heißen. Die Erben Preußlers, vertreten durch Preußlers Tochter Susanne Preußler-Bitsch, haben die Einwilligung zur Namensnutzung widerrufen. Diese Entscheidung ist gut und richtig, denn sie schützt den Namen Otfried Preußler vor weiterer Diskreditierung in einer Debatte, die leider – wie so oft im Zeitalter der Cancel Culture – aus dem Ruder gelaufen war.
Die Pullacher Schule hatte – in Form einer Geschichts-AG – festgestellt, dass Preußler in seiner Jugend Hitlerjunge gewesen war und ein Frühwerk namens „Erntelager Geyer“ verfasst hatte, das der nationalsozialistischen Propaganda diente. Die Existenz dieses 1943 erschienenen nationalsozialistischen Jugendwerks ist einer breiteren Öffentlichkeit erst seit 2015 bekannt. Der 1923 geborene Preußler hatte es, nachdem er in der Bundesrepublik mit Werken wie „Räuber Hotzenplotz“, „Die kleine Hexe“ und „Krabat“ eine Berühmtheit geworden war, verschwiegen – natürlich aus Scham. Das ist menschlich nachvollziehbar und typisch für Angehörige seiner Generation.
Das Staatliche Gymnasium Pullach hieß übrigens erst seit 2014 nach Otfried Preußler. Offenbar wollte man damals, direkt nach dem Tod des 2013 gestorbenen und superpopulären Schriftstellers auf eine Welle aufspringen, hatte dann aber, nach Publikwerden des nationalsozialistischen Jugendwerks, kein Rückgrat mehr, das Leben und Werk des Schriftstellers im Gesamtzusammenhang zu sehen. Man hätte berücksichtigen und den Schülern erklären können, dass Preußler einen Weg gegangen ist: von einem sudetendeutschen Kind, dessen Familie – wie fast alle Sudetendeutschen – der nationalsozialistischen Propaganda in der Tschechoslowakei anheimgefallen war, hin zu seinem Schriftsteller, der vor der Verzauberung durch böse Mächte warnt.
Denn mit dem 1971 erschienenen Roman „Krabat“, einem Märchen über die Verführbarkeit der Jugend durch dunkle Magie, hat Preußler eine symbolische Verarbeitung seiner eigenen Jugend geschrieben. Anstatt diesen Umstand zu berücksichtigen und einen Menschen als Kind seiner Sozialisation und Zeit zu sehen, bewertete man seitens der Schule ein einzelnes Frühwerk („Erntelager Geyer“) so hoch, dass Preußlers eigentliches Werk plötzlich davon überlagert schien, was völliger Quatsch ist.
Und als sei das nicht genug, ließ die Schulleitung im Frühjahr dieses Jahres auch noch gut katholisch verlauten, dass die in Preußlers Werken dargestellten Konfliktlösungsstrategien durch Zauber und Hexerei ohnehin fragwürdig seien. Ein Affront, der Preußlers Werk ins Herz traf, denn die Fantasie ist doch genau das, was Preußlers Figuren Autoritäten überwinden lässt. Und Kindern spielerisch beibringt, dass und wie sie an sich glauben dürfen. Nachdem das Pullacher Gymnasium die Rückkehr zum früheren Namen, also den Status einer preußlerfreien Schule beantragt hatte, lag die Entscheidung beim bayerischen Kultusministerium.
Das wies den Antrag auf Namensänderung zurück, räumte der Schule – laut eines Berichts der „FAZ“ – aber die grundsätzliche Möglichkeit der Wiedervorlage ihres Ersuchens ein. Susanne Preußler-Bitsch hat nun entschieden richtig gehandelt. Indem sie der Pullacher Schule die Namensnutzung von sich aus untersagt, kommt sie einer weiteren Endlos-Debatte über einen ja-nein-vielleicht-würdigen Schulpatron zuvor. Bereits der Antrag auf Umbenennung seitens der Schule hatte im Frühjahr für ein großes, überbordendes Medienecho geführt. Eine Schule, die nicht nach Preußler heißen will, sollte es auch nicht dürfen. Gut so!
Source: welt.de