Streikender Schüler: „Wir nach sich ziehen keine Lust zu lernen, wie man tötet“

Das Schulstreikbündnis gegen die Wehrpflicht organisiert für Freitag Proteste in mehr als 90 Städten. In Münster beteiligt sich der 17-jährige Phil Werring. Im Interview warnt der Schüler vor Militarisierung – und kündigt Widerstand an

Collage: der Freitag, Material: iStock, KI Bilder


Die neuen Wehrdienstpläne sorgen für Unmut unter Jugendlichen. Sie werfen der Bundesregierung vor, ihre Interessen zu missachten und gleichzeitig die Rüstungsindustrie zu fördern. Ein Schulstreikbündnis hat nun für Freitag in mehr als 90 Städten zu Protesten aufgerufen. Gestreikt werden soll dabei unter anderem auch in Münster. Der Freitag sprach mit dem 17-jährigen Mitorganisator Phil Werring über die Reaktionen der Schulleitung, Bundeswehrwerbung an Schulen und Bezüge zu Fridays for Future.

der Freitag: Du bist Schüler in Münster und bereitest dort die Schulstreiks gegen die Wehrpflicht am Freitag vor. Wie läuft die Mobilisierung in der Stadt?

Werring: Im engeren Vorbereitungskreis sind wir etwa 10 bis 15 Schüler aus mehreren Schulen. Angemeldet haben wir für Münster einen Protest von 250 Menschen, wir hoffen aber auf 300 bis 350. Unterstützung kommt dabei auch von verschiedenen Organisationen, etwa von der Grünen Jugend und der Linksjugend solid. Die Jusos unterstützen uns nicht in Münster, aber in anderen Städten. Meine Eltern müssen wohl arbeiten, aber ich hoffe, dass einige andere Erwachsene und Lehrkräfte dabei sind.

Warum protestiert ihr gegen den neuen Wehrdienst?

Der neue Wehrdienst wurde über die Köpfe der Jugend hinweg entschieden, wir wurden nicht einbezogen. Abseits davon haben wir aber auch keine Lust, ein halbes Jahr damit zu verbringen, in einer Armee zu lernen, wie man tötet. Wir sprechen hier von einer Armee, wo es täglich Skandale gibt. Das wollen wir nicht.

Gibt es Diskussionen zu dem Thema in eurer Schule?

Ja. Viele Schüler sagen, dass sie keine Lust haben, für ein Land zu kämpfen, das seine eigenen Jugendlichen nicht beachtet. Wir haben marode Schulen und der Klimawandel spielt in der Politik keine Rolle mehr. Da fühlen sich die Schüler über den Tisch gezogen.

Von vielen Politiker*innen heißt es, dass Deutschland sich gegen Russland und andere Staaten mit einer starken Armee verteidigen müsse. Was denkst du dazu?

Es gibt eine Greenpeace-Studie zum Kräfteverhältnis zwischen der NATO und Russland. Dort kann man erkennen, dass Russland der NATO haushoch unterlegen ist. Das Land ist keine Bedrohung, ich fühle mich nicht bedroht. Die ganzen Milliarden für die Aufrüstung dienen vor allem der Kriegsvorbereitung – und den Profiten von Firmen wie Rheinmetall.

Was bedeutet das für junge Menschen?

Der Druck wächst auf uns. Man sieht das unter anderem an verstärkter Werbung und auch in den häufig vorkommenden Besuchen von Jugendoffizieren in Schulen. In Bayern ist das jetzt verpflichtend. Bei uns in der Schule gab es das bisher nicht, aber an anderen Schulen in Münster. Hier wird versucht, mit Planspielen und spaßigen Angeboten, das Thema Krieg zu vermitteln, was eigentlich sehr makaber ist. Letztlich wird gerade aktiv versucht, die Jugend weiter zu militarisieren. Die Bundeswehr nutzt dabei auch die Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit von vielen Jugendlichen aus, um sie in die Armee zu locken.

Wie reagieren die Schulleitungen auf eure Streikpläne?

In Münster haben sich die Schulleitungen bis jetzt relativ neutral, teilweise auch kooperativ verhalten. Nach unserem Wissen haben sich die Schulleitungen darauf verständigt, dass für die Streikteilnahme eine unentschuldigte Fehlstunde eingetragen wird, aber keine Note 6. Es wird also gesagt, ja ihr habt das Recht zu streiken – es bleibt aber nicht ganz ohne Konsequenzen.

Wie ist das in anderen Städten?

Da gibt es teilweise mehr Repressionen. Ein gutes Beispiel ist Rostock, wo die Polizei aktiv versucht, die Demo zu verhindern. Erst sollte sie zeitlich verlegt werden, jetzt wird gesagt, dass sie nur mit Freistellungen der Schule stattfinden darf.

Was glaubst du – warum gibt es diesen Druck?

Die Bundesregierung will das Gesetz zum neuen Wehrdienst schnell durchboxen – auch gegen das Interesse der Jugend. Streikende, laute und protestierende Jugendliche sind ihr da natürlich ein Dorn im Auge. Deswegen versucht man, unseren Widerstand zu brechen.

Die Streikform erinnert an die Bewegung Fridays for Future. Wieso habt ihr euch gerade dafür entschieden?

Der Streik ist die beste Aktionsform für unseren Widerstand. Wir knüpfen damit nicht nur an die Erfahrungen von Fridays for Future an, sondern auch an die Schülerstreiks von 2008, 2009 und 2012, wo Tausende auf die Straße gegangen sind und als Resultat in mehreren Bundesländern die Kopfnoten wieder zurückgenommen wurden. Auf diese Motivation hoffe ich nun auch am 5.12. und darüber hinaus. Wir werden so lange weitermachen, bis von der Wehrpflicht keine Rede mehr ist.

Phil Werring ist 17 Jahre alt und geht in Münster zur Schule. Er ist Mitorganisator des lokalen Schülerstreiks gegen die Wehrpflicht.

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