Stockende Strukturreformen: Bummelzug statt Deutschlandtempo

Regierungen wechseln, die Probleme bleiben. Verhärtete Fronten zwischen den Ministerien für Verkehr und Umwelt gab es beim Thema Autobahnausbau schon zu Zeiten der Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP. In der schwarz-roten Regierung wird die Auseinandersetzung unter anderem Führungspersonal nahtlos weitergeführt – und wieder geht es um ein zentrales Anliegen zur Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben. In diese Meinungsverschiedenheit werden inzwischen auch die Bundesländer einbezogen, denn in ihren für Donnerstagnachmittag geplanten Beratungen mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zur föderalen Modernisierungsagenda muss ein großer Punkt buchstäblich ausgeklammert werden: das zweite Kapitel in dem rund 60 Seiten langen Konvolut. Der Titel: „Schnellere Verfahren“.

Grund dafür sind Unstimmigkeiten zum „Infrastruktur-Zukunftsgesetz“, das Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) Anfang November in die übliche Abstimmung mit den anderen Ressorts gegeben hat. Erst wenn es diese durchlaufen hat, dürfen Länder und Verbände dazu Stellung nehmen, danach stimmt das Kabinett zu. Doch bei Umweltminister Carsten Schneider (SPD) stößt das Vorhaben auf Bedenken, greift Schnieder doch Ideen auf, von denen sich die Bundesregierung zwar erheblich mehr Tempo verspricht, die aber auch schon in der Vergangenheit für Ärger sorgten. So sollen Infrastrukturvorhaben in deutlich größerem Umfang ins „überragende öffentliche Interesse“ gestellt werden und damit eine besondere Behandlung erhalten. Mit einem ähnlichen Kniff hatte die Ampelregierung etwa schon den Bau von LNG-Terminals beschleunigt. Umwelt- und Naturschutzbelange werden zwar weiterhin berücksichtigt, müssen jedoch im Zweifel hintanstehen.

500 Milliarden Euro sollen zügig fließen

Ex-Bundesverkehrsminister Volker Wissing konnte nur mit Mühe dieses Mittel auf rund 140 handverlesene Autobahnprojekte übertragen. Schnieder plant noch einmal eine deutliche Ausweitung. Zudem sollen künftig Ersatzneubauten von umständlichen Umweltverträglichkeitsprüfungen befreit werden. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums bestätigte, dass weiterhin Abstimmungsgespräche innerhalb der Bundesregierung stattfinden. Zu laufenden Abstimmungen könnten keine inhaltlichen Aussagen gemacht werden, betonte er, ergänzte aber auch: „Das Bundesumweltministerium unterstützt Maßnahmen zum zügigen Abfluss der Mittel aus dem Sondervermögen.“

Mit dem Gesetzesentwurf kommt die SPD in ein Dilemma: Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hatte bei seiner Zusage, zusätzliche Milliarden für den Autobahnausbau bereitzustellen, darauf gepocht, dass die Mittel bald abfließen müssen. Dabei hatte er explizit das Infrastruktur-Zukunftsgesetz eingefordert. Nun liegt der Entwurf zwar seit Anfang November vor, kommt aber wegen Bedenken eines SPD-geführten Hauses nicht weiter.

Die Länder werden ungeduldig mit dem Bund

Auf Seiten der Bundesländer wächst der Unmut: Der Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer, pochte darauf, dass die erfolgreiche Beschleunigung beim Brückenbau und der Sanierung des Schienennetzes deutlich ausgeweitet werden müsste. Konkret nannte er das Beispiel von Eisenbahntrassen, die durch ein zweites Gleis ergänzt oder elektrifiziert werden sollen. Diese sollten nicht mehr den strengen Regeln für Neubauten unterliegen. „Das ist so ein zentraler Gamechanger, dass man ihn ergreifen muss.“ Der CDU-Politiker rief die Bundesregierung dazu auf, diesen Punkt im Koalitionsausschuss in der nächsten Woche zu klären.

Die Dringlichkeit unterstrichen die Länder auch in ihrem Entwurf zur Modernisierungsagenda: „Um die dringenden Investitionsbedarfe schnell zu befriedigen, wird der Bund den Ländern noch in diesem Jahr den Entwurf für ein ambitioniertes Infrastruktur-Zukunftsgesetz vorlegen, das die Möglichkeiten zur Beschleunigung von Planung und Genehmigung, Beschaffung und Vergabe von Infrastrukturprojekten ausschöpft“, heißt es in der „redigierten Fassung“ des Entwurfs, der als Gesprächsgrundlage für die Diskussionen zwischen Bund und Ländern am Donnerstagnachmittag dient. Das würde aber bedeuten, dass sich die Ressorts bald einigen müssten, um die Verbändeanhörung zu starten. Am 17. Dezember tagt das Kabinett zum letzten Mal in diesem Jahr.

AbstimmungenBauBrückenbauBUNDBundeskanzlerBundesländerBundesregierungCarstenCDUEuroFDPFriedrichFriedrich MerzInfrastrukturKlingbeilKretschmerLarsLNGLNG-TerminalsMANMerzMichaelMinisterienMüheNeubautenPatrickPlantPolitikerRegierungSachsenSanierungSchneiderSchniederSchwarzSPDUmweltVerkehrVolkerVolker WissingWissing