Nachdem in Runde eins der Präsidentschaftswahl im Iran keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht hatte, wird es am kommenden Freitag zur Stichwahl kommen. Dort treten gegeneinander an: der als verhältnismäßig moderat geltende Massud Peseschkian und der zum Lager der konservativen Hardliner zählende Said Dschalili. Im ersten Durchgang lag Peseschkian mit 42,5 Prozent der Stimmen leicht vor seinem Kontrahenten Dschalili, der 38,7 Prozent der Stimmen holte.
Um die Bedeutung dieser Wahl zu verstehen, ist ein Blick auf das politische System im Iran nötig. Der Präsident ist dort nicht das Staatsoberhaupt, sondern entspricht eher dem Amt eines Regierungschefs. Seine Macht ist begrenzt, denn in allen wichtigen strategischen Entscheidungen hat der oberste geistliche Führer der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Chamenei, das letzte Wort.
Daneben existiert der mächtige Wächterrat, auch er nimmt starken Einfluss auf das politische Geschehen. Im Wächterrat sitzen zwölf Geistliche und Juristen, die jeweils zur Hälfte vom Parlament gewählt und von Chamenei bestimmt werden. Der ultrakonservative Wächterrat prüft Gesetze und entscheidet auch darüber, welche Kandidaten zu Wahlen zugelassen werden. Wirkliche Reformer werden in aller Regel ausgeschlossen, Frauen werden gar nicht berücksichtigt.
So war es auch bei dieser Wahl: Von 80 Bewerbern ließ der Rat lediglich sechs zur Wahl zu. Abgelehnt wurde unter anderem der umstrittene ehemalige Präsident Mahmud Ahmadinedschad, wie schon bei der Wahl im Jahr 2021. Außerdem hatten sich mehrere Fundamentalisten aus dem Wahlkampf zurückgezogen, um die Stimmen für dieses Lager nicht zu sehr aufzusplittern.
Historisch niedrige Wahlbeteiligung
Diese Ausgangslage erklärt auch, wieso die Wahlbeteiligung historisch niedrig ausfiel. 61 Millionen Iraner waren zur Wahl aufgerufen worden, weniger als 40 Prozent beteiligten sich. Regimekritiker und Exiliranerinnen riefen zuvor dazu auf, die Wahl zu boykottieren. Damit fiel die Wahlbeteiligung noch niedriger aus als 2021 bei der Wahl von Präsident Ebrahim Raissi. Raissi war ein Schützling Chameneis, sein brutales Vorgehen gegen Regimekritiker und Demonstranten brachte ihm den Spitznamen „Schlächter von Teheran“ ein. Raissi ließ etwa die Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini, die von der Sittenpolizei zu Tode geprügelt wurde, gewaltsam niederschlagen.
Raissi war im Mai auf dem Weg von Usbekistan nach Teheran mit einem Hubschrauber abgestürzt, alle neun Insassen der Maschine starben, darunter der Präsident sowie sein Außenminister. Die Regierung ordnete eine fünftägige Staatstrauer an, gleichzeitig freuten sich Gegner der Konservativen über dessen Tod. Der Unfall machte die nun stattfindenden vorgezogenen Wahlen nötig, die eigentlich erst für 2025 vorgesehen waren.
Diese Ausgangslage ist auch wichtig, um zu verstehen, vor welcher Wahl die Menschen im Iran nun stehen. Einerseits ist da Said Dschalili. Seine Anhänger skandieren gern: „Kein Kompromiss, keine Kapitulation“, und das fasst seine politische Linie recht prägnant zusammen. Der 58-Jährige ist ein Hardliner durch und durch. Er kämpfte im ersten Golfkrieg und verlor dabei einen Fuß, deshalb nennen ihn manche einen „lebenden Märtyrer“.
In der Vergangenheit machte er sich vor allem mit seiner feindseligen Haltung gegenüber dem Westen einen Namen, er war maßgeblich an den Verhandlungen über ein Atomabkommen beteiligt, hielt das Ergebnis dann aber für zu weich. Dschalili genießt das Vertrauen Chameneis, er gehörte in den Nullerjahren seinem Büro an. Später wurde er unter Ahmadinedschad Vizeaußenminister. 2013 landete er bei den Präsidentschaftswahlen auf dem dritten Platz, 2021 zog er seine Kandidatur zurück, um Raissi zu stärken.
In diesem Wahlkampf trat neben Dschalili noch ein weiterer Hardliner auf: Mohammad Bagher Ghalibaf. Der landete nun auf dem dritten Platz und rief seine Anhänger bereits dazu auf, in der Stichwahl für Dschalili zu stimmen.
Der Reformer bräuchte die Nichtwähler
Ihm gegenüber steht Massud Peseschkian. Der Herzchirurg wird von vielen im Land einfach nur der „Doktor“ genannt. Peseschkian hat nur begrenzte politische Erfahrung, 2001 bis 2005 war er Gesundheitsminister. Der 69-Jährige spricht sich für eine Entspannung im Verhältnis mit dem Westen aus, davon erhofft er sich ein Lockern der Sanktionen. Diese treffen das Land wirtschaftlich hart, die ökonomische Lage war das bestimmende Thema des Wahlkampfs, der Iran bräuchte dringend Investitionen in Milliardenhöhe.
Peseschkian kritisierte während der Proteste 2022 das brutale Vorgehen der Polizei, spricht sich regelmäßig gegen Polizeigewalt gegen Frauen aus. Peseschkian verlor seine Frau und eines seiner Kinder 1993 bei einem Autounfall, danach zog er seine drei weiteren Kinder allein auf. Er rief seine Anhänger dazu auf, in der Stichwahl für ihn zu stimmen, um „das Land vor Armut, Lügen, Diskriminierung und Ungerechtigkeit zu retten“.
Während sich also das konservative Lager bereits hinter Dschalili zu versammeln beginnt, wird es für Peseschkian als einzigem halbwegs liberalen Kandidaten in der Stichwahl darauf ankommen, bisherige Nichtwähler zu mobilisieren. Doch das Misstrauen unter ihnen ist groß, denn – siehe die Ausgangslage – auch Peseschkian ist nur gerade so moderat, wie es der Wächterrat zulässt. Und auch er steht loyal zu Chamenei.
Teherans Vorbild ist China
International ist jedenfalls nicht zu erwarten, dass sich mit der Präsidentschaftswahl viel verändern wird, egal ob vermeintliche Reformer oder Hardliner gewinnen. Die geistlichen Führer werden ernsthafte Reformen und eine Öffnung gegenüber dem Westen kaum zulassen.
„Für viele innerhalb des iranischen Regimes ist der Vergleich zwischen der Sowjetunion und China im Jahr 1989 prägend“, sagte der Iran-Experte Cornelius Adebahr vor wenigen Wochen im Gespräch mit ZEIT ONLINE. Während die Sowjetunion damals Reformen zuließ und zwei Jahre später verschwand, habe China jeden Protest gewaltsam unterdrückt und stehe heute besser da denn je. Das nehme man sich laut Adebahr zum Vorbild in Teheran.
Dafür spricht auch, dass der Iran seit Längerem vor allem im antiwestlichen Lager nach Verbündeten sucht. Der Iran treibt den Handel mit China voran und hat in Russland einen nachfragestarken Abnehmer für Waffen gefunden. Selbst im Falle eines Wahlsieges des vermeintlichen Reformers Peseschkian ist es also eher unwahrscheinlich, dass das Land ernsthaft einen liberaleren Kurs einschlagen wird.
Nachdem in Runde eins der Präsidentschaftswahl im Iran keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht hatte, wird es am kommenden Freitag zur Stichwahl kommen. Dort treten gegeneinander an: der als verhältnismäßig moderat geltende Massud Peseschkian und der zum Lager der konservativen Hardliner zählende Said Dschalili. Im ersten Durchgang lag Peseschkian mit 42,5 Prozent der Stimmen leicht vor seinem Kontrahenten Dschalili, der 38,7 Prozent der Stimmen holte.
Um die Bedeutung dieser Wahl zu verstehen, ist ein Blick auf das politische System im Iran nötig. Der Präsident ist dort nicht das Staatsoberhaupt, sondern entspricht eher dem Amt eines Regierungschefs. Seine Macht ist begrenzt, denn in allen wichtigen strategischen Entscheidungen hat der oberste geistliche Führer der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Chamenei, das letzte Wort.