DIE ZEIT: Frau Hubig, Sie sind jetzt seit fünf Monaten Bundesjustizministerin. Macht Ihnen das Amt eigentlich Spaß?
Stefanie Hubig: (strahlt) Total! Ich mache das wirklich gerne!
ZEIT: Sie waren vorher Ministerin in Rheinland-Pfalz, davor schon einmal Staatssekretärin im Bundesjustizministerium. Jetzt stehen Sie als Bundesministerin anders in der Öffentlichkeit. Ist das eine große Umstellung?
Hubig: Ich habe ja lange für Ministerinnen und Minister gearbeitet, auch in ihrer unmittelbaren Nähe, bevor ich 2016 selbst Ministerin geworden bin. Ich habe deshalb viel von deren beruflichem Leben mitbekommen. Trotzdem fühlt es sich anders an, wenn man selbst in der ersten Reihe steht. Es gibt diese Vorstellung, an Politikern perle alles ab, aber das ist nicht so. Wenn Sie Ihren Namen in der Zeitung lesen oder wenn Ihre Arbeit öffentlich kommentiert wird, das macht etwas mit einem – und bei gehässiger Kritik geht es einem nach. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Das war eine große Veränderung für mich.
ZEIT: Und, sind Sie jetzt im Amt angekommen?
Hubig: Ja. (macht eine Pause) Ich mag es immer noch nicht, öffentlich über mich selbst zu sprechen. Ich gehe jeden Tag gern ins Büro, ich freue mich darauf. Natürlich ist die Arbeit herausfordernd, aber es ist ein Ministerium, das ich immer gemocht habe. Es ist einfach eine Herzensangelegenheit für mich, an einer so zentralen Stelle dafür zu arbeiten, dass Deutschland ein offenes, freies und demokratisches Land bleibt. Es gibt Menschen, die sagen mir in diesen Wochen: Du siehst so glücklich aus.
ZEIT: Sie haben eben von Ihrem Ministerium geschwärmt. Was ist das für ein Haus? Ist das Justizministerium in erster Linie eine Art Staatsnotariat, wo Gesetze geschrieben, geprüft und auf den Weg gebracht werden? Oder ist es ein Ort, an dem man aktiv gesellschaftliche Prozesse gestalten kann?
Hubig: Das Justizministerium steht für den Rechtsstaat. Es bearbeitet eine unwahrscheinlich große Spannbreite an Themen, die für das alltägliche Leben der Menschen relevant sind. Solange ich das Haus kenne, wurde hier immer stark gestaltet. Das habe ich auch vor. Wir haben zum Beispiel die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz: Ob Sie eine Entschädigung für einen verspäteten Flug bekommen, ob Sie Verträge im Internet widerrufen können oder nicht – darum kümmern wir uns, das gestalten wir. Oder bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt, das ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt: Da können und werden wir das Leben vor allem von Frauen spürbar verbessern.
ZEIT: Es wird gelegentlich gesagt, diese schwarz-rote Koalition sei die letzte Patrone der Demokratie. Wie fühlt es sich an, an einem derart existenziell aufgeladenen Projekt mitzuarbeiten?
Hubig: Ich mag das Gerede vom letzten Schuss überhaupt nicht. Uns alle in der Koalition eint das Bewusstsein, wie groß die Herausforderungen sind und auch die Erwartungen an diese Regierung, die jetzt fünf Monate im Amt ist und aus meiner Sicht schon viel auf den Weg gebracht hat. Wir wissen, wie groß die Verantwortung ist, auch mit Blick auf das Erstarken autoritärer Kräfte. Bei einigen Kollegen im Kabinett war das sicherlich auch ein Grund, den Schritt in die Regierung zu gehen.
ZEIT: Für Sie auch?
Hubig: Ja, es war auch ein Aspekt. Ich habe mir gesagt, ich kneife nicht, jetzt, wo es drauf ankommt.
ZEIT: Ein Feld, das die Regierung sehr ins Zentrum gestellt hat, ist die Migrationspolitik. Der Kanzler, aber auch Ihr Kollege, Innenminister Dobrindt, haben sich vorgenommen, eine Migrationswende zu schaffen, um den Zulauf zur AfD zu stoppen …
Hubig: Entschuldigung, wenn ich unterbreche: Nicht nur der Kanzler und der Innenminister haben die Migrationswende ausgerufen, wir haben im gemeinsamen Koalitionsvertrag vereinbart, dass entschiedener gegen irreguläre Migration vorgegangen werden soll. Das trägt die SPD mit, auch wenn es vielleicht nicht für alle das Lieblingsthema ist.
ZEIT: Teil dieser Migrationswende ist die Anweisung, auch Asylbewerber an der Grenze zurückzuweisen, wenn sie aus einem EU-Staat nach Deutschland einreisen. In einem Fall, im Fall von drei Somaliern, die aus Polen einzureisen versuchten, hat das Verwaltungsgericht Berlin die Praxis mit Verweis auf das Europarecht für rechtswidrig erklärt. Zwei Fragen dazu. Erstens: Teilen Sie die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Berlin?
Hubig: Als Justizministerin sollte ich Urteile nicht bewerten. Aber ich kann schon sagen, dass mich die Entscheidung nicht überrascht hat. Es gibt klare Vorgaben im europäischen Recht. Und es war immer klar: Wer davon abweichen will, wird vor Gericht keinen einfachen Stand haben.