Stefan Quandt kritisiert Olaf Scholz

BMW-Großaktionär Stefan Quandt hat die Wirtschafts- und Bildungspolitik der Bundesregierung und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) scharf kritisiert. Seine Regierung gebe in Zeiten, in denen bei den Menschen durch diverse Krisen die Bereitschaft steige, sich auf unterkomplexe Antworten einzulassen, ein verunsichertes und wenig souveränes Bild ab. Trotz des Ziels der Regierung, das sie sich zu ihrem Antritt im Jahr 2021 gegeben habe, „mehr Fortschritt zu wagen“, sei der Fortschritt nach drei Jahren begrenzt.

Das schwache Wirtschaftswachstum werde vom Finanzminister selbst als „peinlich“ und auch vom Wirtschaftsminister als „dramatisch schlecht“ bezeichnet. Die Erregungsbereitschaft in der Gesellschaft nehme zu, da viele Menschen sich nicht mehr gehört, zurückgesetzt oder übergangen fühlten, sagte Quandt in seiner Rede zur Verleihung des Herbert-Quandt-Medienpreises in Frankfurt. Dies zeige sich in der zunehmenden Sympathie und dem Zuspruch für autoritäre und radikale Kräfte in der Politik, wie die jüngsten Erfolge von AfD und BSW bei der Europawahl verdeutlichten. „Sympathisanten von Autokraten und Extremisten bedienen dieses Bedürfnis und tragen mit ihren gefährlichen Vereinfachungen, ihrer militanten Propaganda oder sogar Fake News zu der gesellschaftlichen Polarisierung bei – eine Gefahr für die Demokratie, auch in unserem Land“, sagte Quandt.

Schule mit Schimmelbefall: Für den Zustand der Schulgebäude sind in der Regel die Kommunen zuständig, für den Lehrermangel die Bundesländer.Lando Hass

Die Meinungsunterschiede innerhalb der Regierungskoalition erschwerten in dieser Situation aber das gebotene, entschiedene Regierungshandeln. Der Wirtschaftsminister fordere eine transformative Angebotspolitik und Technologieförderung mit einem tiefen Griff in die Subventionskasse, während der Finanzminister Steuersenkungen und weniger Bürokratie und keine neuen Schulden empfehle.

Die Wirtschaft tue, was sie könne

Hinzu komme, dass die „Entfremdung, ja Sprachlosigkeit zwischen Kanzleramt und Wirtschaft“ inzwischen mit Händen zu greifen sei: „Denn während in den vorgenannten Ministerien immerhin um die richtigen Lösungen für die anstehenden Herausforderungen gerungen wird, scheint der Kanzler die Probleme gar nicht zu sehen oder sehen zu wollen. So sprach Olaf Scholz bei der Eröffnung der Hannover Messe davon, die Industrie solle den Standort nicht schlechtreden, sondern ‚stark machen‘. „Damit klingt er nicht gerade wie jemand, der politischen Handlungsdruck empfindet; vielmehr scheint er die Bringschuld aufseiten der Wirtschaft zu sehen“, sagte Quandt.

Dabei tue die Wirtschaft unter den gegebenen Umständen schon jetzt, was sie könne: „Die Dax-Konzerne etwa haben in 2023 mehr Geld denn je für Innovationen ausgegeben – knapp 75 Milliarden Euro. Das waren fast 7 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben haben sich in Deutschland damit seit 2011 verdoppelt“, sagte Quandt.

So investierten forschungsstarke Konzerne wie Merck, Siemens, Apple, ­Google, Eli Lilly, Intel und TSMC massiv in deutsche Forschungsstandorte. Deutschland stehe zudem bei Patentanmeldungen im Bereich Künstlicher Intelligenz auf der Welt immerhin auf dem zweiten Platz. Mit Unternehmen wie Aleph Alpha und mehr als 500 weiteren KI-Start-ups könne Deutschland auch volkswirtschaftlich stark von der KI profitieren. „Die deutsche Wirtschaft stellt so mit ihrer Ingenieurskunst und Flexibilität täglich unter Beweis, dass sie aus sich heraus alle Voraussetzungen mitbringt, um auch in einer neuen, digitalen und automatisierten Fertigungswelt global erfolgreich zu sein. Und bisher hat sich das Wohlstandsmodell Deutschlands in der Vergangenheit tatsächlich auch unter Druck immer als resilient erwiesen“, sagte Quandt. Aber dies dürfe die Politik nicht dazu verleiten, die Hände in den Schoß zu legen, denn beim Wachstum falle das Land im Vergleich zurück.

Belastung statt Entlastung

Doch anstatt die Wirtschaft zu entlasten, würden ihr zusätzliche Belastungen durch nicht wertschaffende Berichtspflichten auferlegt, so Quandt. Er verwies auf das „Lieferkettensorgfalts­pflichtengesetz“ und die „Corporate Sustainability Reporting Directive“, die die Bürokratie für Unternehmen erheblich verstärkten.

„Denn bei aller Sinnhaftigkeit der zugrunde liegenden Zielsetzungen – wie Klimaschutz, Ressourcenschonung oder Schutz vor Kinderarbeit – stehen Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis. Und obendrein sind diese – über die Bande umfangreicher Berichtspflichten gespielten – staatlichen Eingriffe in die Leitung von Unternehmen ordnungspolitisch mehr als fraglich“, sagte Quandt.

Stefan Quandt, der zugleich Aufsichtsratsmitglied der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist, appellierte an die Politik aber vor allem, ihre verfassungsrechtliche Aufgabe ernst zu nehmen und den Schulen deutlich mehr Aufmerksamkeit und Mittel zukommen zu lassen. Die Wahrheit in den Schulen als Träger der Bildung sei jedoch, dass bis 2030 Tausende Lehrerstellen nicht besetzt werden könnten, und dies trotz steigender Schülerzahlen. Und: „Es gibt einen massiven Modernisierungs- und Sanierungsstau: Nach Schätzung der KfW liegt er bei rund 50 Milliarden Euro. Das ist der stärksten Volkswirtschaft Europas und einem der reichsten Länder der Welt unwürdig“, sagte Quandt.

Zudem schreite die Digitalisierung der Schulen zu langsam voran. Der Bund habe mit dem Digitalpakt I zwar schon 2019 mehr als 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. „Von diesem Betrag waren aber nach fünf Jahren mit rund 3 Milliarden Euro weniger als die Hälfte abgeflossen; und als das Programm Mitte Mai ausgelaufen ist, waren nur 77 Prozent der Fördersumme überhaupt verplant. Der Grund: „Die Schulen waren und sind personell und kompetenzseitig schlichtweg nicht in der Lage, die Mittel sinnvoll einzusetzen oder dafür Konzepte zu erstellen“, sagte Quandt.

„Nur Bürger, die Zusammenhänge verstehen können und die Herausforderungen nicht sofort als Bedrohung begreifen, sind unempfänglicher für die verführerisch einfachen Antworten von Radikalen jedweder Couleur“, sagte Quandt. Ein klares Indiz für diesen Zusammenhang liefere das Ergebnis der jüngsten Europawahl. Laut der Forschungsgruppe Wahlen hätten Wähler mit Hauptschulabschluss und Mittlerer Reife in Deutschland zu 19 Prozent respektive 23 Prozent die AfD gewählt, während Bürger mit Abitur und Hochschulabschluss nur zu 13 Prozent beziehungsweise sogar nur zu 7 Prozent diese Wahl getroffen haben. Zum anderen werde Deutschland, wie schon der aktuelle Fachkräftemangel zeige, nur mithilfe nachfolgender Generationen ohne und mit Migrationshintergrund, die dank eines guten Bildungs- und Ausbildungssystems den Anforderungen einer sich verändernden Arbeitswelt gewachsen seien, seine Position als Exportnation hochwertiger Produkte und damit seinen Wohlstand bewahren können.

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