Staatsfinanzen unter Druck: Die deutsche Schuldenquote steigt hinauf 80 Prozent

Die deutschen Staatsschulden steigen bis zum Jahr 2029 erstmals seit der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder auf mehr als 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zugleich werden die laufenden Staatsdefizite in den Jahren 2026 und 2027 die einst strenge europäische Obergrenze von drei Prozent des BIP klar überschreiten. Das zeigen aktuelle Projektionen des sogenannten Stabilitätsrats von Bund und Ländern. Der Rat unter Leitung von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Nordrhein-Westfalens Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU), der sich am Dienstag zu Beratungen traf, soll unter anderem die Einhaltung der europäischen Fiskalregeln überwachen.

Ohne eine Sonderklausel, die es den Staaten erlaubt, Neuverschuldung für Ver­teidigungsausgaben zeitweilig aus der Defizitquote herauszurechnen, läge diese demnach in den kommenden zwei Jahren sogar deutlich über vier Prozent. Bliebe es dabei, müsste die Bundesregierung demnächst ein Defizitverfahren der EU-Kommission befürchten. Allerdings könnte das erst beginnen, wenn Verstöße eingetreten sind. Im September hatte die Kommission erwartungsgemäß den langfristigen Haushaltsplan für die Jahre bis 2031 gebilligt, den die Bundesregierung wegen Verzögerungen durch die Bundestagswahl verspätet eingereicht hatte. Damals wurde davon ausgegangen, dass Deutschland die Drei-Prozent-Defizitgrenze zumindest mithilfe jener Sonderklausel einhalten könne.

Die für dieses Jahr erwartete Defizitquote ist demnach indes auf jeden Fall noch regelkonform. Erwartet wird zwar ein Gesamtwert von etwas mehr als drei Prozent. Aber nach Abzug des Defizitanteils für Verteidigungsausgaben sinkt der Wert unter die Schwelle.

Mit Blick auf das drohende Überschreiten der Defizitgrenze in den Jahren 2026 und 2027 hatte das Bundesfinanzministerium schon im Sommer die Erwartung geäußert, dass das schulden­fin­an­zier­te Investitionsprogramm der Re­gierung sehr bald das Wachs­tum der deut­schen Wirtschaft kräftig antreiben werde. Und mit einem entsprechend höheren BIP würden die Defizit- und Schuldenquoten deutlich kleiner ausfallen, als es die bisherigen Projektionen nahelegen. Für die Schuldenquote kalkuliert das Ministerium unter dieser Annahme mit Werten von deutlich unter 70 Prozent in den Jahren 2028 bis 2032. Die EU-Kommission sah zunächst keinen Anlass, an diesen günstigeren Einschätzungen zu zweifeln.

Stabilitätsrat: Auf lange Sicht zu optimistisch

Anders als in früheren Jahren kommen nun die 2024 reformierten EU-Fiskalregeln zur Anwendung, die komplizierter sind und mehr Gestaltungsspielraum bieten als zuvor. Neben den bisher im Zen­trum der Betrachtung stehenden Obergrenzen für den Schuldenstand (60 Prozent des BIP) und dem laufenden jährlichen Defizit (drei Prozent) fließt in die Beurteilung nun auch ein Nettoausgabenplan hinein, den die nationale Regierung auf bis zu sieben Jahre strecken kann.

Ein kritisches Urteil fällt aber der unabhängige Beirat des Stabilitätsrats von Bund und Ländern, der dessen Arbeit fachlich begleitet. Nach seiner Auffassung ist die deutsche Finanzpolitik „derzeit nicht so angelegt, dass sie in der mittleren Frist mit den EU-Regeln kompatibel ist“, warnte er am Dienstag in einer Stellungnahme. Die vorliegende Projektion sei auf längere Sicht zu optimistisch – umso mehr, als die Ausnahmeregel für Verteidigungsausgaben nur bis 2028 gelte. Zudem schätze die Bundesregierung die Entwicklung des deutschen Produktionspotentials, die Grundlage für künftiges Wirtschaftswachstum, zu optimistisch ein.

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