Noch hält das Mitte-Links-Kabinett in Madrid durch. Aber Akteure wie Rechtskonservative, Faschisten, Medien, Pseudo-Gewerkschafter und Richter haben die Regierung zum Abschuss freigegeben. Besonders eine politisierte Justiz tut sich hervor
Es gibt einen eingespielten Mechanismus: Eine rechtsextreme Gruppe – die aktivste von ihnen ist die Pseudogewerkschaft „Manos limpias“ (saubere Hände), gegründet vom Extremrechten Miguel Berna – übernimmt Fake News aus der Kloakenpresse, die es mit El Español, El Confidencial oder Libertad reichlich gibt. Ohne den geringsten Versuch, die Nachrichten zu überprüfen, wird damit vor Gericht gezogen. Ein Richter startet die Ermittlungen, sich oberhalb des Kloakenniveaus verortende rechte Medien, dazu private Fernsehkanäle wie Antena 3 oder COPE, greifen den Vorgang auf. Und wie in einer Echokammer wird mit ohrenbetäubendem Lärm ein Skandal inszeniert.
So begann die Hexenjagd auf Begoña Gómez, die Gattin von Pedro Sánchez, Chef der Linksregierung, gegen den sich die Kampagne letztlich richtete. Unter dem von Manos limpias dem Richter Juan Carlos Peinado vorgelegten Belastungsmaterial gegen Gómez gab es Papiere, die sich gegen eine Person gleichen Namens richteten. Eine Verwechslung also, doch kein Grund, die Aufnahme von Ermittlungen abzulehnen.
Ohne jeden konkreten Anhaltspunkt wurden sie sodann auf Pedro Sánchez ausgeweitet. Dieser machte zwar von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch, aber der Richter erbeutete einen Platz in der Primetime des Fernsehens. Man sah, wie er im Regierungspalast Moncloa zwei Minuten lang Pedro Sánchez gegenübersitzt, genug, um dessen Ruf als Regierungschef zu beschädigen. Das „Belastungsmaterial“ gegen Begoño Gómez hat sich weitgehend in Luft aufgelöst, bis auf den „Verdacht“, sie habe als Leiterin eines Projekts an der Madrider Complutense-Universität unberechtigt von einer dort entwickelten Software Gebrauch gemacht.
Die Einkreisung des Regierungschefs geht munter weiter. Inzwischen ist dessen Bruder David Sánchez, von Beruf Musiker, an der Reihe. Wieder hat Manos limpias „Belastungsmaterial“ gefunden: 2016, bei seiner Einstellung als Koordinator für Musikaktivitäten in der Stadt Badajoz, also zwei Jahre vor der Regierungsübernahme durch Sánchez im Jahr 2018, sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Verdankt der Bruder seine Stelle vielleicht dem vorauseilenden Einfluss von Pedro Sánchez?
Fabrizierte Lügen
Sahnehäubchen bei der versuchten Demontage der Regierung ist derzeit die Hexenjagd auf den von Sánchez ernannten Generalstaatsanwalt Álvaro García Ortiz, der zur Vereinigung Europäische Richter und Staatsanwälte für Demokratie und Freiheit gehört. Ausgangspunkt war diesmal ein Skandal um Steuerhinterziehung großen Stils (350.000 Euro), der González Amador, den Lebenspartner von Isabel Ayuso, Präsidentin der rechten Volkspartei (PP) in der Region Madrid, betrifft.
Ayuso wirkt wie eine schlechte Kopie von Marine Le Pen und tritt als geradezu blutrünstige Gegnerin von Pedro Sánchez auf. Der Versuch, die Steueraffäre abzuwenden, scheiterte. Ayusos rechte Hand, Miguel Ángel Rodríguez, besser gesagt: ihr „Kampfhund“, lancierte eine Pressemeldung, nach der die Staatsanwaltschaft González Amador eine gütliche Einigung angeboten habe. Sie hätte ihm eine Haftstrafe erspart. Erfunden und erlogen. In Wirklichkeit hatte der Steuerhinterzieher in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft seine Straftaten gestanden und um eine milde Strafe gebeten.
Auf der Suche nach einer angemessenen Reaktion auf die von Ayusos rechter Hand fabrizierte Lüge wurde Generalstaatsanwalt Álvaro García Ortiz einbezogen, der letztlich eine Richtigstellung veröffentlichte. Seither wird ihm vorgeworfen, das Verfahrensgeheimnis verletzt zu haben. Deshalb soll Premier Sánchez den Generalstaatsanwalt entlassen. Dabei ging das Geständnis schon vor der Veröffentlichung der Richtigstellung durch die Medien. Nun trat mit Ángel Hurtado ein Richter des Obersten Gerichts in Aktion und ließ das Büro des Generalstaatsanwalts durchsuchen. Wird er demnächst angeklagt?
Fazit: Spaniens Justiz hat einen regelrechten Großangriff auf die Linksregierung gestartet, um sie zu stürzen. Das sei legitim, finden die Rechtsparteien, denn dieses Kabinett habe sich nach Art „von Hausbesetzern“ in den Regierungspalast La Moncloa geschlichen, wie der PP-Senator Gerardo Camps kürzlich im Parlament verkündete. Auch wenn sie sich auf eine Parlamentsmehrheit stütze, sei diese Regierung illegitim. Auf dem gerade stattgefundenen Parteitag der Sozialisten wurde ein Tabu gebrochen und erstmals öffentlich von „politisierter Justiz“ gesprochen.