Spahn statt Wadepfuhl denn Außenminister? Friedrich Merz hat ein Problem

Rechte Medien stürzen sich auf Johann Wadephul, die SPD stellt sich hinter den CDU-Außenminister: Nach dessen Äußerungen zu Syrien rumort es in der Union heftig – doch eine Kabinettsumbildung würde Friedrich Merz in neue Bedrängnis bringen


Außenminister Johann Wadephul (CDU): Angeblich werden in der Union schon Nachfolger gesucht

Foto: Dominik Butzmann/photothek/Imago Images


In einer Ausstellung des schleswig-holsteinischen Freilichtmuseums Molfsee kann man jene Notunterkünfte sehen, die Hunderttausende Geflüchtete aus Pommern und Ostpreußen im Frühjahr 1945 beherbergten: karge Wellblechhütten, schäbige Barackenlager. Wohnungen waren rar. Geheizt wurde mit Torf, der Zugang zu den Waschräumen war reglementiert, die Lebensmittelrationen reichten nicht. Viele litten Hunger.

Wadephul in Damaskus

Deutschlands Außenminister Johann Wadephul, der in Molfsee lebt, war 1945 noch nicht geboren, aber angesichts der Zustände in den Flüchtlingslagern hätte er voller Mitgefühl gesagt: „Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.“ Nur: Was blieb ihnen übrig!? Sie mussten die Notzeiten durchstehen und das Land wieder aufbauen. In Damaskus aber sagte Wadephul angesichts der großen Zerstörungen: „Zum jetzigen Zeitpunkt“ sei eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge „nur sehr eingeschränkt möglich.“

Damit hat sich der Minister eine veritable Empörungswelle eingehandelt. Seine Aussage zur fast unmöglichen Rückkehr syrischer Flüchtlinge schließt nämlich direkt an die unselige Stadtbild-Debatte an. Nur sind diesmal die anderen empört. In Deutschland, das 1945 zwölf Millionen Flüchtlinge aus den verlorenen Ostgebieten integrieren musste, kommt es nicht gut an, wenn man Härten, die der eigenen Familie nicht erspart geblieben sind, anderen nicht zumuten will. Uns hat auch niemand geholfen, heißt es dann, wir mussten uns aus dem Dreck und der Not eben herausarbeiten. Warum kann man den Syrern, die nach Deutschland geflüchtet sind, den mühsamen Wiederaufbau ihres Landes nicht zumuten? Die sollen nach Hause gehen und anpacken.

Rechte Medien stürzen sich auf Wadepfuhl, die SPD stellt sich hinter den CDU-Außenminister

Die CDU weiß natürlich, dass das nicht so einfach ist. Die Welt hat sich nach 1945 weiterentwickelt, die Rechtslage ist kompliziert, aber die Union ahnt auch, dass die AfD und die rechten Influencer-Medien von Nius über Elon Musks X bis zur Bildzeitung genau diese Melodie spielen werden. Gelobt sei, was hart macht. Uns wurde damals auch nichts geschenkt. Was soll denn bitte schlimmer sein als die totale Verwüstung der deutschen Städte am Ende des Zweiten Weltkriegs? Über Gaza, könnte man anfügen, hat Wadephul sich nicht annähernd so mitfühlend geäußert.

Die Debatte ist inzwischen derart entgleist, dass sich die SPD schützend vor den angegriffenen CDU-Minister werfen muss. Wadephul, so Adis Ahmetovic, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, genieße großes Vertrauen, „sowohl in der Bevölkerung als auch im Parlament“. Nur nicht in der Unionsfraktion, wenn man der Süddeutschen Zeitung glauben darf. Die registrierte nach dem Auftritt Wadephuls vor seinen Fraktionskollegen eine „Stimmung zwischen Entsetzen, Sarkasmus und Ratlosigkeit“. Aus dem „Herbst der Reformen“ sei durch „desaströse Kommunikation“ ein „Herbst des Verdrusses“ geworden.

Wie viele Syrer eingebürgert wurden und wie viele ausreisepflichtig sind

Bild behauptet frohlockend, „der Außenminister wackelt“, aus der Jungen Union kommen erste Rücktrittsforderungen und hinter vorgehaltener Hand wird angeblich schon über Personalrochaden „getuschelt“. Jens Spahn, so Bild, könnte Wadephul als Außenminister ablösen, Kanzleramtsminister Thorsten Frei würde als Fraktionsvorsitzender nachrücken. Ob die Union diese klare Anweisung der Bildzeitung umsetzt, steht freilich in Frage. Der Kanzler müsste das rasche Scheitern seiner „Außenpolitik aus einem Guss“ eingestehen. Und mit Spahn hätte er einen extrem ehrgeizigen Konkurrenten am Kabinettstisch sitzen.

Während die Unruhe in der Union weiter steigt, bewegt sich in der Frage der Syrien-Rückkehrer wenig. Von den knapp eine Million in Deutschland lebenden Syrerinnen und Syrern sind seit dem Fall des Assad-Regimes nur wenige tausend in ihre Heimat zurückgekehrt. Auch Reisekostenzuschüsse und Starthilfen bewirkten kein Umdenken. Im Gegenteil. In den vergangenen vier Jahren wurden 226.050 Syrer in Deutschland eingebürgert, mehr Menschen als aus jeder anderen Nation. Viele wollen lieber hierbleiben als in ein instabiles Land zurückkehren.

Friedrich Merz braucht einen Themenwechsel oder eine Regierungsumbildung

Also steckt die Union in einem Dilemma. Was sie auch tut, die AfD wird das Thema souverän beherrschen. Verschärft die Union ihre Migrationspolitik mit Hilfe Trumpscher Methoden, könnte die Regierungskoalition Schaden nehmen. Beschränkt sie sich auf das rechtlich Durchsetzbare, sitzt ihr die AfD mit Hohn und Spott im Nacken. Denn ausreisepflichtig sind tatsächlich nur 920 Syrer, davon 55 so genannte Gefährder. Mit solchen Zahlen kann die Union nicht punkten.

Wadephul wird vor allem übelgenommen, dass er – ohne Not – eine Diskussion losgetreten hat, die der Union außer Ärger nichts einbringen kann. Der eigensinnige Lehrerssohn aus Schleswig-Holstein, der als Fachanwalt für Medizinrecht tätig war und nie so recht aus Kiel herausgekommen ist, scheint (außen)politisch überfordert zu sein.

Friedrich Merz, so heißt es immer öfter, habe kein glückliches Händchen bei der Personalauswahl, die Minister der CDU seien entweder unscheinbar oder unbeliebt. Um den anschwellenden Bocksgesang in den Medien rechtzeitig stoppen zu können, bevor die Umfragewerte der Regierung ganz in den Keller rutschen, braucht es entweder einen Themenwechsel oder eine Regierungsumbildung.

Letzteres könnte – mit etwas Glück – als Handlungsstärke des Kanzlers verkauft werden, ersteres ist angesichts der wirtschaftlichen Stagnation nicht besonders erfolgversprechend. Manche in der Union träumen sich wohl schon in die herrliche Zeit der Ampel zurück.

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