Solarinsel in Cottbus: Jetzt sind die Seen dran

Langsam legt das Motorboot ab und bewegt sich in Richtung Seemitte, im Schlepptau hat es jede Menge Solarmodule. Bauarbeiter haben die Module zuvor am Ufer aneinandergeschraubt. Die Konstruktion erinnert an ein Floß, nur dass sie ohne Baumstämme auskommt und mithilfe schwarzer Plastiktonnen schwimmt. Nach wenigen Minuten Fahrt lassen die Arbeiter das Puzzleteil an die täglich größer werdende Solarinsel andocken, 51.000 Module werden es am Ende sein.

Hier auf dem Cottbuser Ostsee in der Lausitz entsteht Deutschlands größter Solarpark auf dem Wasser. Mit einer Leistung von 29 Megawatt wird der schwimmende PV-Park gut 8.200 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen können. Anfang nächsten Jahres soll es so weit sein. Mit der Solarinsel will sich der Braunkohlekonzern Leag auf die Zeit nach dem Kohleausstieg 2038 vorbereiten. Geht es nach der Unternehmensleitung, ist die Leag auch dann noch Deutschlands zweitgrößter Stromlieferant, wenn sie keine Braunkohle mehr verbrennt. Deshalb soll irgendwann grüne Energie die braune ersetzen. Nur ist so eine Solarinsel auch aufwendig und kostet deutlich mehr als ein herkömmlicher PV-Park. Warum macht die Leag das also?

So groß wie 22 Fußballfelder

Vom flachen Ufer aus ist die Größe der Solarinsel schwer zu ermessen. Man
sieht, da schwimmt etwas Langes, Graues, doch im ebenso grauen Wasser des Cottbuser Ostsees fällt das
kaum auf. 16 Hektar – oder 22 Fußballfelder –
soll der Solarpark einmal umfassen. Das hört sich groß an, nimmt aber
nur ein Prozent der gesamten Fläche des Sees ein.

Für so einen schwimmenden PV-Park brauche man eigentlich nur „stinknormale Solaranlagen“, erklärt Projektleiter Dominique Guillou. Kompliziert sei hingegen der Anschluss ans Land. Die Stromkabel mussten in den Seeboden verbuddelt werden. In den Boden eingerammte Pfähle, wie man sie von Häfen kennt, sorgen dafür, dass die PV-Insel nicht forttreibt. Später sollen noch Wellenbrecher um die Insel herum gebaut werden, damit die Konstruktion auch Stürme übersteht.

Leag-Land: Blick über den Rand des ehemaligen Braunkohletagebaus Cottbus-Nord auf das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde, wo Wasserdampf aus den Kühltürmen steigt.

Eine Solarinsel hat viele Vorteile, weshalb sie beispielsweise in Korea schon häufiger zu finden sind. Und auch in Deutschland gibt es bereits einige Projekte, etwa in Nordrhein-Westfalen. Einer der Vorteile hat gar nichts mit Energiegewinnung zu tun. Durch die schattige Fläche verdunstet weniger Seewasser, was in der Lausitz, wo es wenig regnet und man einzig auf die Spree als Wasserlieferant angewiesen ist, einen Unterschied macht. Der Schatten sorgt zudem für niedrigere Wassertemperaturen, das hemmt das Algenwachstum.

Und weil es auf dem See logischerweise wenig staubt und auch anderer Dreck weit weg ist, müssen die Module nicht so oft geputzt werden. Je weniger Schmutz sich auf den Anlagen sammelt, desto höher ist die Energieausbeute. Zudem sorge der „Kühleffekt des Gewässers für eine meist erhöhte Stromproduktion“, sagt Stefan Wieland, der beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE forscht. Auch die Leag geht davon aus, dass der Ertrag der Insel größer sein wird als bei einem normalen Solarpark. Vor allem aber geht kein kostbares Land verloren, wenn man die Module aufs Wasser auslagert. Das Hauptargument der Gegner von Solarenergie ist, dass die Parks kostbare Acker- oder Wiesenfläche zustellen, die dann für die Lebensmittelversorgung nicht mehr zur Verfügung stehen. Flächenkonkurrenz nennen Fachleute das. Solarparks sollen daher immer häufiger an Orten gebaut werden, wo sie möglichst wenig Natur wegnehmen

Dennoch: Ein Solarpark muss in erster Linie Geld einbringen, sonst ist er für Energiekonzerne und Investoren nicht interessant. Die Leag sagt, die Kosten für den Bau der Solarinsel seien bis zu 20 Prozent höher als bei einem normalen Park. Forscher Wieland gibt außerdem zu bedenken, dass die Anlagen womöglich schneller ausgetauscht werden müssen, da sie Strömung und Wellengang ausgesetzt seien. Trotzdem kämen „immer mehr Unternehmen nach einer Wirtschaftlichkeitsberechnung zum Schluss, dass mit gewissen Geschäftsmodellen, Anlagendesigns eine schwimmende PV-Anlage rentabel ist“. 

Warum sich die Leag auf das Experiment Solarinsel eingelassen hat, wird deutlich, wenn man am Seeufer steht. Wie wohl an keinem anderen Ort in Deutschland liegen hier Vergangenheit und Zukunft der Energieversorgung beieinander. Der Cottbuser Ostsee ist Deutschlands größter künstlich angelegter See. Noch bis 2015 hat die Leag hier Braunkohle gefördert, dann hat sie begonnen, die Grube mit Wasser zu fluten. In einigen Jahren wird man darin baden können, der See soll Touristen anziehen. Wenige Hundert Meter entfernt kreisen noch immer die Kohlebagger, am Horizont dampfen die mächtigen Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde. Daneben stehen Windräder. All das ist Leag-Land.

Von Braun zu Grün

Man müsse eben akzeptieren, dass „Wandel ein Teil unseres Lebens ist“, sagt Leag-Chef Thorsten Kramer bei einem Pressetermin Mitte August, bei dem der Konzern die Solarinsel als Beweisstück für den bereits begonnen Konzernumbau präsentiert – und er klingt dabei so, als müsse er sich selbst am allermeisten von dieser Binse überzeugen. Vor ein paar Jahren hat die Leag eine eigene Unternehmenssparte gegründet, die sich ausschließlich um grüne Energieprojekte kümmert. Ein bisschen darf man sich das so vorstellen wie bei den Autobauern, die nun statt des Verbrenners das E-Auto zusammenbauen müssen. Die Kohle hat die Region, die Arbeit in den Gruben die Identität der Menschen geprägt. Doch es muss ja weitergehen. Man habe das Ziel, dass „hier auch nach dem Kohleausstieg Strom produziert wird, um den 7.000 Beschäftigten eine Zukunft zu geben“, sagt Kramer.

Zehn Milliarden Euro will das Unternehmen bis 2030 in den Umbau investieren. Windparks und Solarparks an Land hat die Leag in der Region schon gebaut, es sollen auch noch Kraftwerke hinzukommen, die mit Wasserstoff laufen, Batteriespeicher und weitere Windparks. Eine riesige „Gigawatt-Factory“ kündigt der Leag-Chef an, es gehe um das „größte Energiewendeprojekt Europas“.

Mit Blick auf den Klimawandel kann der Leag-Umbau gar nicht schnell genug gehen. Energieexperten sind sich einig: Obwohl der Ausbau schon gut vorangeht, braucht es noch viel mehr Solaranlagen, damit die Energiewende gelingt. „In allen Szenarien, in denen Deutschland auch nur annähernd klimaneutral wird, brauchen wir mehrere Hundert Gigawatt Solar – also ein Vielfaches der heute installierten Leistung“, sagt Energieexperte Lion Hirth. Wenngleich derzeit der Netzbau nicht Schritt hält, was wiederum zu eigenen Problemen führt. Beispielsweise braucht es viel mehr Großbatterien, die die Energie speichern für nachts, wenn die Sonne nicht scheint.

Und tatsächlich bieten die Seen viel Fläche für weitere Fotovoltaikanlagen. Das Potenzial ist groß, hat kürzlich das ISE in einer Studie errechnet. Bundesweit gebe es gut 6.000 künstliche Seen – Kiesgruben, Stauseen, Bergbauseen. Die meisten von ihnen liegen in Sachsen und Baden-Württemberg. Insgesamt könne man darauf etwa 4,3 Gigawatt Leistung installieren.

Trotzdem muss keiner fürchten, demnächst beim Schwimmen im Bodensee oder im Starnberger See auf eine PV-Anlage zu stoßen. Für Naturseen gelten andere Regeln als für die künstlichen. In der Lausitz aber könnten demnächst weitere Inseln folgen. Leag-Chef Kramer sieht die Anlage als Pilotprojekt. Auf den 26 künstlichen Seen in der Bergbauregion wäre jedenfalls ordentlich Platz für mehr.

Langsam legt das Motorboot ab und bewegt sich in Richtung Seemitte, im Schlepptau hat es jede Menge Solarmodule. Bauarbeiter haben die Module zuvor am Ufer aneinandergeschraubt. Die Konstruktion erinnert an ein Floß, nur dass sie ohne Baumstämme auskommt und mithilfe schwarzer Plastiktonnen schwimmt. Nach wenigen Minuten Fahrt lassen die Arbeiter das Puzzleteil an die täglich größer werdende Solarinsel andocken, 51.000 Module werden es am Ende sein.

Hier auf dem Cottbuser Ostsee in der Lausitz entsteht Deutschlands größter Solarpark auf dem Wasser. Mit einer Leistung von 29 Megawatt wird der schwimmende PV-Park gut 8.200 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen können. Anfang nächsten Jahres soll es so weit sein. Mit der Solarinsel will sich der Braunkohlekonzern Leag auf die Zeit nach dem Kohleausstieg 2038 vorbereiten. Geht es nach der Unternehmensleitung, ist die Leag auch dann noch Deutschlands zweitgrößter Stromlieferant, wenn sie keine Braunkohle mehr verbrennt. Deshalb soll irgendwann grüne Energie die braune ersetzen. Nur ist so eine Solarinsel auch aufwendig und kostet deutlich mehr als ein herkömmlicher PV-Park. Warum macht die Leag das also?

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