Slowblog: 75. Berlinale: Erst Bob Dylan, jetzt Keith Jarret


In unserem Slowblog berichten Daniel Gerhardt, Marlene Knobloch, Katja Nicodemus und Carolin Ströbele von den Premieren und Pressekonferenzen der 75. Berlinale. Wir beobachten, was am und neben dem roten Teppich passiert, und erzählen natürlich, welche Filme uns begeistert oder enttäuscht haben.

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Tom Tykwer, der das Festival in diesem Jahr – zum dritten Mal übrigens schon – eröffnet, bezeichnete im Gespräch mit ZEIT ONLINE seinen Film Das Licht als einen Beitrag, der "akuter nicht sein könnte". In dem dreistündigen Film mit Lars Eidinger und Nicolette Krebitz, der außer Konkurrenz läuft, spielt Tara Al-Deen eine syrische Haushaltshilfe, die das Leben einer vierköpfigen Berliner Familie nachhaltig verändert.

Was ist noch neu bei dieser Berlinale? Tricia Tuttle hat den von Chatrian eingeführten zweiten, immer unter Radar fliegenden Wettbewerb Encounters gestrichen und dafür eine neue Reihe für Regiedebüts eingeführt: Perspectives. Generell scheint Tuttle mehr auf den filmischen Nachwuchs zu setzen. Im Wettbewerb sind ebenfalls zwei Debüts zu sehen. Insgesamt konkurrieren 19 Filme um den Goldenen Bären.

Eine Filmfestivalleitung wird immer daran gemessen, wie ihr die Jonglage aus guten Filmen, Geld und Glamour gelingt. Was Letzteres betrifft: Es werden sich gleich mehrere gefeierte Filmstars im verschneiten Berlin die Füße abfrieren. Da wäre etwa Timothée Chalamet, der am Freitag seine oscarnominierte Bob Dylan-Hommage Like A Complete Unknown vorstellt, außerdem Jacob Elordi (Saltburn), der mit der Serie The Narrow Road to the Deep North vertreten ist. Am Wochenende werden dann Margaret Qualley und Ethan Hawke erwartet. Sie spielen in Richard Linklaters neuem Film Blue Moon mit. Außerdem in Berlin: Der Oscarpreisträger Bong Joon Ho (Parasite) stellt seinen neuen Film Mickey 17 mit Robert Pattinson in der Hauptrolle vor.

Der heutige Eröffnungsabend aber steht im Zeichen einer großen Dame des internationalen Arthousekinos: Tilda Swinton. Die britische Schauspielerin und Oscarpreisträgerin war schon mit vielen Filmen auf der Berlinale vertreten und 2009 Jurypräsidentin des Festivals. Nun erhält sie den Goldenen Ehrenbären, die Laudatio übernimmt der Oscarpreisträger Edward Berger (Im Westen nichts Neues). Insgesamt soll die Zeremonie kürzer werden, und – letzte Neuerung – Reden von politischen Amtsträgerinnen wurden abgeschafft.

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Tausend Widersprüche, eine Tilda

Eigentlich passt nichts zusammen an diesem Eröffnungsabend. Nicht die fest geschnürten Lederkorsetts der Berghain-Promis mit dem luftigen, weißen Kleid von Toni Garrn. Nicht das im Schnee frierende Grüppchen aus 30 Leuten und der Armani-Showroom, vor dem sich die Mahnwache für die israelischen Geiseln versammelt hat. Nicht die vielen politischen Forderungen auf Schildern und Schals und das gerade parallel laufende TV-Quadrell zur Bundestagswahl. Vielleicht kann das nur Tilda Swinton gelingen, vielleicht ist Tilda Swinton deswegen auf der Welt, um mit ihren blassen, langen Fingern all die herumfliegenden Schnipsel aus der aufgepeitschten Luft einzufangen.
Enttäuscht muss man feststellen, dass man selbst jemanden wie mich über den Roten Teppich laufen lässt, am Rand lassen die Fotografen ihre Kameras wie welke Blumen hängen. Aber auch das ist die Berlinale, alles etwas legerer, ohne Smoking-Pflicht, mit Geisterfahrern am Roten Teppich. Elyas M’Barek trägt Samtsakko mit passender Samtfliege, Luisa Neubauer marschiert in die nicht unangespannte Gesamtsituation mit Statement-Kleid, auf dem "Donald & Elon & Alice & Friedrich?" steht, womit die analytische Präzision der bundesrepublikanischen Lage dieses Festivals umrissen wäre. Eine Frau im roten Kleid hält ein Schild hoch, auf dem "Menstruation is a human right" steht, und während man rätselt, wie genau dieser Satz gemeint sein könnte, erdet Berlins ehemalige Bürgermeisterin Franziska Giffey alles um sich herum mit einem Blumenkleid, das, nun ja, volksnah wirkt.

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Auf dem Weg zum Saal begegnet mir Andrea Sawatzki mit Davidstern um den Hals. Sie öffnet ihre Handtasche und zieht ein Schwarz-weiß-Foto raus. Darauf ein lachender Mann, der zwei kleine Kinder umarmt. Das Foto hielt Sawatzki gerade mit Ulrich Matthes, Iris Berben, der Berlinale-Chefin Tricia Tuttle und fünf anderen Mutigen in die Kamera. Es scheinen nicht alle zufrieden über den Verlauf des letztjährigen Festivals, bei dem kaum bis gar nicht über die Tatsache gesprochen wurde, dass ein ehemaliger Berlinale-Teilnehmer am 7. Oktober 2023 von der Hamas als Geisel genommen wurde und wiederholte Bitten der Angehörigen, dies während des Festivals zu thematisieren, ignoriert wurden. Zumindest das lässt sich an diesem Abend sofort erkennen: Ein paar Sachen sollen auf dieser Berlinale anders werden.

Im Saal, nachdem Désirée Nosbusch der Berlinale zum 75. Geburtstag gratuliert, an die Menschen in München erinnert, Tricia Tuttle begrüßt hat und man nicht mehr genau sagen kann in welcher Reihenfolge, tritt schließlich einer unserer Exporterfolge, der Oscar-Preisträger und dieses Jahr wieder Oscar-nominierte Regisseur Edward Berger auf die Bühne, um seine Rede auf Tilda Swinton vorzulesen, der der Goldene Ehrenbär verliehen wird. Einen Brief habe er für Tilda Swinton geschrieben, sagt er, aus Hilflosigkeit. In all ihren Filmen habe er gesucht, in ihrer cineastischen Historie, in ihrer Vorliebe für Regisseure, in ihrer Rollenwahl nach dem Geheimnis, "warum die ganze Welt dich liebt". Bis er feststellte: "Du bist eine außergewöhnlich schöne Seele, nicht mehr und nicht weniger."

Selbst Tilda Swinton, die die korallrosa Lippen bis dahin königlich zusammenhielt, bei der nur die zuckenden Mundwinkel verrieten, dass dieser Abend eben nicht noch ein Termin im Kalender eines Filmstars war ("Award Berlinale"), sondern dieses Festival, das sie mit 25 Jahren zum ersten Mal besuchte, tatsächlich etwas zu bedeuten schien, selbst dieser meisterlichen Fassungswahrerin steigen Tränen in die Augen. Als Swinton auf die Bühne läuft, springt der Saal auf, Kai Wegner, Claudia Roth, Lars Eidinger, Tom Tykwer, Iris Berben, die Filmprominenz hält ihre Handys hoch, um einen Weltstar zu filmen.

Und es ist nicht besonders originell, sich vor der Filmbranche gegen Donald Trump auszusprechen, gegen "Besetzung, Kolonisierung, Übernahme" und "Riviera-Grundstücks-Landbesitz" (tosender Applaus). Und es flirrte schon genug Unheil in diesem Stündchen Gegenwart, bevor Swinton über die "Massenmorde" sprach, die gerade "mehr als einen Teil der Welt terrorisieren". Es bleibt doch die Frage, was diese gegenseitige Selbstversicherung bewirkt. Andrerseits hält Swinton dagegen die einfache Tatsache, dass für etwas zu sein, nie bedeutet, gegen irgendjemanden zu sein. Und vor allem hält Swinton gegen das Grauen der Welt das Kino, die Stille, das gemeinsame Fühlen beim Schauen, die Bewunderung für die menschliche Flexibilität, die Kraft des gesprochenen wie nicht gesprochenen Worts, das Wunder der Zeitlosigkeit. "Es tut uns so gut, über die Welt zu staunen." Und wahrscheinlich ist das die hilfreichste Antwort auf die Ereignisse dieses verschneiten Eröffnungstags.

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Ein Engel für die Engels

Zum dritten Mal eröffnet mit "Das Licht" ein Film von Tom Tykwer die Berlinale. Aber taugt der auch was?

Eigentlich sollte es permanent regnen in Berlin, dann wäre der Übergang zwischen Kinosaal und Realität, nun ja, fließend. Müsste man den Berlinale-Auftaktfilm Das Licht von Tom Tykwer in einem Satz beschreiben, dann so: Es regnet ständig. Also wirklich: ständig, ununterbrochen, in Strömen, aus Kübeln. Und durch den pouring rain radelt Lars Eidinger in einem Plastikungetüm, das mehr nach Ein-Mann-Zelt aussieht als nach Regenjacke. In den Innenaufnahmen ist Eidinger dann meistens nackt, und man fragt sich kurz, ob das Selbstironie ist oder eine ganz natürliche Reaktion: Klatschnasse Kleidung will man ja so schnell wie möglich loswerden.

Freimachen wollte sich ganz offensichtlich auch Tom Tykwer mit diesem Film, seinem ersten seit acht Jahren und nach vier (die fünfte wird gerade fertiggestellt) Staffeln Babylon Berlin. Tykwer ist ja der große Traumtänzer des deutschen Kinos. Das hat etwas Liebenswertes, denn magischen Realismus würde man ohne ihn hierzulande vergeblich suchen. Sein Werk ist der komplette Gegenentwurf zum strengen und bisweilen hyperrealistischen Konzept der sogenannten Berliner Schule, zu der Christian Petzold, Thomas Arslan, Angela Schanelec oder Christoph Hochhäusler zählen. Tykwer, so schien es, preschte in seinen Filmen einfach los, schoss manchmal über das Ziel hinaus, war aber in seinen besten Momenten – etwa in Lola rennt, aber auch in manchen Szenen der ersten Babylon-Berlin-Staffel – ein Regisseur, der sein Publikum emotional berührte.

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Das Licht kann man in einer Linie mit diesen beiden Werken sehen, denn auch hier steht wieder die Hauptstadt im Fokus. Während sie bei Lola rennt noch als Abenteuerspielplatz erschien, als Schauplatz einer Geschichte, deren Ausgang sich immer wieder verändert, steuert die kommende Staffel von Babylon Berlin auf die Zeit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu.

Das Licht nun spielt im Berlin der Gegenwart und erzählt fast drei Stunden lang vom Leben der dysfunktionalen Familie Engel (ja, sie heißt wirklich so). Der Vater (Lars Eidinger) hat hohe Ideale, verkauft diese aber als teure Claims an Großunternehmen. Die Mutter (Nicolette Krebitz), Typ regretting motherhood, versucht die Finanzierung ihres Kindertheaterprojekts in Kenia zu sichern. Der Sohn (Julius Gause) hat sich in seinem Zimmer eine VR-Gaming-Welt geschaffen, der Vater klopft schon lange nicht mehr an die Tür, die Tochter (Elke Biesendorfer) taumelt zwischen Drogenexzessen im Club und Klimaaktivismus. Alle Charaktere sind so auf die Spitze getrieben, dass man sie sofort als Repräsentanten eines liberalen, sich selbst hassenden Bürgertums versteht.

Und hier wird es unangenehm: Tykwer setzt seiner kaputten Familie die Figur der Syrerin Farrah (Tala Al-Deen) entgegen. Diese ist während des Kriegs geflüchtet, hat dabei ihre Familie verloren und heuert nun bei den Engels als Haushälterin an, obwohl sie dafür eindeutig überqualifiziert ist. Sie nähert sich den einzelnen Familienmitgliedern auf eine Weise, wie diese es untereinander schon lange nicht mehr geschafft haben. Die fremde Frau, die von außen heilend auf eine Familie einwirkt, ist ein gängiges Thema im Film. Hier aber wird die Figur auf eine unangenehme Art exotisiert. Sie bleibt die Fremde, die aufgrund ihrer Herkunft, ihres Traumas über besondere Fähigkeiten verfügt, die den Mitgliedern der westlichen Zivilisation abhandengekommen sind. Um das herauszustreichen, wird ihr eine unheimliche Komponente hinzugefügt. Mithilfe einer flackernden Lampe versetzt sie sich und ihre Gegenüber in eine Art Trance. Im Lauf des Films stellt sich heraus, dass sie damit einen Korridor ins Jenseits konstruieren will. Im Berlinale-Programm wird der Film unter dem Tag "Übersinnliches" verschlagwortet.

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Würde sich Das Licht konsequent ins Übersinnliche flüchten, wäre das auch in Ordnung. Aber Tykwer verspielt sich in zahllose weitere Genres: da tanzt Nicolette Krebitz plötzlich wie in Emilia Pérez über die Straße, da fliegen junge Leute durch die Luft wie in Tiger & Dragon. Das Licht ist ein Drei-Stunden-Monolith, von allem zu viel. In den Augen mancher Kritiker entspricht das einer seit Jahren gefühlten Überforderung und Gleichzeitigkeit der Dinge.

In Berlin regnet es gerade übrigens nicht, dafür liegt sehr viel Schnee. Und das ist wirklich schön.

Weitere Vorstellungen von "Das Licht" im Rahmen der Berlinale:
14.02. Uber Eats Music Hall, 18 Uhr
15.02. Haus der Kulturen der Welt, 10 Uhr
15.02. Haus der Berliner Festspiele 20.30 Uhr
16.02. Thalia, Potsdam, 20 Uhr

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Bob Dylan als Trostpflaster

Timothée Chalamet hellt mit seinem Dylan-Biopic "Like a Complete Unknown" die Berlinale-Stimmung auf.
Ein Filmfestival ist ein wunderbarer Grund, sich mal kurz auszuklinken. Licht aus, Handy aus, Vorhang auf und zweieinhalb Stunden nichts hören von Krieg, Anschlägen, Wahlkampfgetöse, Sicherheitskonferenzen und all dem. Dann sitzt man aber in einem Film über Bob Dylan und ist doch wieder bei Themen, die erschreckend aktuell erscheinen: Kalter Krieg, Wettrüsten, atomare Bedrohung, Rassismus. Umso erstaunlicher, wie tröstlich Like a Complete Unknown dennoch ist. 

Der Regisseur James Mangold hat das neue Biopic über Dylan gedreht, das heute Abend bei der Berlinale Deutschlandpremiere feiert. Hauptdarsteller und Mitproduzent ist Timothée Chalamet, wie im Film ist er auch auf der Berlinale so etwas wie der lead actor: der Typ, wegen dem heute eine Menge Leute vor dem Hyatt-Hotel herumhängen. Dort hält Chalamet am Nachmittag eine Pressekonferenz ab.

Drinnen stapeln sich statt Fans Journalisten: Kurz sieht es aus, als würde ich gar nicht mehr reinkommen. Schlechtes Karma?

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Ich komme dann doch noch rein, rechtzeitig zur ersten Frage: "Wie war es, für die Rolle als Bob Dylan zehn Kilo zunehmen zu müssen?" Man schämt sich ein bisschen vor Chalamet, aber nur kurz, denn dann kommt eine etwas politischere Frage und Chalamet kontert mit einem "Wow!" Da merke man doch, dass es in good old Europa um einiges tiefgründiger zugehe als zu Hause in den USA.

Der 29-Jährige ist heiter gestimmt, was gut zu seinem Outfit im BVB-Stil passt: Schnauzer und gelb-schwarz-gestreifter Pulli. Chalamet schafft es, auf jede Frage eine freundliche, absolut nichtssagende Antwort zu geben – nur als ihn eine Journalistin fragt, ob Bob Dylan nicht auch ein super Musical abgegeben hätte, entgleisen ihm kurz die Züge.

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Für die Berlinale ist Like A Complete Unknown in zweierlei Hinsicht ein Geschenk: Der Film hat einen der beliebtesten Filmstars in die Stadt gebracht und ist ein dringend benötigter Stimmungsaufheller. Eine Szene spielt auf dem Höhepunkt der Kubakrise, John F. Kennedy hält am 22. Oktober 1962 eine Fernsehansprache und droht der Sowjetunion im Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag. In New York führt das zu Panik, Menschen packen ihre Autos, rufen Taxis, auch Joan Baez (Monica Barbaro) rennt mit einem Koffer über die Straßen. Dann stoppt sie vor einem Kellerclub, in dem Bob Dylan gerade vor ein paar Dutzend Leuten spielt und von Männern singt, die Bomben bauen. Das ist natürlich ganz großes Pathos, aber hey: Bitte gebt mir mehr davon, gerade jetzt!

Nicht nur mit dieser Szene fängt Like a Complete Unknown den Geist der gegenkulturellen Sechziger ein. Der Film zeigt eine Welt, die kurz vor dem Untergang zu stehen scheint, aber in der Menschen komponieren, dichten, dagegenhalten. Ein sehr tröstender Moment in einem Februar, der gerade nur durch den Schnee erhellt wird.

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Weitere Vorführungen von "Like a Complete Unknown" auf der Berlinale
14.02. Uber Eats Music Hall , 21:45 Uhr
15.02. Uber Eats Music Hall, 11:30 Uhr
16.02. Haus der Kulturen der Welt, 22 Uhr
21.02. Zoo Palast, 12:30 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 27. Februar zu sehen.

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Dr. Elordi

Kein Schauspieler brütet schöner als Jacob Elordi. Das Weltkriegsdrama "The Narrow Road to the Deep North" gibt ihm viele Gründe dafür. Auf der Berlinale feiert die Serie Premiere.

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The Narrow Road to the Deep North ist eine Serie über offene Rechnungen und Wunden. Im Jahr 1943 gerät der australische Armeearzt Dorrigo Evans (Jacob Elordi) mit seiner Einheit in japanische Kriegsgefangenschaft. Durch den tiefsten thailändischen Dschungel müssen die Männer eine Eisenbahnstrecke für den Feind bauen, während Evans dafür sorgen soll, die lädierten Arbeitskräfte halbwegs am Leben zu halten. Malaria und entzündete Verletzungen quälen die gefangenen Soldaten ebenso wie die brutalen, auch mal mit dem Samuraischwert hantierenden Aufseher. Evans flüchtet sich in Gedanken an seine Affäre mit Amy (Odessa Young), der Ehefrau seines Onkels.
45 Jahre später pult der Arzt Evans (jetzt gespielt von Ciarán Hinds) noch immer in den Wunden seiner Mitmenschen herum. Er gilt als Kriegsheld und risikofreudiger Chirurg: Den Tumor, den er im Bauch einer Patientin auf dem OP-Tisch entdeckt, entfernt er spontan, als müsste er noch immer sekundenschnelle Entscheidungen auf dem Schlachtfeld treffen. Offensichtlich hat Evans den Krieg niemals überwunden, wie sollte er auch, aber ebenso offensichtlich hängt er immer noch den Erinnerungen an Amy nach. Routiniert betrügt er seine Frau Ella (Heather Mitchell), diesmal mit der Frau des Mannes, der ihm bei der Arbeit das Skalpell reicht.

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Mit zwei ihrer fünf Folgen feiert die Serie von Drehbuchautor Shaun Grant Weltpremiere auf der Berlinale. Die mit dem Booker Prize ausgezeichnete Romanvorlage von Richard Flanagan muss man gar nicht kennen, um sich auszumalen, wie es in den weiteren Folgen um die Eskalation jahrzehntealter Konflikte gehen wird. Manche davon weisen auf Kriegstraumata zurück, andere auf Familienstreitigkeiten. Beide inszeniert der Regisseur Justin Kurzel mit großer Ernsthaftigkeit und heruntergedrehten Farben. Vor allem mit den Szenen aus dem Gefangenenlager in Thailand versaut er einem fast die Vorfreude auf die neue White-Lotus-Staffel.
Aber Jacob Elordi ist ja auch noch da. Gefühlt habe er sich beim Lesen des Romans, als hätte Richard Flanagan direkt zu ihm gesprochen, sagte Elordi am Rande der Berlinale in einem Interview mit ZEIT-ONLINE-Journalistin Ronja Wirts. Nach seinen Auftritten in Euphoria und Saltburn sowie als derangierter Elvis Presley in Priscilla spielt er wieder einen vergrübelten, abgründigen Mann, den man womöglich etwas mehr mag, als man sollte.
Weitere Vorführungen von "The Narrow Road to the Deep North" auf der Berlinale:
16.02. Urania, 12.30 Uhr
16.02. Cubix 9, 19.00 Uhr
18.02. Stage Bluemax Theater, 10 Uhr
21.02. Stage Bluemax Theater, 18.30 Uhr

Im Sommer sind alle Folgen der Serie bei Sky und Wow zu sehen.

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Was für ein asseliger Planet

Ist "Mickey 17" noch Sci-Fi oder schon Realität? Der neue Film des südkoreanischen Oscarpreisträgers Bong Joon Ho mit Robert Pattinson feiert auf der Berlinale Premiere.

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Während der vergangenen Monate gab es in der Kinobranche ein großes Raunen, Tuscheln, Spekulieren: Würde die Berlinale-Chefin Tricia Tuttle Mickey 17, den neuen Film des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Ho, an Land ziehen? Würde es ihr gelingen, einen der "glamourösen“ Titel nach Berlin zu holen, die von der internationalen Film-Community flitzebogengespannt erwartet werden?

Fünf Jahre, nachdem Bong Joon Hos klassenkämpferischer Thriller Parasite bei den Oscars abgeräumt hat – sechs Preise, auch für den besten Film –, erlebt Mickey 17 nun tatsächlich seine Weltpremiere im Berlinale-Palast. 

Der Film spielt im Jahr 2054, Robert Pattinson verkörpert (im wahrsten Sinne des Wortes) einen Outcast, der jahrelang in einem gigantischen Raumschiff unterwegs ist. Dort wird er als Versuchskaninchen und wiederverwendbarer Sklave gequält und missbraucht. Mickey ist bereits die 17. Version seiner selbst, er krepiert im Labor an giftigen Gasen, verunglückt bei Reparaturarbeiten im All oder stirbt an tödlichen Erregern auf dem fernen Planeten Niflheim, der kolonisiert werden soll. Nach jedem weiteren Tod wird sein Körper aus den organischen Abfällen des Raumschiffs neu erzeugt und mit einem 3D-Drucker neu geboren. 

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Mickey ist ein expendable, ein Entbehrlicher, und Robert Pattinson spielt ihn als freundlichen Toren mit anrührender Verletzlichkeit. Er stolpert, torkelt und kotzt sich durch das retrofuturistische Setting, bis er durch einen Unfall einen Doppelgänger bekommt: Mickey 18 ist da!
In dem Film bleibt Bong Joon Ho seinem liebsten Thema treu: dem Kampf von denen da oben gegen die da unten. Die da oben sind ein präsidial-vulgärer Commander (Mark Ruffalo) und seine Lady-Macbeth-hafte Gattin (Toni Collette). Jeder Auftritt dieses Anführers ist eine Rallye, er schwafelt von menschlichem Abschaum und "Remigration", vom Nachteil eines "wilden Menschenmix“ auf der Erde im Gegensatz zu einem Neustart für eine weiße Rasse, während seine Frau sich für die Küche interessiert ("Saucen sind der Lackmustest für die Zivilisation").

Mickey 17 handelt von der Würde und Einmaligkeit des einzelnen Menschen. Es gibt eine schöne Liebesgeschichte und abgefahrene Bilder von den Ureinwohnern des Kolonie-Planeten, die aussehen wie eine Mischung aus Riesenassel und Gürteltier. Aber am beeindruckendsten und auf furchterregende Weise niederschmetternd ist der Commander. Mark Ruffalo verleiht ihm die Intonation und den kleingeistigen Größenwahn des gegenwärtigen US-Präsidenten.

Ja, Tricia Tuttle hat es wirklich geschafft: Der meisterwartete Science-Fiction-Film der Saison läuft auf der Berlinale. Aber es gab einmal eine Zeit, in der uns die Kinodystopien wenigstens noch ein bisschen voraus waren.

Weitere Vorführungen von "Mickey 17":
16.02. Uber Eats Music Hall, 14.30 Uhr
17.02. Urania, 12.15 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 7. März zu sehen.

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Ein Musikjournalist hält den Laden zusammen

"The Köln Concert" heißt das berühmteste Livealbum der Jazz-Geschichte. "Köln 75" heißt eine neue Komödie über seine Entstehung. Star des Films ist aber nicht Keith Jarrett.

Ziemlich viele Männer tauchen in Köln 75 auf, und die meisten davon sind Deppen. Der Vater der jungen Jazz-Enthusiastin Vera Brandes ist ein Zahnarzt mit sadistischer Ader. Der Bruder hat zumindest die Gemeinheit vom Vater geerbt. Veras Freund ist nicht besonders helle, aber dafür besonders eifersüchtig. Der Tourmanager des Klaviergenies Keith Jarrett hat kein Interesse an Problemlösungen und damit seinen Beruf verfehlt. Der Maestro selbst leidet unter Kunst und Rückenschmerzen, aber am meisten unter seinen Mitmenschen. Ständig reden und denken sie zu laut, stellen ihm den falschen Flügel hin und husten im Konzert seine Geistesblitze kaputt.

Gut also, dass Köln 75 kein Film über Jarrett ist, sondern über Vera Brandes. Im Köln der frühen Siebzigerjahre wird die Schülerin (gespielt von Mala Emde) zur Konzertagentin, emanzipiert sich dank dieser Berufung von ihrem Elternhaus und bringt den einstigen Pianisten von Miles Davis schließlich in die Stadt. Mit seinen Klavierimprovisationen soll Jarrett die Kölner Oper vollkriegen. Ihre Zukunft im Musikgeschäft knüpft Brandes an den Erfolg dieses Vorhabens.

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Der Regisseur und Autor Ido Fluk hat seinen Spaß mit dieser größtenteils wahren Geschichte. Er legt Köln 75 als Coming-of-Age-Komödie und Hommage an die Kölner Jazz- und Art-Rock-Szene der Siebzigerjahre an, blickt jedoch eher belustigt als ehrfürchtig auf deren Protagonisten. (Wird sicher Ärger geben bei Facebook.) Die Stadt und ihre Clubs sehen etwas zu sauber aus, die Figuren sprechen manchmal zu gegenwärtig. Der Film aber bewegt sich leichtfüßig über solche Schwächen hinweg, kommentiert sein Treiben immer wieder selbstironisch und steckt voller inszenatorischer Miniideen.

Die beste dieser Ideen ist der Musikjournalist Michael Watts (Michael Chernus). In kurzen Einschüben erklärt er, was man im Tonstudio als Fehlstart bezeichnet, führt einmal quer durch die Jazzgeschichte und macht auf einer (erfundenen) Autofahrt mit Jarrett auch die Mühen deutlich, die es den Pianisten (gespielt von John Magaro) kostet, Abend für Abend völlig neue Musik aus dem Nichts zu schöpfen. Ein armes Würstchen bleibt Watts trotzdem, ein Interview mit Jarrett bekommt er nicht, und auch bei einer Zufallsbegegnung mit Brandes holt er sich einen Korb ab. Schwacher Trost für ihn: Seit Almost Famous hat es im Kino keinen so liebenswerten Musikjournalisten mehr gegeben.

Weitere Vorführungen von "Köln 75" auf der Berlinale
16.02. Haus der Berliner Festspiele, 14 Uhr
17.02. Akademie der Künste, 16 Uhr
18.02. Odeon, 20 Uhr
18.02. Colosseum 1, 21:30 Uhr
21.02. Haus der Berliner Festspiele, 15.15 Uhr
23.02. Uber Eat Music Hall, 10 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 13. März zu sehen.

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Daniel Gerhardt

Ein Musikjournalist hält den Laden zusammen

„The Köln Concert“ heißt das berühmteste Livealbum der Jazz-Geschichte. „Köln 75“ heißt eine neue Komödie über seine Entstehung. Star des Films ist aber nicht Keith Jarrett.Ziemlich viele Männer tauchen in Köln 75 auf, und die meisten davon sind Deppen. Der Vater der jungen Jazz-Enthusiastin Vera Brandes ist ein Zahnarzt mit sadistischer Ader. Der Bruder hat zumindest die Gemeinheit vom Vater geerbt. Veras Freund ist nicht besonders helle, aber dafür besonders eifersüchtig. Der Tourmanager des Klaviergenies Keith Jarrett hat kein Interesse an Problemlösungen und damit seinen Beruf verfehlt. Der Maestro selbst leidet unter Kunst und Rückenschmerzen, aber am meisten unter seinen Mitmenschen. Ständig reden und denken sie zu laut, stellen ihm den falschen Flügel hin und husten im Konzert seine Geistesblitze kaputt.

Gut also, dass Köln 75 kein Film über Jarrett ist, sondern über Vera Brandes. Im Köln der frühen Siebzigerjahre wird die Schülerin (gespielt von Mala Emde) zur Konzertagentin, emanzipiert sich dank dieser Berufung von ihrem Elternhaus und bringt den einstigen Pianisten von Miles Davis schließlich in die Stadt. Mit seinen Klavierimprovisationen soll Jarrett die Kölner Oper vollkriegen. Ihre Zukunft im Musikgeschäft knüpft Brandes an den Erfolg dieses Vorhabens.

Mala Emde als Vera Brandes in „Köln 75“. Wolfgang Ennenbach/One Two Films
Der Regisseur und Autor Ido Fluk hat seinen Spaß mit dieser größtenteils wahren Geschichte. Er legt Köln 75 als Coming-of-Age-Komödie und Hommage an die Kölner Jazz- und Art-Rock-Szene der Siebzigerjahre an, blickt jedoch eher belustigt als ehrfürchtig auf deren Protagonisten. (Wird sicher Ärger geben bei Facebook.) Die Stadt und ihre Clubs sehen etwas zu sauber aus, die Figuren sprechen manchmal zu gegenwärtig. Der Film aber bewegt sich leichtfüßig über solche Schwächen hinweg, kommentiert sein Treiben immer wieder selbstironisch und steckt voller inszenatorischer Miniideen.

Die beste dieser Ideen ist der Musikjournalist Michael Watts (Michael Chernus). In kurzen Einschüben erklärt er, was man im Tonstudio als Fehlstart bezeichnet, führt einmal quer durch die Jazzgeschichte und macht auf einer (erfundenen) Autofahrt mit Jarrett auch die Mühen deutlich, die es den Pianisten (gespielt von John Magaro) kostet, Abend für Abend völlig neue Musik aus dem Nichts zu schöpfen. Ein armes Würstchen bleibt Watts trotzdem, ein Interview mit Jarrett bekommt er nicht, und auch bei einer Zufallsbegegnung mit Brandes holt er sich einen Korb ab. Schwacher Trost für ihn: Seit Almost Famous hat es im Kino keinen so liebenswerten Musikjournalisten mehr gegeben.

Weitere Vorführungen von „Köln 75“ auf der Berlinale
16.02. Haus der Berliner Festspiele, 14 Uhr
17.02. Akademie der Künste, 16 Uhr
18.02. Odeon, 20 Uhr
18.02. Colosseum 1, 21:30 Uhr
21.02. Haus der Berliner Festspiele, 15.15 Uhr
23.02. Uber Eat Music Hall, 10 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 13. März zu sehen.

Daniel Gerhardt

Dr. Elordi

Kein Schauspieler brütet schöner als Jacob Elordi. Das Weltkriegsdrama „The Narrow Road to the Deep North“ gibt ihm viele Gründe dafür. Auf der Berlinale feiert die Serie Premiere.
Gleich grübelt er wieder: Jacob Elordi auf seiner Berlinale-Pressekonferenz. Sebastian Reuter/Getty Images
The Narrow Road to the Deep North ist eine Serie über offene Rechnungen und Wunden. Im Jahr 1943 gerät der australische Armeearzt Dorrigo Evans (Jacob Elordi) mit seiner Einheit in japanische Kriegsgefangenschaft. Durch den tiefsten thailändischen Dschungel müssen die Männer eine Eisenbahnstrecke für den Feind bauen, während Evans dafür sorgen soll, die lädierten Arbeitskräfte halbwegs am Leben zu halten. Malaria und entzündete Verletzungen quälen die gefangenen Soldaten ebenso wie die brutalen, auch mal mit dem Samuraischwert hantierenden Aufseher. Evans flüchtet sich in Gedanken an seine Affäre mit Amy (Odessa Young), der Ehefrau seines Onkels.
45 Jahre später pult der Arzt Evans (jetzt gespielt von Ciarán Hinds) noch immer in den Wunden seiner Mitmenschen herum. Er gilt als Kriegsheld und risikofreudiger Chirurg: Den Tumor, den er im Bauch einer Patientin auf dem OP-Tisch entdeckt, entfernt er spontan, als müsste er noch immer sekundenschnelle Entscheidungen auf dem Schlachtfeld treffen. Offensichtlich hat Evans den Krieg niemals überwunden, wie sollte er auch, aber ebenso offensichtlich hängt er immer noch den Erinnerungen an Amy nach. Routiniert betrügt er seine Frau Ella (Heather Mitchell), diesmal mit der Frau des Mannes, der ihm bei der Arbeit das Skalpell reicht.
Jacob Elordi und Odessa Young in „The Narrow Road to the Deep North“. Curio Pictures
Mit zwei ihrer fünf Folgen feiert die Serie von Drehbuchautor Shaun Grant Weltpremiere auf der Berlinale. Die mit dem Booker Prize ausgezeichnete Romanvorlage von Richard Flanagan muss man gar nicht kennen, um sich auszumalen, wie es in den weiteren Folgen um die Eskalation jahrzehntealter Konflikte gehen wird. Manche davon weisen auf Kriegstraumata zurück, andere auf Familienstreitigkeiten. Beide inszeniert der Regisseur Justin Kurzel mit großer Ernsthaftigkeit und heruntergedrehten Farben. Vor allem mit den Szenen aus dem Gefangenenlager in Thailand versaut er einem fast die Vorfreude auf die neue White-Lotus-Staffel.
Aber Jacob Elordi ist ja auch noch da. Gefühlt habe er sich beim Lesen des Romans, als hätte Richard Flanagan direkt zu ihm gesprochen, sagte Elordi am Rande der Berlinale in einem Interview mit ZEIT-ONLINE-Journalistin Ronja Wirts. Nach seinen Auftritten in Euphoria und Saltburn sowie als derangierter Elvis Presley in Priscilla spielt er wieder einen vergrübelten, abgründigen Mann, den man womöglich etwas mehr mag, als man sollte.
Weitere Vorführungen von „The Narrow Road to the Deep North“ auf der Berlinale:
16.02. Urania, 12.30 Uhr
16.02. Cubix 9, 19.00 Uhr
18.02. Stage Bluemax Theater, 10 Uhr
21.02. Stage Bluemax Theater, 18.30 Uhr

Im Sommer sind alle Folgen der Serie bei Sky und Wow zu sehen.

Katja Nicodemus

Was für ein asseliger Planet

Ist „Mickey 17“ noch Sci-Fi oder schon Realität? Der neue Film des südkoreanischen Oscarpreisträgers Bong Joon Ho mit Robert Pattinson feiert auf der Berlinale Premiere.
Wer ist die beste Version seiner selbst? Robert Pattinson als Mickey 17 und 18 in Bong Joon Hos neuem Film. . 2025 Warner Bros. Entertainment
Während der vergangenen Monate gab es in der Kinobranche ein großes Raunen, Tuscheln, Spekulieren: Würde die Berlinale-Chefin Tricia Tuttle Mickey 17, den neuen Film des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Ho, an Land ziehen? Würde es ihr gelingen, einen der „glamourösen“ Titel nach Berlin zu holen, die von der internationalen Film-Community flitzebogengespannt erwartet werden?

Fünf Jahre, nachdem Bong Joon Hos klassenkämpferischer Thriller Parasite bei den Oscars abgeräumt hat – sechs Preise, auch für den besten Film –, erlebt Mickey 17 nun tatsächlich seine Weltpremiere im Berlinale-Palast. 

Der Film spielt im Jahr 2054, Robert Pattinson verkörpert (im wahrsten Sinne des Wortes) einen Outcast, der jahrelang in einem gigantischen Raumschiff unterwegs ist. Dort wird er als Versuchskaninchen und wiederverwendbarer Sklave gequält und missbraucht. Mickey ist bereits die 17. Version seiner selbst, er krepiert im Labor an giftigen Gasen, verunglückt bei Reparaturarbeiten im All oder stirbt an tödlichen Erregern auf dem fernen Planeten Niflheim, der kolonisiert werden soll. Nach jedem weiteren Tod wird sein Körper aus den organischen Abfällen des Raumschiffs neu erzeugt und mit einem 3D-Drucker neu geboren. 

Die richtige Soße hält die Welt zusammen: Mark Ruffalo (Mitte) und Toni Collette als Kommandanten-Paar. 2025 Warner Bros. Entertainment
Mickey ist ein expendable, ein Entbehrlicher, und Robert Pattinson spielt ihn als freundlichen Toren mit anrührender Verletzlichkeit. Er stolpert, torkelt und kotzt sich durch das retrofuturistische Setting, bis er durch einen Unfall einen Doppelgänger bekommt: Mickey 18 ist da!
In dem Film bleibt Bong Joon Ho seinem liebsten Thema treu: dem Kampf von denen da oben gegen die da unten. Die da oben sind ein präsidial-vulgärer Commander (Mark Ruffalo) und seine Lady-Macbeth-hafte Gattin (Toni Collette). Jeder Auftritt dieses Anführers ist eine Rallye, er schwafelt von menschlichem Abschaum und „Remigration“, vom Nachteil eines „wilden Menschenmix“ auf der Erde im Gegensatz zu einem Neustart für eine weiße Rasse, während seine Frau sich für die Küche interessiert („Saucen sind der Lackmustest für die Zivilisation“).

Mickey 17 handelt von der Würde und Einmaligkeit des einzelnen Menschen. Es gibt eine schöne Liebesgeschichte und abgefahrene Bilder von den Ureinwohnern des Kolonie-Planeten, die aussehen wie eine Mischung aus Riesenassel und Gürteltier. Aber am beeindruckendsten und auf furchterregende Weise niederschmetternd ist der Commander. Mark Ruffalo verleiht ihm die Intonation und den kleingeistigen Größenwahn des gegenwärtigen US-Präsidenten.

Ja, Tricia Tuttle hat es wirklich geschafft: Der meisterwartete Science-Fiction-Film der Saison läuft auf der Berlinale. Aber es gab einmal eine Zeit, in der uns die Kinodystopien wenigstens noch ein bisschen voraus waren.

Weitere Vorführungen von „Mickey 17“:
16.02. Uber Eats Music Hall, 14.30 Uhr
17.02. Urania, 12.15 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 7. März zu sehen.

Carolin Ströbele

Bob Dylan als Trostpflaster

Timothée Chalamet hellt mit seinem Dylan-Biopic „Like a Complete Unknown“ die Berlinale-Stimmung auf.
Ein Filmfestival ist ein wunderbarer Grund, sich mal kurz auszuklinken. Licht aus, Handy aus, Vorhang auf und zweieinhalb Stunden nichts hören von Krieg, Anschlägen, Wahlkampfgetöse, Sicherheitskonferenzen und all dem. Dann sitzt man aber in einem Film über Bob Dylan und ist doch wieder bei Themen, die erschreckend aktuell erscheinen: Kalter Krieg, Wettrüsten, atomare Bedrohung, Rassismus. Umso erstaunlicher, wie tröstlich Like a Complete Unknown dennoch ist. 

Der Regisseur James Mangold hat das neue Biopic über Dylan gedreht, das heute Abend bei der Berlinale Deutschlandpremiere feiert. Hauptdarsteller und Mitproduzent ist Timothée Chalamet, wie im Film ist er auch auf der Berlinale so etwas wie der lead actor: der Typ, wegen dem heute eine Menge Leute vor dem Hyatt-Hotel herumhängen. Dort hält Chalamet am Nachmittag eine Pressekonferenz ab.

Drinnen stapeln sich statt Fans Journalisten: Kurz sieht es aus, als würde ich gar nicht mehr reinkommen. Schlechtes Karma?

Freut sich über die deepen Fragen in Berlin: Timothée Chalamet. Gerald Matzka/Getty Images
Ich komme dann doch noch rein, rechtzeitig zur ersten Frage: „Wie war es, für die Rolle als Bob Dylan zehn Kilo zunehmen zu müssen?“ Man schämt sich ein bisschen vor Chalamet, aber nur kurz, denn dann kommt eine etwas politischere Frage und Chalamet kontert mit einem „Wow!“ Da merke man doch, dass es in good old Europa um einiges tiefgründiger zugehe als zu Hause in den USA.

Der 29-Jährige ist heiter gestimmt, was gut zu seinem Outfit im BVB-Stil passt: Schnauzer und gelb-schwarz-gestreifter Pulli. Chalamet schafft es, auf jede Frage eine freundliche, absolut nichtssagende Antwort zu geben – nur als ihn eine Journalistin fragt, ob Bob Dylan nicht auch ein super Musical abgegeben hätte, entgleisen ihm kurz die Züge.

The Times, they are a-Changin‘ : Timothée Chalamet. 2024 Searchlight Pictures All Rights Reserved
Für die Berlinale ist Like A Complete Unknown in zweierlei Hinsicht ein Geschenk: Der Film hat einen der beliebtesten Filmstars in die Stadt gebracht und ist ein dringend benötigter Stimmungsaufheller. Eine Szene spielt auf dem Höhepunkt der Kubakrise, John F. Kennedy hält am 22. Oktober 1962 eine Fernsehansprache und droht der Sowjetunion im Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag. In New York führt das zu Panik, Menschen packen ihre Autos, rufen Taxis, auch Joan Baez (Monica Barbaro) rennt mit einem Koffer über die Straßen. Dann stoppt sie vor einem Kellerclub, in dem Bob Dylan gerade vor ein paar Dutzend Leuten spielt und von Männern singt, die Bomben bauen. Das ist natürlich ganz großes Pathos, aber hey: Bitte gebt mir mehr davon, gerade jetzt!

Nicht nur mit dieser Szene fängt Like a Complete Unknown den Geist der gegenkulturellen Sechziger ein. Der Film zeigt eine Welt, die kurz vor dem Untergang zu stehen scheint, aber in der Menschen komponieren, dichten, dagegenhalten. Ein sehr tröstender Moment in einem Februar, der gerade nur durch den Schnee erhellt wird.

Timothée Chalamet auf dem Roten Berlinale-Teppich. Stefanie Loos/AFP/Getty Images
Weitere Vorführungen von „Like a Complete Unknown“ auf der Berlinale
14.02. Uber Eats Music Hall , 21:45 Uhr
15.02. Uber Eats Music Hall, 11:30 Uhr
16.02. Haus der Kulturen der Welt, 22 Uhr
21.02. Zoo Palast, 12:30 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 27. Februar zu sehen.

Carolin Ströbele

Ein Engel für die Engels

Zum dritten Mal eröffnet mit „Das Licht“ ein Film von Tom Tykwer die Berlinale. Aber taugt der auch was?Eigentlich sollte es permanent regnen in Berlin, dann wäre der Übergang zwischen Kinosaal und Realität, nun ja, fließend. Müsste man den Berlinale-Auftaktfilm Das Licht von Tom Tykwer in einem Satz beschreiben, dann so: Es regnet ständig. Also wirklich: ständig, ununterbrochen, in Strömen, aus Kübeln. Und durch den pouring rain radelt Lars Eidinger in einem Plastikungetüm, das mehr nach Ein-Mann-Zelt aussieht als nach Regenjacke. In den Innenaufnahmen ist Eidinger dann meistens nackt, und man fragt sich kurz, ob das Selbstironie ist oder eine ganz natürliche Reaktion: Klatschnasse Kleidung will man ja so schnell wie möglich loswerden.

Freimachen wollte sich ganz offensichtlich auch Tom Tykwer mit diesem Film, seinem ersten seit acht Jahren und nach vier (die fünfte wird gerade fertiggestellt) Staffeln Babylon Berlin. Tykwer ist ja der große Traumtänzer des deutschen Kinos. Das hat etwas Liebenswertes, denn magischen Realismus würde man ohne ihn hierzulande vergeblich suchen. Sein Werk ist der komplette Gegenentwurf zum strengen und bisweilen hyperrealistischen Konzept der sogenannten Berliner Schule, zu der Christian Petzold, Thomas Arslan, Angela Schanelec oder Christoph Hochhäusler zählen. Tykwer, so schien es, preschte in seinen Filmen einfach los, schoss manchmal über das Ziel hinaus, war aber in seinen besten Momenten – etwa in Lola rennt, aber auch in manchen Szenen der ersten Babylon-Berlin-Staffel – ein Regisseur, der sein Publikum emotional berührte.

Lars Eidinger im Ein-Mann-Zelt am Potsdamer Platz. Frederic Batier/X Verleih
Das Licht kann man in einer Linie mit diesen beiden Werken sehen, denn auch hier steht wieder die Hauptstadt im Fokus. Während sie bei Lola rennt noch als Abenteuerspielplatz erschien, als Schauplatz einer Geschichte, deren Ausgang sich immer wieder verändert, steuert die kommende Staffel von Babylon Berlin auf die Zeit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu.

Das Licht nun spielt im Berlin der Gegenwart und erzählt fast drei Stunden lang vom Leben der dysfunktionalen Familie Engel (ja, sie heißt wirklich so). Der Vater (Lars Eidinger) hat hohe Ideale, verkauft diese aber als teure Claims an Großunternehmen. Die Mutter (Nicolette Krebitz), Typ regretting motherhood, versucht die Finanzierung ihres Kindertheaterprojekts in Kenia zu sichern. Der Sohn (Julius Gause) hat sich in seinem Zimmer eine VR-Gaming-Welt geschaffen, der Vater klopft schon lange nicht mehr an die Tür, die Tochter (Elke Biesendorfer) taumelt zwischen Drogenexzessen im Club und Klimaaktivismus. Alle Charaktere sind so auf die Spitze getrieben, dass man sie sofort als Repräsentanten eines liberalen, sich selbst hassenden Bürgertums versteht.

Und hier wird es unangenehm: Tykwer setzt seiner kaputten Familie die Figur der Syrerin Farrah (Tala Al-Deen) entgegen. Diese ist während des Kriegs geflüchtet, hat dabei ihre Familie verloren und heuert nun bei den Engels als Haushälterin an, obwohl sie dafür eindeutig überqualifiziert ist. Sie nähert sich den einzelnen Familienmitgliedern auf eine Weise, wie diese es untereinander schon lange nicht mehr geschafft haben. Die fremde Frau, die von außen heilend auf eine Familie einwirkt, ist ein gängiges Thema im Film. Hier aber wird die Figur auf eine unangenehme Art exotisiert. Sie bleibt die Fremde, die aufgrund ihrer Herkunft, ihres Traumas über besondere Fähigkeiten verfügt, die den Mitgliedern der westlichen Zivilisation abhandengekommen sind. Um das herauszustreichen, wird ihr eine unheimliche Komponente hinzugefügt. Mithilfe einer flackernden Lampe versetzt sie sich und ihre Gegenüber in eine Art Trance. Im Lauf des Films stellt sich heraus, dass sie damit einen Korridor ins Jenseits konstruieren will. Im Berlinale-Programm wird der Film unter dem Tag „Übersinnliches“ verschlagwortet.

Die Familie Engel in Tom Tykwers Film „Das Licht“. Frederic Batier / X Verleih
Würde sich Das Licht konsequent ins Übersinnliche flüchten, wäre das auch in Ordnung. Aber Tykwer verspielt sich in zahllose weitere Genres: da tanzt Nicolette Krebitz plötzlich wie in Emilia Pérez über die Straße, da fliegen junge Leute durch die Luft wie in Tiger & Dragon. Das Licht ist ein Drei-Stunden-Monolith, von allem zu viel. In den Augen mancher Kritiker entspricht das einer seit Jahren gefühlten Überforderung und Gleichzeitigkeit der Dinge.

In Berlin regnet es gerade übrigens nicht, dafür liegt sehr viel Schnee. Und das ist wirklich schön.

Weitere Vorstellungen von „Das Licht“ im Rahmen der Berlinale:
14.02. Uber Eats Music Hall, 18 Uhr
15.02. Haus der Kulturen der Welt, 10 Uhr
15.02. Haus der Berliner Festspiele 20.30 Uhr
16.02. Thalia, Potsdam, 20 Uhr

Marlene Knobloch

Tausend Widersprüche, eine Tilda

Eigentlich passt nichts zusammen an diesem Eröffnungsabend. Nicht die fest geschnürten Lederkorsetts der Berghain-Promis mit dem luftigen, weißen Kleid von Toni Garrn. Nicht das im Schnee frierende Grüppchen aus 30 Leuten und der Armani-Showroom, vor dem sich die Mahnwache für die israelischen Geiseln versammelt hat. Nicht die vielen politischen Forderungen auf Schildern und Schals und das gerade parallel laufende TV-Quadrell zur Bundestagswahl. Vielleicht kann das nur Tilda Swinton gelingen, vielleicht ist Tilda Swinton deswegen auf der Welt, um mit ihren blassen, langen Fingern all die herumfliegenden Schnipsel aus der aufgepeitschten Luft einzufangen.
Enttäuscht muss man feststellen, dass man selbst jemanden wie mich über den Roten Teppich laufen lässt, am Rand lassen die Fotografen ihre Kameras wie welke Blumen hängen. Aber auch das ist die Berlinale, alles etwas legerer, ohne Smoking-Pflicht, mit Geisterfahrern am Roten Teppich. Elyas M’Barek trägt Samtsakko mit passender Samtfliege, Luisa Neubauer marschiert in die nicht unangespannte Gesamtsituation mit Statement-Kleid, auf dem „Donald & Elon & Alice & Friedrich?“ steht, womit die analytische Präzision der bundesrepublikanischen Lage dieses Festivals umrissen wäre. Eine Frau im roten Kleid hält ein Schild hoch, auf dem „Menstruation is a human right“ steht, und während man rätselt, wie genau dieser Satz gemeint sein könnte, erdet Berlins ehemalige Bürgermeisterin Franziska Giffey alles um sich herum mit einem Blumenkleid, das, nun ja, volksnah wirkt.
Luisa Neubauer auf dem Roten Teppich der Berlinale. dpa/Sebastian Gollnow
Auf dem Weg zum Saal begegnet mir Andrea Sawatzki mit Davidstern um den Hals. Sie öffnet ihre Handtasche und zieht ein Schwarz-weiß-Foto raus. Darauf ein lachender Mann, der zwei kleine Kinder umarmt. Das Foto hielt Sawatzki gerade mit Ulrich Matthes, Iris Berben, der Berlinale-Chefin Tricia Tuttle und fünf anderen Mutigen in die Kamera. Es scheinen nicht alle zufrieden über den Verlauf des letztjährigen Festivals, bei dem kaum bis gar nicht über die Tatsache gesprochen wurde, dass ein ehemaliger Berlinale-Teilnehmer am 7. Oktober 2023 von der Hamas als Geisel genommen wurde und wiederholte Bitten der Angehörigen, dies während des Festivals zu thematisieren, ignoriert wurden. Zumindest das lässt sich an diesem Abend sofort erkennen: Ein paar Sachen sollen auf dieser Berlinale anders werden.

Im Saal, nachdem Désirée Nosbusch der Berlinale zum 75. Geburtstag gratuliert, an die Menschen in München erinnert, Tricia Tuttle begrüßt hat und man nicht mehr genau sagen kann in welcher Reihenfolge, tritt schließlich einer unserer Exporterfolge, der Oscar-Preisträger und dieses Jahr wieder Oscar-nominierte Regisseur Edward Berger auf die Bühne, um seine Rede auf Tilda Swinton vorzulesen, der der Goldene Ehrenbär verliehen wird. Einen Brief habe er für Tilda Swinton geschrieben, sagt er, aus Hilflosigkeit. In all ihren Filmen habe er gesucht, in ihrer cineastischen Historie, in ihrer Vorliebe für Regisseure, in ihrer Rollenwahl nach dem Geheimnis, „warum die ganze Welt dich liebt“. Bis er feststellte: „Du bist eine außergewöhnlich schöne Seele, nicht mehr und nicht weniger.“

Selbst Tilda Swinton, die die korallrosa Lippen bis dahin königlich zusammenhielt, bei der nur die zuckenden Mundwinkel verrieten, dass dieser Abend eben nicht noch ein Termin im Kalender eines Filmstars war („Award Berlinale“), sondern dieses Festival, das sie mit 25 Jahren zum ersten Mal besuchte, tatsächlich etwas zu bedeuten schien, selbst dieser meisterlichen Fassungswahrerin steigen Tränen in die Augen. Als Swinton auf die Bühne läuft, springt der Saal auf, Kai Wegner, Claudia Roth, Lars Eidinger, Tom Tykwer, Iris Berben, die Filmprominenz hält ihre Handys hoch, um einen Weltstar zu filmen.

Und es ist nicht besonders originell, sich vor der Filmbranche gegen Donald Trump auszusprechen, gegen „Besetzung, Kolonisierung, Übernahme“ und „Riviera-Grundstücks-Landbesitz“ (tosender Applaus). Und es flirrte schon genug Unheil in diesem Stündchen Gegenwart, bevor Swinton über die „Massenmorde“ sprach, die gerade „mehr als einen Teil der Welt terrorisieren“. Es bleibt doch die Frage, was diese gegenseitige Selbstversicherung bewirkt. Andrerseits hält Swinton dagegen die einfache Tatsache, dass für etwas zu sein, nie bedeutet, gegen irgendjemanden zu sein. Und vor allem hält Swinton gegen das Grauen der Welt das Kino, die Stille, das gemeinsame Fühlen beim Schauen, die Bewunderung für die menschliche Flexibilität, die Kraft des gesprochenen wie nicht gesprochenen Worts, das Wunder der Zeitlosigkeit. „Es tut uns so gut, über die Welt zu staunen.“ Und wahrscheinlich ist das die hilfreichste Antwort auf die Ereignisse dieses verschneiten Eröffnungstags.

Carolin Ströbele
Berlinale-Leiterin Tricia Tuttle. Nadja Wohlleben/Reuters

Was ist los auf der 75. Berlinale?

Ab dem frühen Abend werden die ersten Gäste über den roten Teppich des Berlinale-Palasts schreiten. Doch die 75. Filmfestspiele in Berlin sind von Trauer und Entsetzen überschattet. Am Vormittag ist in München ein Afghane mit seinem Auto in eine Demonstration gefahren, viele Menschen wurden verletzt. Es wird die erste Herausforderung für die neue Festivalleiterin Tricia Tuttle sein, ein Fest des Kinos anzumoderieren und gleichzeitig die angespannte gesellschaftliche und politische Situation in vielen Teilen der Welt im Blick zu behalten. Die US-Amerikanerin Tuttle, die zuvor das Londoner Filmfestival geleitet hatte, übernahm die Berlinale 2024 von ihrem eher glücklosen Vorgänger-Duo Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek. Man wird in diesem Jahr genau beobachten, wie sie das Festival führt, vor allem nach dem Skandal um israelkritische Äußerungen bei der Preisverleihung im vergangenen Jahr.

Die Berlinale, die sich immer wieder als „politisches Festival“ bezeichnet, könnte in diesem Jahr politischer kaum sein. Man kann sie gleichsam als Countdown zur Bundestagswahl sehen. Wenn am 23. Februar das Festival mit dem Publikumstag endet, stehen die Menschen in Deutschland gerade in den Wahllokalen. Den Juryvorsitz hat in diesem Jahr der US-amerikanische Regisseur Todd Haynes inne. Im ZEIT-Interview sagte er, Filmschaffende müssten „es hinkriegen, dass wir uns nicht niedermachen lassen“. Die Herausforderung sei, „ob es uns gelingt, die gegenwärtige Stimmung in den USA auf die Leinwand zu bringen“.

Tuttle und Jury-Präsident Todd Haynes. Julie Edwards/Avalon/imago
Tom Tykwer, der das Festival in diesem Jahr – zum dritten Mal übrigens schon – eröffnet, bezeichnete im Gespräch mit ZEIT ONLINE seinen Film Das Licht als einen Beitrag, der „akuter nicht sein könnte“. In dem dreistündigen Film mit Lars Eidinger und Nicolette Krebitz, der außer Konkurrenz läuft, spielt Tara Al-Deen eine syrische Haushaltshilfe, die das Leben einer vierköpfigen Berliner Familie nachhaltig verändert.

Was ist noch neu bei dieser Berlinale? Tricia Tuttle hat den von Chatrian eingeführten zweiten, immer unter Radar fliegenden Wettbewerb Encounters gestrichen und dafür eine neue Reihe für Regiedebüts eingeführt: Perspectives. Generell scheint Tuttle mehr auf den filmischen Nachwuchs zu setzen. Im Wettbewerb sind ebenfalls zwei Debüts zu sehen. Insgesamt konkurrieren 19 Filme um den Goldenen Bären.

Eine Filmfestivalleitung wird immer daran gemessen, wie ihr die Jonglage aus guten Filmen, Geld und Glamour gelingt. Was Letzteres betrifft: Es werden sich gleich mehrere gefeierte Filmstars im verschneiten Berlin die Füße abfrieren. Da wäre etwa Timothée Chalamet, der am Freitag seine oscarnominierte Bob Dylan-Hommage Like A Complete Unknown vorstellt, außerdem Jacob Elordi (Saltburn), der mit der Serie The Narrow Road to the Deep North vertreten ist. Am Wochenende werden dann Margaret Qualley und Ethan Hawke erwartet. Sie spielen in Richard Linklaters neuem Film Blue Moon mit. Außerdem in Berlin: Der Oscarpreisträger Bong Joon Ho (Parasite) stellt seinen neuen Film Mickey 17 mit Robert Pattinson in der Hauptrolle vor.

Der heutige Eröffnungsabend aber steht im Zeichen einer großen Dame des internationalen Arthousekinos: Tilda Swinton. Die britische Schauspielerin und Oscarpreisträgerin war schon mit vielen Filmen auf der Berlinale vertreten und 2009 Jurypräsidentin des Festivals. Nun erhält sie den Goldenen Ehrenbären, die Laudatio übernimmt der Oscarpreisträger Edward Berger (Im Westen nichts Neues). Insgesamt soll die Zeremonie kürzer werden, und – letzte Neuerung – Reden von politischen Amtsträgerinnen wurden abgeschafft.

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