Slowblog: 75. Berlinale: Ein anderer Ton

Slowblog: 75. Berlinale: Ein anderer Ton


Überblick: 

  • Die 75. Internationalen Filmfestspiele in Berlin sind zu Ende gegangen
  • Es war die erste Festivalausgabe der neuen Leiterin Tricia Tuttle
  • Der Film Drømmer des norwegischen Regisseurs Dag Johan Haugerud hat den Goldenen Bären gewonnen
  • Während des Festivals gab es erneut Kritik am Festival wegen israelkritischer Äußerungen 
  • Lesen Sie hier alle Beiträge zur Berlinale

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Ein krebskranker Mann wartet den ganzen Tag über vergeblich auf ein Gespräch mit seiner Ärztin. Ein Privatversicherter führt sich auf, als hätte er ein Fünf-Sterne-Resort gebucht. Die Söhne einer sterbenden Patientin fordern lebenserhaltende Maßnahmen ein, die nicht mehr sinnvoll erscheinen. Eine Frau mit eigener Sauerstoffflasche will immerzu rauchen. Zwischen diesen und anderen Personen hetzt Lind hin und her, zunehmend gestresst, am Ende sogar zittrig. Kurz telefoniert sie mit ihrer Tochter, doch der Ex-Mann drückt das Gespräch weg. Dann klingelt schon wieder das Stationshandy. Die Lesebrille einer längst entlassenen Patientin wird gesucht.
Das quasidokumentarische Konzept von Heldin erscheint nicht besonders originell, doch der Film ist wahnsinnig gut konstruiert. Immer wieder kehrt Lind zu Punkten auf ihrer To-do-Liste zurück, die man als überforderter Zuschauer längst vergessen hatte, dann sieht man sie auf einen Fehler zusteuern und ist kurz perplex, als er wirklich passiert. Der Privatversicherte kommt einem als Arschloch überzeichnet vor, bis er völlig zusammenbricht und dann auch noch den lustigsten Moment des Films, vielleicht sogar der ganzen bisherigen Berlinale ermöglicht. In einem Film über Pflegenotstand.

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","url":"https://www.youtube.com/watch?v=zzDyERuMK5U","type":"rich","provider_name":"YouTube","author_name":"TOBIS","title":"HELDIN | Der offizielle Trailer | Ab 27. Februar im Kino!","description":"Floria (Leonie Benesch) arbeitet mit viel Leidenschaft und Professionalität als Pflegefachfrau in der Chirurgie eines Schweizer Krankenhauses. Bei ihr sitzt jeder Handgriff, sie hat selbst in Stresssituationen immer ein offenes Ohr für ihre Patientinnen und Patienten und ist im Notfall sofort zur Stelle – idealerweise. Doch in der harten Realität ihres oft schwer kalkulierbaren Alltags sieht das meist anders aus. Als Floria an diesem Tag ihre Spätschicht antritt, fällt auf der voll belegten, unterbesetzten Station eine Kollegin aus. Trotz aller Hektik umsorgt Floria eine schwerkranke Mutter (Lale Yavas) und einen alten Mann (Urs Bihler), der dringend auf seine Diagnose wartet, ebenso fürsorglich und routiniert wie den Privatpatienten (Jürg Plüss) mit all seinen Extrawünschen. Aber dann passiert ihr ein verhängnisvoller Fehler und die Schicht droht völlig aus dem Ruder zu laufen. Ein nervenzerrender Wettlauf gegen die Zeit beginnt.nnRegisseurin Petra Volpe (DIE GÖTTLICHE ORDNUNG) greift mit HELDIN ein brandaktuelles Thema auf. Laut WHO ist der weltweite Mangel an Pflegekräften ein globales Gesundheitsrisiko. In Deutschland könnten nach Angaben des Statistischen Bundesamts bis 2029 rund 260.000 Pflegende fehlen. Der Film ist zugleich eine respektvolle Hommage auf alle Pflegekräfte sowie ein packendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit und soziales Engagement. Er zeigt nicht zuletzt, wie essenziell eine gute Betreuung im Krankheitsfall für uns alle ist. Hauptdarstellerin Leonie Benesch (DAS LEHRERZIMMER, SEPTEMBER 5) beeindruckt mit ihrer kraftvollen und fesselnden Darstellung, die das Kinopublikum atemlos lässt und uns noch lange nach Filmende begleitet.nn►Abonniere uns! Ganz OHNE Werbung: http://bit.ly/TobisAbonnierenn►Alle Infos zum Film: http://www.tobis.de/ n►Die neuesten Trailer: http://bit.ly/DieNeuestenTrailern►Werde Fan: http://www.Facebook.com/TobisFilmn►Folge uns auf: https://www.instagram.com/tobisfilm","domain":"youtube.com","color":"#cc181e","amp":"","icon":"https://www.youtube.com/s/desktop/aa517dff/img/favicon_144x144.png","icon_width":144,"icon_height":144,"thumbnail_url":"https://i.ytimg.com/vi/zzDyERuMK5U/maxresdefault.jpg","thumbnail_width":1280,"thumbnail_height":720}","url":"https://www.youtube.com/watch?v=zzDyERuMK5U"},{"_type":"Tik::Model::Content::RichTextContentBlock","local_id":"bnhV17tPiKGpCkEv4Pqu","text":"

Darum nämlich geht es natürlich, das hat man schon begriffen, wenn in der Auftaktsequenz von Heldin frisch gewaschene Stationskleidung durch eine Fließbandwäscherei rattert. Der Film macht seine Haltung mit alarmierenden Zahlen im Abspann deutlicher, als es nach seinen atemlosen 90 Minuten nötig gewesen wäre, auch der englische Titel Late Shift kommt einem in seiner Nüchternheit passender vor. Aber das ist Detailkram, der sofort wieder vergessen ist, wenn dann im Abspann auch noch Anohni and the Johnsons laufen. 
Weitere Vorführungen von "Heldin" auf der Berlinale
17.02. Zoo Palast, 21.30 Uhr
18.02. Haus der Berliner Festspiele, 21 Uhr
19.02. JVA Plötzensee, 17 Uhr
21.02. Uber Eats Music Hall, 12.30 Uhr
23.02. Colosseum 1, 21.30 Uhr
In deutschen Kinos ist "Heldin" ab 27. Februar zu sehen.

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"Er ist ein Mensch. Das hier ist ein Notfall"

Am 7. Oktober 2023 wurde der israelische Schauspieler David Cunio von der Hamas entführt. Auf der Berlinale widmet ihm der Regisseur Tom Shoval nun einen filmischen Brief. Meine Kollegin Marlene Knobloch hat während des Festivals mit Shoval gesprochen. Er sagt über seinen Film A Letter to David: "Ich kann mir keinen besseren Ort für die Premiere als die Berlinale vorstellen". 

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Jeder Mensch ist eine Insel

Einst drehte Jan-Ole Gerster den Berlin-Film "Oh Boy", jetzt debütiert sein Fuerteventura-Film "Islands" auf der Berlinale. Eine ungewöhnliche Murder-Mystery-Geschichte, womöglich sogar ohne Mord.
Am Ende des Tages, wenn alles gesagt ist und alle Experten gehört wurden, ist der beste Sport der Welt natürlich Tennis. Außer man fragt Tom. Als abgehalfterter Tennislehrer (gespielt von Sam Riley) einer ebenso abgehalfterten Hotelanlage schlägt sich das einstige Toptalent durch Leben und Übungsstunden. Leidlich motiviert gibt er seine Anweisungen an Pauschalreisende und deren Kinder, lässt sich anschließend noch zwei, drei Biere bezahlen und bei passender Gelegenheit auch mal auf einen One Night Stand ein. Irgendetwas will der Mann vergessen, aber selbst auf Fuerteventura erinnert ihn offenbar alles daran.

Die Routine des Tennistrainers aus Übungsstunden, heimlichen Schlücken aus der Schnapsflasche (passt praktischerweise genau in eine Tennisballdose) und Koksabstürzen im Waikiki-Club wird aufgebrochen, als eine britische Familie im Hotel ankommt. Tom soll den achtjährigen Anton (Dylan Torrell) trainieren, fühlt sich zu dessen Mutter Anne (Stacy Martin) hingezogen und ärgert sich im Stillen über den großkotzigen Vater Dave (Jack Farthing). In die Disko nimmt er ihn trotzdem mit, wo Dave dann ordentlich abstürzt und am nächsten Morgen nicht wieder auftaucht. Die Polizei befürchtet zunächst einen nächtlichen Badeunfall, wundert sich mit zunehmender Ermittlungsdauer jedoch auch über das Verhalten von Stacy. Die Ehefrau des Vermissten erscheint ungewöhnlich abgeklärt und folglich sehr verdächtig.

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2012 debütierte der Regisseur Jan-Ole Gerster mit dem sehr typischen (und sehr erfolgreichen) Berlin-Film Oh Boy. 13 Jahre später legt er auf dem größten Filmfestival der Stadt einen untypischen Berlinale-Film vor. Islands ist eine Murder-Mystery-Geschichte ohne klassische Mystery und womöglich sogar ohne Mord. Spannung entsteht nicht aus der übersichtlichen Geschichte, sondern aus dem seltsamen Verhältnis zwischen Anne und Tom. Weitgehend teilnahmslos lassen sie die Verdächtigungen der Polizei über sich ergehen, während sie einander immer näher kommen. Als wären sie die einzigen Bewohner eines Wüstenplaneten, bewegen sie sich durch die karge Landschaft auf Fuerteventura. Langsam dämmert einem, dass es eine Vorgeschichte zwischen den beiden gibt. Aber wird das auch  Anne und Tom dämmern?

Einmal scheinen die Taucher, die nach Dave suchen, etwas gefunden zu haben, aber dann zieht der Rettungshubschrauber doch keine Leiche aus dem Meer, sondern ein Dromedar. Die Frau des Gesuchten und der Tennistrainer beobachten den spektakulären Abtransport vom Strand aus. Sie lassen sich keine Gefühlsregung anmerken.

Weitere Vorführungen von "Islands" auf der Berlinale
18.02. Colosseum 1, 18:30 Uhr
19.02. Haus der Kulturen der Welt, 10 Uhr

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Rumstampfen in der wackligen Welt

Die diesjährige Berlinale hat ihren ersten Skandal.
Natürlich kommt es nicht überraschend: Nachdem Tilda Swinton schon am zweiten Tag des Festivals auf einer Pressekonferenz betont hatte, wie sehr sie die Israel-Boykott-Organisation BDS bewundere – die ihrerseits die Berlinale boykottieren wollte –, hatte die Berlinale wenig später ihren jährlichen Aufreger: Der Regisseur Jun Li aus Hongkong las auf der Urania-Bühne die Rede eines iranischen Schauspielers vor, in der Israel, Deutschland und "dem Westen" Völkermord an den Palästinensern vorgeworfen wurde, abgerundet mit der schmissigen Allmachtsfantasie "From the river to the sea!".

Der Berliner Staatsschutz ermittelt, der Zentralrat der Juden ist entsetzt, und der Versuch, es dieses Jahr besser zu machen, indem die neue Leiterin Tricia Tuttle auf dem roten Teppich ein Foto einer israelischen Geisel hochhielt, indem man den Shoah-Regisseur Claude Lanzmann mit einem Dokumentarfilm ehrte, indem man Filme über den 7. Oktober und mit Yalla Parkour einen Film über das Leben im Gazastreifen zeigte, all diese Bemühungen scheinen in den Hintergrund zu rücken. Zu viele stampfen zu gern auf einem Filmfestival herum, als wäre die Welt nicht wacklig genug.

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Wie sinnlos diese Boykottfantasien sind, beweisen die Filme selbst. Da sind etwa die beiden Dokumentationen über den 7. Oktober, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Sie erzählen vom Schicksal der Angehörigen verschleppter Israelis, und sieht man beide Filme an, erkennt man das Ringen dieser Zeit, Mensch gegen Politik. Während A Letter to David des israelischen Regisseurs Tom Shoval ganz persönlich und intim zu seinem Protagonisten David Cunio sprechen will und anhand eines leidenden, dauerrauchenden Zwillingsbruders das grauenhafte Loch zeigt, welches das Massaker der Hamas in die Welt riss, sieht man in Holding Liat einen Vater, der seine Verzweiflung mit politischen Diskussionen betäubt. Er reist in die USA, schwankt innerlich zwischen republikanischen Bibi-Fans und wütenden Palästinensern, streitet sich, schimpft auf Netanjahu und will währenddessen nur seine Tochter in den alten Armen halten.

Beide Filme spiegeln in jeder Sekunde die Gegenwart. In Brandon Kramers und Darren Aronofskys Holding Liat kehrt jene Liat Beinin Atzili gegen Ende zurück, womit sich der Film selbst in die Geschichte einschreibt. Über den Schauspieler David Cunio berichtete kurz nach Shovals Premiere eine zurückgekehrte Geisel, es gebe ein Lebenszeichen. Und immerhin scheint es: So wie die stumpfe Politik Schneisen in dieses Festival zu schlagen versucht, strömen umgekehrt die berührenden Bilder von der Leinwand herab und flirren hinein in die Wirklichkeit.

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Reichenschmaus

"Delicious" zeigt eine Familie im Urlaub, der alles fehlt außer Geld. Die böse Haushälterin hat allzu leichtes Spiel.
Darf man den Plot-Twist eines Films verraten, wenn er sich zaunpfahlwedelnd und lichthupend schon nach wenigen Kinominuten ankündigt? Natürlich nicht. Schon gar nicht bei einem Film wie Delicious, der auf der Berlinale Weltpremiere feiert, den also wirklich noch kein Normalsterblicher gesehen hat vor jenen 600 Gästen, die zur Uraufführung in den Berliner Zoo Palast gekommen sind.

Leider bedeutet das No-Spoilers-Gebot im Fall von Delicious auch, dass es besser wäre, wenn abgesehen von diesen 600 Premierengästen niemand mehr erfahren würde, was in dem Film der Autorin und Regisseurin Nele Mueller-Stöfen passiert. Nach Filmen und Serien der letzten Jahre wie Parasite, Triangle of Sadness, Succession, The Menu und Saltburn ist Delicious zunächst einmal spät dran mit seiner Ferien- und Eat-the-Rich-Satire. Schwerer aber wiegt, dass das von Netflix koproduzierte Projekt seine Geschichte im Urlaubsmodus erzählt.

Abschalten will die wohlhabende Familie von Esther (Valerie Pachner) und John (Fahri Yardım) in den Frankreichferien, gemeinsam mit ihren Kindern Philipp (Caspar Hoffmann) und Alba (Naila Schuberth, bekannt aus Liebes Kind) steigen sie im Haus von Esthers Eltern ab. Schon am ersten Tag gelingt es der Familie, das von Ameisen und Nagetieren befallene Anwesen auf bemerkenswerte Weise zu verdrecken – den Reichen ist offensichtlich alles egal. Schon am ersten Abend fährt John außerdem nach zwei Drinks zu viel die junge Kellnerin Theodora (Carla Díaz) über den Haufen. Wann gab es eigentlich die letzte Autofahrt in Film und Fernsehen, bei der nichts schiefgegangen ist?

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Theodora kommt mit dem Schrecken und einer Schnittwunde am Arm davon, weshalb Esther für den Rest der Familie beschließt, sie nicht ins Krankenhaus zu bringen, sondern in der eigenen Villa zu versorgen. Big mistake: Der Kinosaal weiß zu diesem Zeitpunkt schon, dass die Urlauber auf einen Scam hereinfallen. Theodora hat den Unfall simuliert, sie gehört zu einer Bande von Motocross-Fahrern, die sich in den Häusern reicher Menschen einzecken. Nach der Erstversorgung durch Esther zwängt sie sich der Familie als neue Haushälterin auf (nach Tom Tykwers Auftaktfilm Das Licht übrigens der zweite deutsche Film über Haushälterinnen in dysfunktionalen Familien). Schnell fädelt Theodora Intrigen zwischen Eltern und Kindern ein, bald schon feiert sie mit ihren Freundinnen und Freunden am Pool des Anwesens.

Delicious erscheint mit dieser Prämisse bereits auserzählt, bevor der Film überhaupt richtig in Gang kommt. Auch dann tut er jedoch wenig dafür, sich von den genannten Vorbildern abzuheben. Bei der Unterwanderung der Familie konzentriert sich Theodora auf die offensichtlichsten Angriffspunkte: die Arbeits- und Handysucht der Mutter, die sexuelle Frustration des Vaters, die Vernachlässigung der Kinder. Um seine Wirkung zu entfalten, verlässt sich Delicious ganz auf seinen finalen Schockeffekt. Der aber – und das kann man dann doch verraten – ist längst nicht so schockierend, wie der Film selbst zu glauben scheint.

Weitere Vorführungen von "Delicious" auf der Berlinale
19.02. Urania, 15.30 Uhr
20.02. Cubix 7, 22 Uhr
21.02. Cubix 9, 22 Uhr
23.02. Cubix 8, 19:.5 Uhr

Auf Netflix ist der Film ab 7. März zu sehen.

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Endlich Ethan

Da ist sie ja, die Schönheit! Inmitten dieses Festivals, das schon immer eher den Glamourfaktor eines Berliner Pilsners hatte, und auf dem filmisch bisher von Regretting Motherhood bis Machtmissbrauch gern politisch Relevantes verhandelt wurde, darf mit Richard Linklaters "Blue Moon" nun schlicht die Kunst selbst funkeln. 
 
Wie gern lässt man sich jetzt in diese Welt fallen, genauer, in Sardi’s Bar, New York, nahe dem Broadway. Rote Ledersessel, ein langer, gut polierter Tresen, am Flügel spielt ein Soldat auf Heimaturlaub Jazz. Es ist 1943 und an der Bar sitzt der Songwriter Lorenz Hart, gespielt von Ethan Hawke, irgendwo zwischen Abstieg und Lebenstiefpunkt. Die größten Erfolge liegen hinter ihm, weltberühmte Klassiker wie My Funny Valentine oder Blue Moon. Sein Rücken ist krumm, das Gesicht faltig, die Augen gieren nach der Flasche Brandy, während er aus Casablanca zitiert, Pointen übers Leben Richtung Barmann feuert, liebevoll sein Schnapsglas betrachtet und sich fragt, wie in so ein kleines Glas so viel Schönheit passt.

Ähnliches kann man sich über den Film fragen: Wie passt so viel Witz, Tragik und Leichtigkeit in eine Bar, in einen einzigen Abend? Es ist ein leicht dahinfliegendes Kammerspiel, etwa eineinhalb Stunden wird man diese Bar nicht verlassen, hört Ethan Hawkes Monologen über gute und schlechte Musicals zu, sieht ihn im Schatten seines ehemaligen Partners Richard Rodgers (Andrew Scott) leiden, der im Sardi’s die Premiere seines neuen Musicals Oklahoma! feiert und vor einer entzückten Partygesellschaft auf die Times-Kritik wartet (sie fällt grandios aus). Dazwischen schleicht die Liebe in Form von Margaret Qualley als junge Kunststudentin Elizabeth.

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"Niemand hat mich je so geliebt", zitiert Lorenz Hart aus Casablanca. Alles ist für diesen Mensch voller Sehnsucht: Hart ist jemand, der in der Weite des Meeres die Antwort auf die Ewigkeit findet, in einem halberigierten Penis ein Versprechen an die Welt liest, der anhand eines Halbtonschritts das ganze Geheimnis eines brillanten Lieds entschlüsselt. Er stürzt sich in schnelle Ideen, alte Filme, alte Songs und nicht zuletzt in den Alkohol, während sein ehemaliger Partner, der Komponist Rodgers, den Karrierehöhepunkt erreicht zu haben scheint. Natürlich verachtet Hart den Erfolg von Oklahoma!, das sei Kunst, die nicht weh tut, Kunst, die nur gefällt (und überhaupt, was soll das Ausrufezeichen!). Blue Moon ist herrlich spitz geschrieben, Robert Kaplows Drehbuch lässt Ethan Hawkes Monologe fliegen. Es lehnt sich an Klassiker, an die Geschichten von berühmten Künstlern an, ohne dabei selbst den Halt zu verlieren.

Fast könnte man bei allem Witz, der Leichtigkeit und dem Jazzpiano glauben, hier ginge es um nicht mehr als einen gescheiterten Künstler. Dabei ist die Frage des Films meeresweit: Muss gute Kunst wehtun? Was ist Eskapismus, was Poesie? Und warum noch mal wollen so viele Menschen gerade Romancebücher lesen? Übrigens ist Kunst, die weh tut, etwas anderes als Kunst über etwas, das weh tut. Das scheinen Künstler gern zu verwechseln.

All das mögen nicht die relevantesten Fragen der Zeit sein, auch keine schnell ausdiskutierten. Aber es sind schöne Fragen. Und die werden gerade dringend gebraucht.

Weitere Vorstellungen von "Blue Moon" auf der Berlinale
19.02. Uber Eats Music Hall, 13 Uhr
19.02. Haus der Kulturen der Welt, 22 Uhr
20.02. Urania, 13 Uhr
23.02. Berlinale Palast, 10 Uhr
 

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Rumänien verändert sich

Auf der Berlinale liegen langsam die Nerven blank – bei den Zuschauern im Saal und auf der Leinwand im rumänischen Wettbewerbsfilm "Kontinental ’25" des ehemaligen Bären-Gewinners Radu Jude. Es geht um Obdachlosigkeit und die Frage, wie lange man wegschauen kann.

Wenn viele Menschen auf engem Raum zusammen sind, kann es zu Aggressionen kommen. Das ist auch bei der Berlinale so. Kurz vor Beginn der Pressevorführung zum rumänischen Wettbewerbsfilm Kontinental ’25 fangen zwei Männer und eine Frau in der Sitzreihe vor mir lautstark an zu streiten. Die Frau hat bis eine Minute vor Filmstart einen der wenigen freien Plätze reserviert, das findet ein älterer Herr asozial. Unterstützt wird er von seinem Nachbarn, der die Frau schließlich anschreit: "Halt die Klappe!“ Die kontert scharf: "Ich habe nur gesagt, man soll freundlich sein.“ Freundlich ist vor allem der höfliche Kinoangestellte, der zum Frieden mahnt. 

Der Streit wirkt wie ein Intro zu Radu Judes Kontinental ’25. Es geht darin um Wohnungsmangel in einer rumänischen Stadt, in der ein Unternehmen mit Namen K.u.k. ein Luxushotel bauen will. Dazu muss ein Wohnhaus geräumt werden, in dessen Keller ein Mann lebt, der seinen Alltag als Pfandsammler bestreitet. Der Film folgt diesem Mann längere Zeit durch einen Wald, in dem sprechende Dinosaurier stehen, Relikte aus einem Vergnügungspark vielleicht. Sie reden mit sich selbst, wie auch der Mann mit sich selbst redet oder flucht, den Müll aufsammelt und in einen überdimensional großen Plastiksack stopft. Der Protagonist könnte auch ein Umweltschützer sein, der sich über die Achtlosigkeit von Spaziergängern erregt, weil diese in der Natur liegen lassen, was sie nicht mehr brauchen. 
Zurück im Heizungskeller klopft es plötzlich an der Tür: Die Gerichtsvollzieherin Orsolya (Eszter Tompa) steht mit einer Gruppe von Gendarmen davor, einen Räumungsbefehl in der Hand. Sie möchte, dass der Mann auszieht. Schon einmal habe sie die Frist aufgeschoben, aber nun gehe das nicht mehr, sie habe alles getan, was möglich gewesen sei, sogar einen Transporter für die Möbel organisiert. Und einen Platz im Heim. Der Mann gibt schließlich nach und erbittet sich Zeit fürs Packen. Während Orsolya auf einen Kaffee mit ihren Begleitern vor die Tür geht, erhängt sich der Mann mit einem Drahtseil an einer Heizung.

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Für die Gerichtsvollzieherin beginnt damit ein Kreuzweg. Sie will sich ihrer Schuld stellen ("Vor dem Gesetz bin ich nicht schuldig“, betont sie immer wieder), aber weiß nicht, wie. Die Familie schickt sie allein in den Urlaub, sie möchte ihr Leben ändern, und so beginnt Kontinental ’25 immer wieder von Neuem mit der schmerzhaften Selbstbefragung: Was hätte ich tun können? Orsolya erzählt ihre Geschichte der Mutter, dem Kollegen, ihrem Priester. Alle haben sie Sinnsprüche zur Hand, zitieren Martin Luther, Bert Brecht und Wim Wenders‘ Film Perfect Day.
Radu Jude erzählt all diese Begegnungen im Kontext seines sich verändernden Heimatlandes. Orsolyas ehemaliger Schüler Fred (sie war früher Lehrerin) trägt einen Fahrradkurier-Rucksack, auf dem steht: "Ich bin Rumäne." Damit, sagt er einmal, fühle er sich sicherer im Straßenverkehr, weil er nicht für einen Kurier aus Sri Lanka oder von den Philippinen gehalten werde, an denen die rumänischen Autofahrer ihren Hass ausließen. Eine Freundin gesteht Orsolya, sie hoffe insgeheim, dass der Obdachlose in ihrer Straße sterben würde. Dann würde sie nicht mehr vom Geruch seiner Exkremente gestört. 
Um Verdrängung, den Kampf um die Privilegien einer aufstrebenden Bürgerschicht und um Rassismus ging es schon in Radu Judes letztem Film Bad Luck Banging or Loony Porn, mit dem er 2021 den Goldenen Bären der Berlinale gewann. Vordergründig handelte der Film von einer Lehrerin, die wegen eines aus Versehen veröffentlichten Heimpornos mit ihrem Mann von der Schule verwiesen werden soll. Eigentlich aber geht es in Bad Luck Banging um die Beseitigung all dessen, was nicht zu neuen rumänischen Hochglanzfassaden passt. Damals streifte die Kamera durch ein gentrifiziertes Bukarest, jetzt sind wir in Siebenbürgen, in Cluj-Napoca, einer aufstrebenden Stadt, die "zu eng“ wird, wie es in Kontinental ’25 einmal heißt. Eine Retortensiedlung nach der anderen werde in ihrem Bezirk hochgezogen, klagt die Gerichtsvollzieherin eingangs.

Wo es eng wird für die, die schon da sind, wird der Druck größer auf die, die dazukommen. Oder kein Geld haben, um dabeizubleiben. Im Kinosaal gibt es am Ende wenig Applaus.

Weitere Vorführungen von "Kontinental ’25" auf der Berlinale:
21.02. Haus der Berliner Festspiele, 22.15 Uhr
23.02. Haus der Kulturen der Welt, 18.45 Uhr

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Die verlorenen Briefe

Zum Jahrestag des Anschlags von Hanau sind auf der Berlinale zwei Dokumentarfilme zu sehen: "Das deutsche Volk" und "Die Möllner Briefe" handeln von der völligen Empathielosigkeit deutscher Politiker und Behörden gegenüber den Hinterbliebenen.

Bis heute gibt es kein Mahnmal in Hanau für die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags vom 19. Februar 2020. Über den kalten Nichtumgang mit den Überlebenden erzählt Marcin Wierzchowski sehr sensibel in seinem Dokumentarfilm Das deutsche Volk. Fast 30 Jahre zuvor, nach dem rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992, hatten Hunderte Menschen aus ganz Deutschland Briefe des Beileids und der Solidarität an die Hinterbliebenen der drei getöteten Frauen und Kinder geschickt. Doch diese Briefe kamen nie bei der Familie Arslan an. Erst 27 Jahre später entdeckte sie eine Studentin zufällig im Stadtarchiv. In dem beeindruckenden Dokumentarfilm Die Möllner Briefe von Martina Priessner werden sie nun einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Lesen Sie hier die Rezension von Matthias Dell über Die Möllner Briefe und Das deutsche Volk.

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Flik-Flaks in den Trümmern 

"Yalla Parkour" ist ein berührender Film um junge Männer, die im Gaza der Zehnerjahre über die Trümmer der Stadt springen. Nach der Premiere sagt die Regisseurin, sie wollte einfach eine Geschichte erzählen, und trotzdem fallen ein KZ-Vergleich und der Begriff "Genozid".

"Ich möchte, dass es kein Drama gibt und dass alle über Filme sprechen“, hat die neue Festivalchefin Tricia Tuttle vor einer Woche dem RBB gesagt. Nur drängt sich das Drama immer wieder in den Vordergrund. Am Freitag erklärte Tilda Swinton, Preisträgerin des Ehrenbären, ihre Sympathie für den BDS, nach einer Rede des chinesischen Regisseurs Jun Li samt Völkermordvorwurf ermittelt seit Montag der Staatsschutz
Die Stimmung ist also erwartungsgemäß angespannt vor der Premiere des Dokumentarfilms Yalla Parkour, der von einer Gruppe junger Männer erzählt, die in Gaza die waghalsigsten Sprünge trainieren. Er freue sich auf einen "respektvollen Austausch" nach dem Film, betont Michael Stütz, Leiter der Panorama-Sektion, in derYalla Parkour läuft. Die Regisseurin Areeb Zuaiter hofft, man werde ihren Film "with an open mind and an open heart" ansehen. 
 
Yalla Parkour, gedreht 2015 und 2016 in Gaza, später auch in Schweden und den USA, ist eine filmische Unterhaltung zwischen der in den USA lebenden Regisseurin Zuaiter und Ahmed Matar, einem jungen Parkoursportler, der die Sprünge seiner Freunde auf Video festhält. Trotz der leicht plakativen Metapher funktioniert der Film über die Bilder. Die Aufnahmen sind beeindruckend, die jungen Männer, teils noch Kinder, jumpen leichtfüßig von Hauswand zu Hauswand, balancieren im Handstand auf den Balustraden von Hochhäusern, springen über Gräber, Ruinen, machen Flik-Flaks in den Trümmern von Flughäfen und Shoppingmalls.

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Der Film entstand über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren, der aktuelle Krieg in Gaza wird nicht abgebildet. 2014 nahm Zuaiter via Facebook Kontakt zu dem jungen Matar auf, seitdem hätten sie, so erzählt die Regisseurin im anschließenden Publikumsgespräch, teilweise täglich telefoniert. Die Gespräche sind der melancholische Subtext zu den waghalsigen Stunts, die die Jungs vor der Kamera aufnehmen. Zuaiter erzählt, wie sie auf der Suche nach dem glücklichen Lächeln ihrer verstorbenen Mutter sei. In der Diaspora (die Familie zog erst nach Saudi-Arabien, Zuaiter dann in den Libanon und später in die USA), sei dieses Lächeln nach und nach verschwunden. 
Dieses "Lächeln am Strand von Gaza", die Sehnsucht nach einer Heimat, steht im Kontrast zu dem drängenden Wunsch des jungen Sportlers, der nichts als weg will aus der Enge seiner Heimat. 2016 gelingt es Ahmed Matar, nach zahlreichen vergeblichen Versuchen doch ein Visum zu bekommen und nach Schweden zu reisen. Dort tritt er als Parkour-Artist auf und trainiert in einer gut ausgestatteten Turnhalle Kinder, die Gustav heißen. Zu den eindringlichsten Montagen des Films gehören die, in denen man sieht, wie auch in Ahmeds Augen das Funkeln erlischt, in denen auch er hin- und hergerissen wird zwischen der Sicherheit seines Lebens in Schweden und dem Wunsch, seine Familie und Freunde wiederzusehen.
Ahmed Matar und einige seiner ehemaligen Parkour-Freunde sind zur Berlinale gekommen. Es ist ein emotionaler Moment, als sie nach dem Film auf die Bühne treten – einige der Anwesenden habe sie noch nie vorher in Persona gesehen, sagt die Regisseurin. Die Zuschauer im Blue Man Theater wollen von Zuaiter wissen, warum sie gerade diese Sportart ausgewählt hat. Sie antwortet, das Streben nach Freiheit habe für sie im Zentrum gestanden. Parkour werde ja auch free running genannt. Aber das sei in Gaza nicht möglich. "Man nannte es ein Open-Air-Gefängnis, jetzt vielleicht sogar ein Konzentrationslager.” 

Daraufhin meldet sich ein weiterer Mann aus dem Publikum, er sagt, er fände es nicht ganz angebracht, hier in Deutschland von Konzentrationslagern zu sprechen. Außerdem möchte er wissen, warum die Regisseurin nicht die politischen Verantwortlichen in ihrem Film thematisiert habe. Sie habe "nur eine Geschichte erzählen wollen", antwortet Zuaiter auf die zweite Frage. Auf die Frage nach dem KZ-Vergleich geht sie nicht ein. 

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Später wird noch gefragt, wie viele der im Film Beteiligten inzwischen nicht mehr lebten – die Regisseurin nennt fünf Namen, die bis zum Beginn des Schnitts des Films im Jahr 2019 gestorben sind. Ahmed Matar erwähnt seinen besten Freund seit Kindertagen, der beim Versuch, verschüttete Menschen zu retten, bei einem Luftangriff vor einigen Jahren getötet worden sei. Matar spricht von "Genozid". 
Nach knapp einer halben Stunde gehen Zuschauer und Filmschaffende wieder auseinander. Was auf der Bühne passiert ist, korrespondiert nicht ganz mit Zuaiters Behauptung, nur eine Geschichte zu erzählen. Wieder wurde statt über eine Geschichte über einen Konflikt gesprochen, statt über Menschen über politische Fronten. Und es bleibt zu fürchten, dass wieder nicht mehr nur der Film zu den Zuschauerinnen und Zuschauern sprechen wird. 
 
Weitere Vorführungen von "Yalla Parkour“ auf der Berlinale
20.02. Cubix, 10.30 Uhr
21.02. Zoo Palast, 13 Uhr
22.02. Cubix, 10.30 Uhr

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Endlich mal Ruhe

Die große Hanna Schygulla spielt eine Wirtin auf einer Hallig. Und nimmt nicht nur im Film einen Gestrandeten auf, sondern auch die durchgeschüttelten Berlinale-Besucher.
An Tag acht der Berlinale geht nichts mehr. Die Augen sind schon viereckig, der Husten wird auch nicht besser. Jetzt streikt auch noch die BVG und morgens um 8.30 Uhr hat es minus 5 Grad am Potsdamer Platz. 
Der Film Yunan geht erstaunlicherweise noch, auch wenn die Beschreibung maximal deprimierend ist: Ein Schriftsteller im Exil fährt zum Sterben auf eine Hallig, doch dann trifft er Hanna Schygulla. Wenn einem ein Berlinale-Film schon mal ein Happy End in Aussicht stellt, muss man ihn natürlich unbedingt gucken. So wie man natürlich unbedingt jeden Film ansehen muss, in dem Hanna Schygulla mitspielt. 
Schygulla ist der Hafen eines Films. Sobald sie ins Bild kommt, scheint die Zeit anders zu laufen, hält das Geschehen um sie herum inne. In dem großartigen Poor Things von Giorgos Lanthimos etwa liegt Schygulla einfach nur auf einem Liegestuhl an Deck eines Schiffs. Aber in diesem Moment verblasst sogar die fantastische Hauptdarstellerin Emma Stone neben ihr.
In Yunan des Regisseurs Ameer Fakher Eldin ist Schygulla nun tatsächlich ein Hafen, ihre Figur Valeska betreibt eine Pension auf der Hallig Langeneß in der Nordsee. Angespült wird der Schriftsteller und Exilant Munir (Georges Khabbaz), der sich an diesem einsamen Ort erschießen will. Panikattacken treiben ihn um, er leidet unter Atemnot, vor allem, wenn Munir mit seiner Familie in der Heimat spricht. Wo diese liegt, wird nicht benannt, es ist aber klar, dass er nicht dorthin zurück kann.

"Ich bin eine Überlebende vieler Zeiten", sagt die 81-jährige Schauspielerin auf der Pressekonferenz der Berlinale. Als Kleinkind war Schygulla mit ihrer Mutter 1945 aus Oberschlesien nach München geflohen. Sie sei "sehr erschüttert vom Aufkommen des Nationalismus hier in Deutschland“, sagte Schygulla, die in Paris lebt. "Das ist hierzulande verbunden mit einer Katastrophe.“ 

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Ihre Filmfigur Valeska weist Munir erst ab ("man muss vorreservieren, so läuft das hier"), um ihm dann doch den Schlüssel für ihre heruntergekommene Ferienwohnung über den Tresen zu schieben. Schygulla zeigt in dieser Szene kein Mitleid, sondern Interesse an dem Fremden. Und öffnet damit eine Tür. Munir schafft es an diesem Abend nicht, seine Pistole abzufeuern, und als er am nächsten Tag nach einem Spaziergang zurückkommt, liegen da zwei Stückchen Schokolade auf der Bettdecke, und auf der Ablage des altmodischen Waschbeckens steht eine Flüssigseife mit buntem Blumenmuster. Winzig kleine Zeichen der Empathie, die eine große Wirkung entfalten. 
Auch beim Zuschauer löst Yunan etwas aus. Wenn man sieht, wie die Hallig von einer Sturmflut überschwemmt wird, und die Menschen auf den Warften ausharren, wird man auch selbst ein bisschen gelassener. Ein bissl was geht vielleicht doch noch.

Weitere Vorführungen von "Yunan":
21.02. Huas der Berliner Festspiele, 18 Uhr
23.02. Zoo Palast, 12.30 Uhr

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Wie läuft’s eigentlich im Wettbewerb?

Die Preise der 75. Berlinale werden am Samstag verliehen.
Katja Nicodemus verfolgt für DIE ZEIT und ZEIT ONLINE die Anwärter auf den Goldenen Bären des diesjährigen Festivals. Ihren Text über einige Highlights der ersten Festivalhälfte finden Sie hier.

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Braucht ihr noch was?

Ob roter Teppich oder Pressekonferenz: Die Berlinale ist ein Fashion-Debakel.
Sicher, wenn man zum ersten Mal auf der Berlinale ist, betrachtet man alles, nicht nur die Filme, mit offeneren, hoffnungsvollen Augen: die Zuschauer, die Stars, das Gewusel. Aber was müssen diese jungen Augen sehen? Genau, das Gleiche wie immer. Was in Berlin im Zweifel bedeutet: Alle sind grotesk schlecht angezogen.

Nach ein paar Tagen ist man dankbar, dass es Minusgrade hat und sibirische Eispeitschen zumindest eine glamourtödliche Kollision zwischen Birkenstock und rotem Teppich verhindern. Trug Timothée Chalamet nicht in Cannes noch einen schneidigen, taillierten, silber glänzenden Anzug? Und was bekommt Berlin – einen BVB-Pulli? Natürlich kann der BVB in seiner aktuellen Misere jede Unterstützung gebrauchen, nur – müssen Stars die casualness wirklich so aggressiv ausstellen? 

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Auf der Premiere tauchte Chalamet dann in einem Tanktop auf, das man natürlich mit "pretty in pink" untertiteln kann. Man kann auch "weißes Unterhemd, das mit roter Socke einen Waschgang teilte" sagen.

Ja, es ist Berlin, ja, es ist der Potsdamer Platz und ja, natürlich ist es schön, dass man zur Berlinale kommen kann, wie man will. 

Roch man am Eröffnungsabend noch Moschus und penetrantes Vanilleparfüm, müffeln die Kinosäle schon am nächsten Tag bei den Premieren. Überall latschen Sneaker über die Fantasie, es könnte sich hier um etwas Außergewöhnliches, das erstmalige Enthüllen eines Kunstwerks, eine Premiere handeln, bei der man zwei Reihen hinter Rose Byrne sitzt oder zehn Meter Luftlinie von Andrew Scott entfernt. Aber selbst Stars wie Jacob Elordi sehen aus, als würden sie im Anschluss noch kurz zu dm gehen, "nur schnell Snacks und Klopapier holen" und über den roten Teppich rufen: Braucht ihr noch was?

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Immerhin einer hat das Potsdamer-Platz-Prinzip perfektioniert: Wenn schon Berlin, dann bitte richtig: knallig, mit einem Hauch Grotesque und Leopardenprint. Auf Ethan Hawke ist Verlass.

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Reden wir über Geld

Wissen Sie noch, Cum-Ex? Eine ZDF-Serie zeigt den großen Finanzbetrug auf der Berlinale als routiniert überdrehte Komödie.
"2008 wird ein fantastisches Jahr für die Finanzmärkte", sagt ein Schweizer Banker in der zweiten Folge von Other People’s Money während eines Meetings. "Absolut", antwortet der deutsche Börsenanwalt Bernd Hausner (Justus von Dohnányi). Die Männer haben recht: Die Krise, die sich zum Zeitpunkt ihres Treffens bereits über der Finanzwelt zusammenbraut, ist für sie vor allem eine Chance. Es geht nur darum, den passenden Beschiss zu finden und sich dann durch die richtigen rechtlichen Schlupflöcher zu zwängen.

Die Affäre Cum-Ex lautet der Untertitel der Serie von Jan Schomburg, sie folgt den weitgehend wahren Begebenheiten um den wohl größten Steuerbetrug der Geschichte. Hausner und sein junger Kollege Sven Lebert (Nils Strunk) fädeln diesen Betrug ein und verdienen durch den Leerverkauf von Aktien und die doppelte Erstattung von Kapitalertragsteuern Millionen für sich selbst und Milliarden für allerlei Investoren. Die dänische Steuerfahndung kommt dem Betrug als Erstes auf die Spur, erweist sich jedoch als hoffnungslos unterbesetzter und -motivierter Gegner der Banken.

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Die Annahme, dass Geschichten aus dem Finanzwesen schwer ins Kino oder Fernsehen zu bringen wären, hat natürlich noch nie gestimmt. Wall Street, The Wolf of Wall Street, The Big Short und auch die deutsche Serie King of Stonks belegen unter anderem das Gegenteil. Kaum ein Stoff könnte aufregender sein, kein Milieu drängt sich energischer für satirische Abhandlungen auf. Das sieht Jan Schomburg offenbar genauso. Er inszeniert Other People’s Money nicht mit Empörung, sondern als überdrehte Komödie. Seine Banker bauen sich eigene Autowaschanlagen auf ihre Wochenendgrundstücke und reden in zunehmend absurden Gleichnissen über ihren Job. Die Leute von der Steuerbehörde müssen sich im Verlauf ihrer Ermittlungen mit eigenen moralischen Grenzen beschäftigen.

Vorwerfen kann man Other People’s Money nur, dass es sich nicht von den genannten Vorbildern abhebt, nicht nach einer eigenen Sprache für seine Geschichte sucht. Die Scheinheiligkeit der deutschen Anwälte und ihrer internationalen Kollegen, das Pullunderhafte der dänischen Ermittler, selbst die enttäuschten Kleinsparer-Eltern, die Sven Lebert zu Hause sitzen hat: All das kommt einem natürlich aus guten Gründen bekannt vor und greift in Other People’s Money routiniert ineinander. Trotzdem hofft man nach den ersten vier auf der Berlinale gezeigten Folgen, dass in den verbleibenden vier Episoden auch noch größere Überraschungen auf das Publikum warten.

Weitere Vorführung von "Other People’s Money" auf der Berlinale:
21.02. Cubix 7, 21.15 Uhr

Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Serie außerdem im ZDF zu sehen sein.

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Die "Super-Agentinnen"

Eine fünfeinhalbstündige Dokumentation My undesirable Friends – Part I – Last Air in Moscow erzählt von Kampf um unabhängigen Journalismus in Russland. Die Filmemacherin Julia Loktev begleitete mehrere Journalistinnen von Oktober 2021 bis zum 2. März 2022. Infolge der Invasion Russlands auf die Ukraine mussten die meisten von ihnen das Land verlassen. Lesen Sie hier die Rezension von Matthias Dell:

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Ein anderer Ton

Applaus für einen Vogel, versöhnliche Worte auf der Bühne und ein Drink bei Olaf Scholz als Highlight des Jurypräsidenten: Die 75. Berlinale ist zu Ende gegangen.

Am Schluss machte sich bei vielen im Saal Erleichterung breit: Die Preisverleihung der 75. Berlinale war friedlich und ohne Ausfälle zu Ende gegangen. Den Goldenen Bären erhielt der norwegische Film Drømmer (Dreams), eine Coming-of-Age-Geschichte über eine 17-Jährige, die sich in ihre Lehrerin verliebt. Die beiden anderen Hauptpreise gingen an den brasilianischen Film O último azul (Großer Preis der Jury), der vom Aufbegehren einer alten Frau erzählt, und El Mensaje (Preis der Jury) über ein Mädchen, das angeblich mit Tieren sprechen kann und mit seien Pflegeeltern die argentinische Provinz durchquert.
Als bester Dokumentarfilm wurde Holding Liat ausgezeichnet, eine Innenansicht der israelischen Familie Beinin, deren Tochter Liat am 7. Oktober von der Hamas aus ihrem Kibbuz entführt worden war. Die Geschichte sei "ein seltenes Fenster in die Seele einer Familie, die mit ihren Konflikten zu kämpfen haben“, sagte der Regisseur Brandon Kramer. Einer Familie, "die für die Freilassung ihrer geliebten Menschen kämpft und gleichzeitig auf eine friedliche Zukunft für Palästinenser und Israelis hofft.“ Solche Einsichten seien wichtiger denn je, sagte der Filmemacher.  
Es ist ein anderer Ton als bei der Abschlussveranstaltung im Vorjahr, als der Berlinale Antisemitismus vorgeworfen wurde. Auf der Bühne hatten damals einzelne Preisträger auf der Bühne das Vorgehen Israels im Gaza-Streifen massiv kritisiert, ohne den Terrorangriff der Hamas vom Oktober 2023 zu erwähnen.

Während des Festivals war es allerdings auch zu israelkritischen Äußerungen gekommen: Tilda Swinton, Preisträgerin des Ehrenbären, erklärte auf einer Pressekonferenz ihre Sympathie für den BDS, der chinesische Regisseur Jun Li verlas nach der Premiere seines Films Queerpanorama eine Rede des Schauspielers Erfan Shekarriz, in der dieser unter anderem der deutschen Regierung und ihren Kulturinstitutionen, einschließlich der Berlinale, vorwarf, sie leisteten ihren Beitrag zum Völkermord am palästinensischen Volk. Zudem fiel die Parole From the river to the sea. Die Leitung des Festivals distanzierte sich recht deutlich von dieser Äußerung: "Die Berlinale wendet sich klar gegen Antisemitismus und jede andere Form der Diskriminierung". Man wolle einen "offenes, aber respektvolles Umfeld“ schaffen. Das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen, überschreite aber "in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie."

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In wohl kaum einem Jahr war das Festival so begleitet von den weltpolitischen Großlagen wie in dieser 75. Ausgabe: Die desaströsen Pläne von US-Präsident Donald Trump für den Gaza-Streifen und die Ukraine, die bevorstehende Bundestagswahl und die Anschläge, die während Festivals Deutschland erschütterten.
Am Eröffnungstag am 13. Februar war ein 24-jähriger Afghane in München mit seinem Auto in einen Demonstrationszug der Gewerkschaft verd.di gefahren und hatte zwei Menschen getötet. Am Abend vor der Preisverleihung stach ein ein 19-jähriger syrischer Flüchtling am Holocaust-Mahnmal in Berlin auf einen 30-jährigen spanischen Touristen ein. Die Ermittlungen weisen darauf hin, dass der Mann gezielt jüdische Menschen töten wollte. 
Das Publikum möge sich des schwer verletzten Mannes erinnern, sagte Désirée Nosbusch, die Moderatorin der Abschlussgala, zu Beginn des Abends. Und fügte hinzu, es sei manchmal schwer, "die Kurve zu kriegen“ auf der Bühne einer Preisverleihung.
Es wurde dann aber erst einmal sehr heiter, der erste Preisträger, Quenton Miller, widmete den Preis für den besten Kurzfilm Ciao, Koki seinem Protagonisten – einem Papagei. Der habe mit ihm das Drehbuch "geschrieben“ und reagiere sehr intensiv auf visuelle Reize. Daher solle das Publikum dem Tier doch bitte einen extra Applaus geben, er werde es ihm auf seinem Handy vorspielen. 
Die Hauptpreise verlieh die Internationale Jury unter der Leitung des US-amerikanischen Regisseur Todd Haynes. Gefragt, welches sein Berlinale-Moment gewesen sei, erzählte Haynes von einem Drink im Büro von Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Blick auf die Stadt Berlin, die sich "neu erfinden musste, und zwar radikaler als jede andere auf der Welt“, habe ihn und die anderen Jury-Mitglieder tief bewegt. 

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Am politischsten wurde an diesem Abend der rumänische Filmemacher Radu Jude "Ich hoffe, dass es mehr Solidarität in Europa geben wird, wo wir so viel Druck von allen Seiten erleben“, sagte der Preisträger des Drehbuchpreises für Kontinental ’25. "Und ich hoffe, dass der Internationale Strafgerichtshof seine Arbeit machen wird gegen all diese mordenden Bastarde.“ Wen er damit meinte, führte er nicht aus. In den vergangenen zwei Jahren hatte der IStGH Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin, wie auch gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den Hamas-Führer Mohammed Deif erlassen. Radu Jude verabschiedete sich von der Bühne mit einem Hinweis auf die Bundestagswahl am Sonntag. Er hoffe, dass das nächste Festival "nicht mit Triumph des Willens von Leni Riefenstahl eröffnet wird“.
Die Festivalchefin Tricia Tuttle hielt sich an dem Abend dagegen kurz, dankte den Sponsoren, nannte ihre Teammitglieder "Superstars“, freute sich über "330.000 verkaufte Tickets“. Hier hätte man sich vielleicht etwas mehr gewünscht, einen größeren thematischen Bogen, oder auch einfach eine persönliche Bilanz als neuen Leiterin. Aber vielleicht hatte Tuttle das schon zu Beginn des Abends getan, als sie gefragt wurde, wie sie sich nach zehn Tagen Festival fühle: "Großartig. Erschöpft."

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Carolin Ströbele
Ein anderer Ton

Applaus für einen Vogel, versöhnliche Worte auf der Bühne und ein Drink bei Olaf Scholz als Highlight des Jurypräsidenten: Die 75. Berlinale ist zu Ende gegangen.Am Schluss machte sich bei vielen im Saal Erleichterung breit: Die Preisverleihung der 75. Berlinale war friedlich und ohne Ausfälle zu Ende gegangen. Den Goldenen Bären erhielt der norwegische Film Drømmer (Dreams), eine Coming-of-Age-Geschichte über eine 17-Jährige, die sich in ihre Lehrerin verliebt. Die beiden anderen Hauptpreise gingen an den brasilianischen Film O último azul (Großer Preis der Jury), der vom Aufbegehren einer alten Frau erzählt, und El Mensaje (Preis der Jury) über ein Mädchen, das angeblich mit Tieren sprechen kann und mit seien Pflegeeltern die argentinische Provinz durchquert.
Als bester Dokumentarfilm wurde Holding Liat ausgezeichnet, eine Innenansicht der israelischen Familie Beinin, deren Tochter Liat am 7. Oktober von der Hamas aus ihrem Kibbuz entführt worden war. Die Geschichte sei „ein seltenes Fenster in die Seele einer Familie, die mit ihren Konflikten zu kämpfen haben“, sagte der Regisseur Brandon Kramer. Einer Familie, „die für die Freilassung ihrer geliebten Menschen kämpft und gleichzeitig auf eine friedliche Zukunft für Palästinenser und Israelis hofft.“ Solche Einsichten seien wichtiger denn je, sagte der Filmemacher.  
Es ist ein anderer Ton als bei der Abschlussveranstaltung im Vorjahr, als der Berlinale Antisemitismus vorgeworfen wurde. Auf der Bühne hatten damals einzelne Preisträger auf der Bühne das Vorgehen Israels im Gaza-Streifen massiv kritisiert, ohne den Terrorangriff der Hamas vom Oktober 2023 zu erwähnen.

Während des Festivals war es allerdings auch zu israelkritischen Äußerungen gekommen: Tilda Swinton, Preisträgerin des Ehrenbären, erklärte auf einer Pressekonferenz ihre Sympathie für den BDS, der chinesische Regisseur Jun Li verlas nach der Premiere seines Films Queerpanorama eine Rede des Schauspielers Erfan Shekarriz, in der dieser unter anderem der deutschen Regierung und ihren Kulturinstitutionen, einschließlich der Berlinale, vorwarf, sie leisteten ihren Beitrag zum Völkermord am palästinensischen Volk. Zudem fiel die Parole From the river to the sea. Die Leitung des Festivals distanzierte sich recht deutlich von dieser Äußerung: „Die Berlinale wendet sich klar gegen Antisemitismus und jede andere Form der Diskriminierung“. Man wolle einen „offenes, aber respektvolles Umfeld“ schaffen. Das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen, überschreite aber „in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie.“

Sein bester Berlinale-Moment? Ein Drink bei Olaf Scholz: Jurypräsident Todd Haynes und die Moderatorin Désirée Nosbusch . Andreas Rentz/Getty Images
In wohl kaum einem Jahr war das Festival so begleitet von den weltpolitischen Großlagen wie in dieser 75. Ausgabe: Die desaströsen Pläne von US-Präsident Donald Trump für den Gaza-Streifen und die Ukraine, die bevorstehende Bundestagswahl und die Anschläge, die während Festivals Deutschland erschütterten.
Am Eröffnungstag am 13. Februar war ein 24-jähriger Afghane in München mit seinem Auto in einen Demonstrationszug der Gewerkschaft verd.di gefahren und hatte zwei Menschen getötet. Am Abend vor der Preisverleihung stach ein ein 19-jähriger syrischer Flüchtling am Holocaust-Mahnmal in Berlin auf einen 30-jährigen spanischen Touristen ein. Die Ermittlungen weisen darauf hin, dass der Mann gezielt jüdische Menschen töten wollte. 
Das Publikum möge sich des schwer verletzten Mannes erinnern, sagte Désirée Nosbusch, die Moderatorin der Abschlussgala, zu Beginn des Abends. Und fügte hinzu, es sei manchmal schwer, „die Kurve zu kriegen“ auf der Bühne einer Preisverleihung.
Es wurde dann aber erst einmal sehr heiter, der erste Preisträger, Quenton Miller, widmete den Preis für den besten Kurzfilm Ciao, Koki seinem Protagonisten – einem Papagei. Der habe mit ihm das Drehbuch „geschrieben“ und reagiere sehr intensiv auf visuelle Reize. Daher solle das Publikum dem Tier doch bitte einen extra Applaus geben, er werde es ihm auf seinem Handy vorspielen. 
Die Hauptpreise verlieh die Internationale Jury unter der Leitung des US-amerikanischen Regisseur Todd Haynes. Gefragt, welches sein Berlinale-Moment gewesen sei, erzählte Haynes von einem Drink im Büro von Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Blick auf die Stadt Berlin, die sich „neu erfinden musste, und zwar radikaler als jede andere auf der Welt“, habe ihn und die anderen Jury-Mitglieder tief bewegt. 
„So viel Druck von allen Seiten“: der rumänische Filmemacher Radu Jude . Andreas Rentz/Getty Images
Am politischsten wurde an diesem Abend der rumänische Filmemacher Radu Jude „Ich hoffe, dass es mehr Solidarität in Europa geben wird, wo wir so viel Druck von allen Seiten erleben“, sagte der Preisträger des Drehbuchpreises für Kontinental ’25. „Und ich hoffe, dass der Internationale Strafgerichtshof seine Arbeit machen wird gegen all diese mordenden Bastarde.“ Wen er damit meinte, führte er nicht aus. In den vergangenen zwei Jahren hatte der IStGH Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin, wie auch gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den Hamas-Führer Mohammed Deif erlassen. Radu Jude verabschiedete sich von der Bühne mit einem Hinweis auf die Bundestagswahl am Sonntag. Er hoffe, dass das nächste Festival „nicht mit Triumph des Willens von Leni Riefenstahl eröffnet wird“.
Die Festivalchefin Tricia Tuttle hielt sich an dem Abend dagegen kurz, dankte den Sponsoren, nannte ihre Teammitglieder „Superstars“, freute sich über „330.000 verkaufte Tickets“. Hier hätte man sich vielleicht etwas mehr gewünscht, einen größeren thematischen Bogen, oder auch einfach eine persönliche Bilanz als neuen Leiterin. Aber vielleicht hatte Tuttle das schon zu Beginn des Abends getan, als sie gefragt wurde, wie sie sich nach zehn Tagen Festival fühle: „Großartig. Erschöpft.“

Carolin Ströbele

Die „Super-Agentinnen“

Eine fünfeinhalbstündige Dokumentation My undesirable Friends – Part I – Last Air in Moscow erzählt von Kampf um unabhängigen Journalismus in Russland. Die Filmemacherin Julia Loktev begleitete mehrere Journalistinnen von Oktober 2021 bis zum 2. März 2022. Infolge der Invasion Russlands auf die Ukraine mussten die meisten von ihnen das Land verlassen. Lesen Sie hier die Rezension von Matthias Dell:

Daniel Gerhardt

Reden wir über Geld

Wissen Sie noch, Cum-Ex? Eine ZDF-Serie zeigt den großen Finanzbetrug auf der Berlinale als routiniert überdrehte Komödie.
„2008 wird ein fantastisches Jahr für die Finanzmärkte“, sagt ein Schweizer Banker in der zweiten Folge von Other People’s Money während eines Meetings. „Absolut“, antwortet der deutsche Börsenanwalt Bernd Hausner (Justus von Dohnányi). Die Männer haben recht: Die Krise, die sich zum Zeitpunkt ihres Treffens bereits über der Finanzwelt zusammenbraut, ist für sie vor allem eine Chance. Es geht nur darum, den passenden Beschiss zu finden und sich dann durch die richtigen rechtlichen Schlupflöcher zu zwängen.

Die Affäre Cum-Ex lautet der Untertitel der Serie von Jan Schomburg, sie folgt den weitgehend wahren Begebenheiten um den wohl größten Steuerbetrug der Geschichte. Hausner und sein junger Kollege Sven Lebert (Nils Strunk) fädeln diesen Betrug ein und verdienen durch den Leerverkauf von Aktien und die doppelte Erstattung von Kapitalertragsteuern Millionen für sich selbst und Milliarden für allerlei Investoren. Die dänische Steuerfahndung kommt dem Betrug als Erstes auf die Spur, erweist sich jedoch als hoffnungslos unterbesetzter und -motivierter Gegner der Banken.

Inger Brøgger (Karen-Lise Mynster) von der Steuerbehörde trifft sich mit einem Journalisten (Thomas Hwan). X Filme Creative Pool GmbH / True Content Entertainment ApS / EPO-Film / ZDF / DR / Petro Domenigg
Die Annahme, dass Geschichten aus dem Finanzwesen schwer ins Kino oder Fernsehen zu bringen wären, hat natürlich noch nie gestimmt. Wall Street, The Wolf of Wall Street, The Big Short und auch die deutsche Serie King of Stonks belegen unter anderem das Gegenteil. Kaum ein Stoff könnte aufregender sein, kein Milieu drängt sich energischer für satirische Abhandlungen auf. Das sieht Jan Schomburg offenbar genauso. Er inszeniert Other People’s Money nicht mit Empörung, sondern als überdrehte Komödie. Seine Banker bauen sich eigene Autowaschanlagen auf ihre Wochenendgrundstücke und reden in zunehmend absurden Gleichnissen über ihren Job. Die Leute von der Steuerbehörde müssen sich im Verlauf ihrer Ermittlungen mit eigenen moralischen Grenzen beschäftigen.

Vorwerfen kann man Other People’s Money nur, dass es sich nicht von den genannten Vorbildern abhebt, nicht nach einer eigenen Sprache für seine Geschichte sucht. Die Scheinheiligkeit der deutschen Anwälte und ihrer internationalen Kollegen, das Pullunderhafte der dänischen Ermittler, selbst die enttäuschten Kleinsparer-Eltern, die Sven Lebert zu Hause sitzen hat: All das kommt einem natürlich aus guten Gründen bekannt vor und greift in Other People’s Money routiniert ineinander. Trotzdem hofft man nach den ersten vier auf der Berlinale gezeigten Folgen, dass in den verbleibenden vier Episoden auch noch größere Überraschungen auf das Publikum warten.

Weitere Vorführung von „Other People’s Money“ auf der Berlinale:
21.02. Cubix 7, 21.15 Uhr

Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Serie außerdem im ZDF zu sehen sein.

Carolin Ströbele

Endlich mal Ruhe

Die große Hanna Schygulla spielt eine Wirtin auf einer Hallig. Und nimmt nicht nur im Film einen Gestrandeten auf, sondern auch die durchgeschüttelten Berlinale-Besucher.
An Tag acht der Berlinale geht nichts mehr. Die Augen sind schon viereckig, der Husten wird auch nicht besser. Jetzt streikt auch noch die BVG und morgens um 8.30 Uhr hat es minus 5 Grad am Potsdamer Platz. 
Der Film Yunan geht erstaunlicherweise noch, auch wenn die Beschreibung maximal deprimierend ist: Ein Schriftsteller im Exil fährt zum Sterben auf eine Hallig, doch dann trifft er Hanna Schygulla. Wenn einem ein Berlinale-Film schon mal ein Happy End in Aussicht stellt, muss man ihn natürlich unbedingt gucken. So wie man natürlich unbedingt jeden Film ansehen muss, in dem Hanna Schygulla mitspielt. 
Schygulla ist der Hafen eines Films. Sobald sie ins Bild kommt, scheint die Zeit anders zu laufen, hält das Geschehen um sie herum inne. In dem großartigen Poor Things von Giorgos Lanthimos etwa liegt Schygulla einfach nur auf einem Liegestuhl an Deck eines Schiffs. Aber in diesem Moment verblasst sogar die fantastische Hauptdarstellerin Emma Stone neben ihr.
In Yunan des Regisseurs Ameer Fakher Eldin ist Schygulla nun tatsächlich ein Hafen, ihre Figur Valeska betreibt eine Pension auf der Hallig Langeneß in der Nordsee. Angespült wird der Schriftsteller und Exilant Munir (Georges Khabbaz), der sich an diesem einsamen Ort erschießen will. Panikattacken treiben ihn um, er leidet unter Atemnot, vor allem, wenn Munir mit seiner Familie in der Heimat spricht. Wo diese liegt, wird nicht benannt, es ist aber klar, dass er nicht dorthin zurück kann.

„Ich bin eine Überlebende vieler Zeiten“, sagt die 81-jährige Schauspielerin auf der Pressekonferenz der Berlinale. Als Kleinkind war Schygulla mit ihrer Mutter 1945 aus Oberschlesien nach München geflohen. Sie sei „sehr erschüttert vom Aufkommen des Nationalismus hier in Deutschland“, sagte Schygulla, die in Paris lebt. „Das ist hierzulande verbunden mit einer Katastrophe.“ 

Munir (Georges Khabbaz) und Valeska (Hanna Schygulla) in „Yunan“. 2025 Red Balloon Film, Productions Microclimat, Intramovies
Ihre Filmfigur Valeska weist Munir erst ab („man muss vorreservieren, so läuft das hier“), um ihm dann doch den Schlüssel für ihre heruntergekommene Ferienwohnung über den Tresen zu schieben. Schygulla zeigt in dieser Szene kein Mitleid, sondern Interesse an dem Fremden. Und öffnet damit eine Tür. Munir schafft es an diesem Abend nicht, seine Pistole abzufeuern, und als er am nächsten Tag nach einem Spaziergang zurückkommt, liegen da zwei Stückchen Schokolade auf der Bettdecke, und auf der Ablage des altmodischen Waschbeckens steht eine Flüssigseife mit buntem Blumenmuster. Winzig kleine Zeichen der Empathie, die eine große Wirkung entfalten. 
Auch beim Zuschauer löst Yunan etwas aus. Wenn man sieht, wie die Hallig von einer Sturmflut überschwemmt wird, und die Menschen auf den Warften ausharren, wird man auch selbst ein bisschen gelassener. Ein bissl was geht vielleicht doch noch.

Weitere Vorführungen von „Yunan“:
21.02. Huas der Berliner Festspiele, 18 Uhr
23.02. Zoo Palast, 12.30 Uhr

Marlene Knobloch

Braucht ihr noch was?

Ob roter Teppich oder Pressekonferenz: Die Berlinale ist ein Fashion-Debakel.
Sicher, wenn man zum ersten Mal auf der Berlinale ist, betrachtet man alles, nicht nur die Filme, mit offeneren, hoffnungsvollen Augen: die Zuschauer, die Stars, das Gewusel. Aber was müssen diese jungen Augen sehen? Genau, das Gleiche wie immer. Was in Berlin im Zweifel bedeutet: Alle sind grotesk schlecht angezogen.

Nach ein paar Tagen ist man dankbar, dass es Minusgrade hat und sibirische Eispeitschen zumindest eine glamourtödliche Kollision zwischen Birkenstock und rotem Teppich verhindern. Trug Timothée Chalamet nicht in Cannes noch einen schneidigen, taillierten, silber glänzenden Anzug? Und was bekommt Berlin – einen BVB-Pulli? Natürlich kann der BVB in seiner aktuellen Misere jede Unterstützung gebrauchen, nur – müssen Stars die casualness wirklich so aggressiv ausstellen? 

Getty Images
Auf der Premiere tauchte Chalamet dann in einem Tanktop auf, das man natürlich mit „pretty in pink“ untertiteln kann. Man kann auch „weißes Unterhemd, das mit roter Socke einen Waschgang teilte“ sagen.

Ja, es ist Berlin, ja, es ist der Potsdamer Platz und ja, natürlich ist es schön, dass man zur Berlinale kommen kann, wie man will. 

Roch man am Eröffnungsabend noch Moschus und penetrantes Vanilleparfüm, müffeln die Kinosäle schon am nächsten Tag bei den Premieren. Überall latschen Sneaker über die Fantasie, es könnte sich hier um etwas Außergewöhnliches, das erstmalige Enthüllen eines Kunstwerks, eine Premiere handeln, bei der man zwei Reihen hinter Rose Byrne sitzt oder zehn Meter Luftlinie von Andrew Scott entfernt. Aber selbst Stars wie Jacob Elordi sehen aus, als würden sie im Anschluss noch kurz zu dm gehen, „nur schnell Snacks und Klopapier holen“ und über den roten Teppich rufen: Braucht ihr noch was?

Reuters (links)/Getty Images
Immerhin einer hat das Potsdamer-Platz-Prinzip perfektioniert: Wenn schon Berlin, dann bitte richtig: knallig, mit einem Hauch Grotesque und Leopardenprint. Auf Ethan Hawke ist Verlass.
Reuters

Carolin Ströbele

Rumänien verändert sich

Auf der Berlinale liegen langsam die Nerven blank – bei den Zuschauern im Saal und auf der Leinwand im rumänischen Wettbewerbsfilm „Kontinental ’25“ des ehemaligen Bären-Gewinners Radu Jude. Es geht um Obdachlosigkeit und die Frage, wie lange man wegschauen kann.

Wenn viele Menschen auf engem Raum zusammen sind, kann es zu Aggressionen kommen. Das ist auch bei der Berlinale so. Kurz vor Beginn der Pressevorführung zum rumänischen Wettbewerbsfilm Kontinental ’25 fangen zwei Männer und eine Frau in der Sitzreihe vor mir lautstark an zu streiten. Die Frau hat bis eine Minute vor Filmstart einen der wenigen freien Plätze reserviert, das findet ein älterer Herr asozial. Unterstützt wird er von seinem Nachbarn, der die Frau schließlich anschreit: „Halt die Klappe!“ Die kontert scharf: „Ich habe nur gesagt, man soll freundlich sein.“ Freundlich ist vor allem der höfliche Kinoangestellte, der zum Frieden mahnt. 

Der Streit wirkt wie ein Intro zu Radu Judes Kontinental ’25. Es geht darin um Wohnungsmangel in einer rumänischen Stadt, in der ein Unternehmen mit Namen K.u.k. ein Luxushotel bauen will. Dazu muss ein Wohnhaus geräumt werden, in dessen Keller ein Mann lebt, der seinen Alltag als Pfandsammler bestreitet. Der Film folgt diesem Mann längere Zeit durch einen Wald, in dem sprechende Dinosaurier stehen, Relikte aus einem Vergnügungspark vielleicht. Sie reden mit sich selbst, wie auch der Mann mit sich selbst redet oder flucht, den Müll aufsammelt und in einen überdimensional großen Plastiksack stopft. Der Protagonist könnte auch ein Umweltschützer sein, der sich über die Achtlosigkeit von Spaziergängern erregt, weil diese in der Natur liegen lassen, was sie nicht mehr brauchen. 
Zurück im Heizungskeller klopft es plötzlich an der Tür: Die Gerichtsvollzieherin Orsolya (Eszter Tompa) steht mit einer Gruppe von Gendarmen davor, einen Räumungsbefehl in der Hand. Sie möchte, dass der Mann auszieht. Schon einmal habe sie die Frist aufgeschoben, aber nun gehe das nicht mehr, sie habe alles getan, was möglich gewesen sei, sogar einen Transporter für die Möbel organisiert. Und einen Platz im Heim. Der Mann gibt schließlich nach und erbittet sich Zeit fürs Packen. Während Orsolya auf einen Kaffee mit ihren Begleitern vor die Tür geht, erhängt sich der Mann mit einem Drahtseil an einer Heizung.
Eszter Tompa als schuldbeladene Gerichtsvollzieherin Orsolya. Raluca Munteanu
Für die Gerichtsvollzieherin beginnt damit ein Kreuzweg. Sie will sich ihrer Schuld stellen („Vor dem Gesetz bin ich nicht schuldig“, betont sie immer wieder), aber weiß nicht, wie. Die Familie schickt sie allein in den Urlaub, sie möchte ihr Leben ändern, und so beginnt Kontinental ’25 immer wieder von Neuem mit der schmerzhaften Selbstbefragung: Was hätte ich tun können? Orsolya erzählt ihre Geschichte der Mutter, dem Kollegen, ihrem Priester. Alle haben sie Sinnsprüche zur Hand, zitieren Martin Luther, Bert Brecht und Wim Wenders‘ Film Perfect Day.
Radu Jude erzählt all diese Begegnungen im Kontext seines sich verändernden Heimatlandes. Orsolyas ehemaliger Schüler Fred (sie war früher Lehrerin) trägt einen Fahrradkurier-Rucksack, auf dem steht: „Ich bin Rumäne.“ Damit, sagt er einmal, fühle er sich sicherer im Straßenverkehr, weil er nicht für einen Kurier aus Sri Lanka oder von den Philippinen gehalten werde, an denen die rumänischen Autofahrer ihren Hass ausließen. Eine Freundin gesteht Orsolya, sie hoffe insgeheim, dass der Obdachlose in ihrer Straße sterben würde. Dann würde sie nicht mehr vom Geruch seiner Exkremente gestört. 
Um Verdrängung, den Kampf um die Privilegien einer aufstrebenden Bürgerschicht und um Rassismus ging es schon in Radu Judes letztem Film Bad Luck Banging or Loony Porn, mit dem er 2021 den Goldenen Bären der Berlinale gewann. Vordergründig handelte der Film von einer Lehrerin, die wegen eines aus Versehen veröffentlichten Heimpornos mit ihrem Mann von der Schule verwiesen werden soll. Eigentlich aber geht es in Bad Luck Banging um die Beseitigung all dessen, was nicht zu neuen rumänischen Hochglanzfassaden passt. Damals streifte die Kamera durch ein gentrifiziertes Bukarest, jetzt sind wir in Siebenbürgen, in Cluj-Napoca, einer aufstrebenden Stadt, die „zu eng“ wird, wie es in Kontinental ’25 einmal heißt. Eine Retortensiedlung nach der anderen werde in ihrem Bezirk hochgezogen, klagt die Gerichtsvollzieherin eingangs.

Wo es eng wird für die, die schon da sind, wird der Druck größer auf die, die dazukommen. Oder kein Geld haben, um dabeizubleiben. Im Kinosaal gibt es am Ende wenig Applaus.

Weitere Vorführungen von „Kontinental ’25“ auf der Berlinale:
21.02. Haus der Berliner Festspiele, 22.15 Uhr
23.02. Haus der Kulturen der Welt, 18.45 Uhr

Daniel Gerhardt

Wie läuft’s eigentlich im Wettbewerb?

Die Preise der 75. Berlinale werden am Samstag verliehen.
Katja Nicodemus verfolgt für DIE ZEIT und ZEIT ONLINE die Anwärter auf den Goldenen Bären des diesjährigen Festivals. Ihren Text über einige Highlights der ersten Festivalhälfte finden Sie hier.

Carolin Ströbele

Flik-Flaks in den Trümmern 

„Yalla Parkour“ ist ein berührender Film um junge Männer, die im Gaza der Zehnerjahre über die Trümmer der Stadt springen. Nach der Premiere sagt die Regisseurin, sie wollte einfach eine Geschichte erzählen, und trotzdem fallen ein KZ-Vergleich und der Begriff „Genozid“.„Ich möchte, dass es kein Drama gibt und dass alle über Filme sprechen“, hat die neue Festivalchefin Tricia Tuttle vor einer Woche dem RBB gesagt. Nur drängt sich das Drama immer wieder in den Vordergrund. Am Freitag erklärte Tilda Swinton, Preisträgerin des Ehrenbären, ihre Sympathie für den BDS, nach einer Rede des chinesischen Regisseurs Jun Li samt Völkermordvorwurf ermittelt seit Montag der Staatsschutz
Die Stimmung ist also erwartungsgemäß angespannt vor der Premiere des Dokumentarfilms Yalla Parkour, der von einer Gruppe junger Männer erzählt, die in Gaza die waghalsigsten Sprünge trainieren. Er freue sich auf einen „respektvollen Austausch“ nach dem Film, betont Michael Stütz, Leiter der Panorama-Sektion, in derYalla Parkour läuft. Die Regisseurin Areeb Zuaiter hofft, man werde ihren Film „with an open mind and an open heart“ ansehen. 
 
Yalla Parkour, gedreht 2015 und 2016 in Gaza, später auch in Schweden und den USA, ist eine filmische Unterhaltung zwischen der in den USA lebenden Regisseurin Zuaiter und Ahmed Matar, einem jungen Parkoursportler, der die Sprünge seiner Freunde auf Video festhält. Trotz der leicht plakativen Metapher funktioniert der Film über die Bilder. Die Aufnahmen sind beeindruckend, die jungen Männer, teils noch Kinder, jumpen leichtfüßig von Hauswand zu Hauswand, balancieren im Handstand auf den Balustraden von Hochhäusern, springen über Gräber, Ruinen, machen Flik-Flaks in den Trümmern von Flughäfen und Shoppingmalls.
Ein Handstand auf dem Dachgeländer eines Hochhauses. PK Gaza
Der Film entstand über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren, der aktuelle Krieg in Gaza wird nicht abgebildet. 2014 nahm Zuaiter via Facebook Kontakt zu dem jungen Matar auf, seitdem hätten sie, so erzählt die Regisseurin im anschließenden Publikumsgespräch, teilweise täglich telefoniert. Die Gespräche sind der melancholische Subtext zu den waghalsigen Stunts, die die Jungs vor der Kamera aufnehmen. Zuaiter erzählt, wie sie auf der Suche nach dem glücklichen Lächeln ihrer verstorbenen Mutter sei. In der Diaspora (die Familie zog erst nach Saudi-Arabien, Zuaiter dann in den Libanon und später in die USA), sei dieses Lächeln nach und nach verschwunden. 
Dieses „Lächeln am Strand von Gaza“, die Sehnsucht nach einer Heimat, steht im Kontrast zu dem drängenden Wunsch des jungen Sportlers, der nichts als weg will aus der Enge seiner Heimat. 2016 gelingt es Ahmed Matar, nach zahlreichen vergeblichen Versuchen doch ein Visum zu bekommen und nach Schweden zu reisen. Dort tritt er als Parkour-Artist auf und trainiert in einer gut ausgestatteten Turnhalle Kinder, die Gustav heißen. Zu den eindringlichsten Montagen des Films gehören die, in denen man sieht, wie auch in Ahmeds Augen das Funkeln erlischt, in denen auch er hin- und hergerissen wird zwischen der Sicherheit seines Lebens in Schweden und dem Wunsch, seine Familie und Freunde wiederzusehen.
Ahmed Matar und einige seiner ehemaligen Parkour-Freunde sind zur Berlinale gekommen. Es ist ein emotionaler Moment, als sie nach dem Film auf die Bühne treten – einige der Anwesenden habe sie noch nie vorher in Persona gesehen, sagt die Regisseurin. Die Zuschauer im Blue Man Theater wollen von Zuaiter wissen, warum sie gerade diese Sportart ausgewählt hat. Sie antwortet, das Streben nach Freiheit habe für sie im Zentrum gestanden. Parkour werde ja auch free running genannt. Aber das sei in Gaza nicht möglich. „Man nannte es ein Open-Air-Gefängnis, jetzt vielleicht sogar ein Konzentrationslager.” 

Daraufhin meldet sich ein weiterer Mann aus dem Publikum, er sagt, er fände es nicht ganz angebracht, hier in Deutschland von Konzentrationslagern zu sprechen. Außerdem möchte er wissen, warum die Regisseurin nicht die politischen Verantwortlichen in ihrem Film thematisiert habe. Sie habe „nur eine Geschichte erzählen wollen“, antwortet Zuaiter auf die zweite Frage. Auf die Frage nach dem KZ-Vergleich geht sie nicht ein. 

Die Regisseurin Areeb Zuaiter. Oleksandr Roshchyn
Später wird noch gefragt, wie viele der im Film Beteiligten inzwischen nicht mehr lebten – die Regisseurin nennt fünf Namen, die bis zum Beginn des Schnitts des Films im Jahr 2019 gestorben sind. Ahmed Matar erwähnt seinen besten Freund seit Kindertagen, der beim Versuch, verschüttete Menschen zu retten, bei einem Luftangriff vor einigen Jahren getötet worden sei. Matar spricht von „Genozid“. 
Nach knapp einer halben Stunde gehen Zuschauer und Filmschaffende wieder auseinander. Was auf der Bühne passiert ist, korrespondiert nicht ganz mit Zuaiters Behauptung, nur eine Geschichte zu erzählen. Wieder wurde statt über eine Geschichte über einen Konflikt gesprochen, statt über Menschen über politische Fronten. Und es bleibt zu fürchten, dass wieder nicht mehr nur der Film zu den Zuschauerinnen und Zuschauern sprechen wird. 
 
Weitere Vorführungen von „Yalla Parkour“ auf der Berlinale
20.02. Cubix, 10.30 Uhr
21.02. Zoo Palast, 13 Uhr
22.02. Cubix, 10.30 Uhr

Carolin Ströbele

Die verlorenen Briefe

Zum Jahrestag des Anschlags von Hanau sind auf der Berlinale zwei Dokumentarfilme zu sehen: „Das deutsche Volk“ und „Die Möllner Briefe“ handeln von der völligen Empathielosigkeit deutscher Politiker und Behörden gegenüber den Hinterbliebenen.

Bis heute gibt es kein Mahnmal in Hanau für die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags vom 19. Februar 2020. Über den kalten Nichtumgang mit den Überlebenden erzählt Marcin Wierzchowski sehr sensibel in seinem Dokumentarfilm Das deutsche Volk. Fast 30 Jahre zuvor, nach dem rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992, hatten Hunderte Menschen aus ganz Deutschland Briefe des Beileids und der Solidarität an die Hinterbliebenen der drei getöteten Frauen und Kinder geschickt. Doch diese Briefe kamen nie bei der Familie Arslan an. Erst 27 Jahre später entdeckte sie eine Studentin zufällig im Stadtarchiv. In dem beeindruckenden Dokumentarfilm Die Möllner Briefe von Martina Priessner werden sie nun einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Lesen Sie hier die Rezension von Matthias Dell über Die Möllner Briefe und Das deutsche Volk.

Daniel Gerhardt

Reichenschmaus

„Delicious“ zeigt eine Familie im Urlaub, der alles fehlt außer Geld. Die böse Haushälterin hat allzu leichtes Spiel.
Darf man den Plot-Twist eines Films verraten, wenn er sich zaunpfahlwedelnd und lichthupend schon nach wenigen Kinominuten ankündigt? Natürlich nicht. Schon gar nicht bei einem Film wie Delicious, der auf der Berlinale Weltpremiere feiert, den also wirklich noch kein Normalsterblicher gesehen hat vor jenen 600 Gästen, die zur Uraufführung in den Berliner Zoo Palast gekommen sind.

Leider bedeutet das No-Spoilers-Gebot im Fall von Delicious auch, dass es besser wäre, wenn abgesehen von diesen 600 Premierengästen niemand mehr erfahren würde, was in dem Film der Autorin und Regisseurin Nele Mueller-Stöfen passiert. Nach Filmen und Serien der letzten Jahre wie Parasite, Triangle of Sadness, Succession, The Menu und Saltburn ist Delicious zunächst einmal spät dran mit seiner Ferien- und Eat-the-Rich-Satire. Schwerer aber wiegt, dass das von Netflix koproduzierte Projekt seine Geschichte im Urlaubsmodus erzählt.

Abschalten will die wohlhabende Familie von Esther (Valerie Pachner) und John (Fahri Yardım) in den Frankreichferien, gemeinsam mit ihren Kindern Philipp (Caspar Hoffmann) und Alba (Naila Schuberth, bekannt aus Liebes Kind) steigen sie im Haus von Esthers Eltern ab. Schon am ersten Tag gelingt es der Familie, das von Ameisen und Nagetieren befallene Anwesen auf bemerkenswerte Weise zu verdrecken – den Reichen ist offensichtlich alles egal. Schon am ersten Abend fährt John außerdem nach zwei Drinks zu viel die junge Kellnerin Theodora (Carla Díaz) über den Haufen. Wann gab es eigentlich die letzte Autofahrt in Film und Fernsehen, bei der nichts schiefgegangen ist?

Theodora kommt mit dem Schrecken und einer Schnittwunde am Arm davon, weshalb Esther für den Rest der Familie beschließt, sie nicht ins Krankenhaus zu bringen, sondern in der eigenen Villa zu versorgen. Big mistake: Der Kinosaal weiß zu diesem Zeitpunkt schon, dass die Urlauber auf einen Scam hereinfallen. Theodora hat den Unfall simuliert, sie gehört zu einer Bande von Motocross-Fahrern, die sich in den Häusern reicher Menschen einzecken. Nach der Erstversorgung durch Esther zwängt sie sich der Familie als neue Haushälterin auf (nach Tom Tykwers Auftaktfilm Das Licht übrigens der zweite deutsche Film über Haushälterinnen in dysfunktionalen Familien). Schnell fädelt Theodora Intrigen zwischen Eltern und Kindern ein, bald schon feiert sie mit ihren Freundinnen und Freunden am Pool des Anwesens.

Delicious erscheint mit dieser Prämisse bereits auserzählt, bevor der Film überhaupt richtig in Gang kommt. Auch dann tut er jedoch wenig dafür, sich von den genannten Vorbildern abzuheben. Bei der Unterwanderung der Familie konzentriert sich Theodora auf die offensichtlichsten Angriffspunkte: die Arbeits- und Handysucht der Mutter, die sexuelle Frustration des Vaters, die Vernachlässigung der Kinder. Um seine Wirkung zu entfalten, verlässt sich Delicious ganz auf seinen finalen Schockeffekt. Der aber – und das kann man dann doch verraten – ist längst nicht so schockierend, wie der Film selbst zu glauben scheint.

Weitere Vorführungen von „Delicious“ auf der Berlinale
19.02. Urania, 15.30 Uhr
20.02. Cubix 7, 22 Uhr
21.02. Cubix 9, 22 Uhr
23.02. Cubix 8, 19:.5 Uhr

Auf Netflix ist der Film ab 7. März zu sehen.

Marlene Knobloch

Endlich Ethan

Da ist sie ja, die Schönheit! Inmitten dieses Festivals, das schon immer eher den Glamourfaktor eines Berliner Pilsners hatte, und auf dem filmisch bisher von Regretting Motherhood bis Machtmissbrauch gern politisch Relevantes verhandelt wurde, darf mit Richard Linklaters „Blue Moon“ nun schlicht die Kunst selbst funkeln. 
 
Wie gern lässt man sich jetzt in diese Welt fallen, genauer, in Sardi’s Bar, New York, nahe dem Broadway. Rote Ledersessel, ein langer, gut polierter Tresen, am Flügel spielt ein Soldat auf Heimaturlaub Jazz. Es ist 1943 und an der Bar sitzt der Songwriter Lorenz Hart, gespielt von Ethan Hawke, irgendwo zwischen Abstieg und Lebenstiefpunkt. Die größten Erfolge liegen hinter ihm, weltberühmte Klassiker wie My Funny Valentine oder Blue Moon. Sein Rücken ist krumm, das Gesicht faltig, die Augen gieren nach der Flasche Brandy, während er aus Casablanca zitiert, Pointen übers Leben Richtung Barmann feuert, liebevoll sein Schnapsglas betrachtet und sich fragt, wie in so ein kleines Glas so viel Schönheit passt.

Ähnliches kann man sich über den Film fragen: Wie passt so viel Witz, Tragik und Leichtigkeit in eine Bar, in einen einzigen Abend? Es ist ein leicht dahinfliegendes Kammerspiel, etwa eineinhalb Stunden wird man diese Bar nicht verlassen, hört Ethan Hawkes Monologen über gute und schlechte Musicals zu, sieht ihn im Schatten seines ehemaligen Partners Richard Rodgers (Andrew Scott) leiden, der im Sardi’s die Premiere seines neuen Musicals Oklahoma! feiert und vor einer entzückten Partygesellschaft auf die Times-Kritik wartet (sie fällt grandios aus). Dazwischen schleicht die Liebe in Form von Margaret Qualley als junge Kunststudentin Elizabeth.

Ethan Hawke, Margaret Qualley und Andrew Scott bei der Berlinale. Andreas Rentz/Getty Images
„Niemand hat mich je so geliebt“, zitiert Lorenz Hart aus Casablanca. Alles ist für diesen Mensch voller Sehnsucht: Hart ist jemand, der in der Weite des Meeres die Antwort auf die Ewigkeit findet, in einem halberigierten Penis ein Versprechen an die Welt liest, der anhand eines Halbtonschritts das ganze Geheimnis eines brillanten Lieds entschlüsselt. Er stürzt sich in schnelle Ideen, alte Filme, alte Songs und nicht zuletzt in den Alkohol, während sein ehemaliger Partner, der Komponist Rodgers, den Karrierehöhepunkt erreicht zu haben scheint. Natürlich verachtet Hart den Erfolg von Oklahoma!, das sei Kunst, die nicht weh tut, Kunst, die nur gefällt (und überhaupt, was soll das Ausrufezeichen!). Blue Moon ist herrlich spitz geschrieben, Robert Kaplows Drehbuch lässt Ethan Hawkes Monologe fliegen. Es lehnt sich an Klassiker, an die Geschichten von berühmten Künstlern an, ohne dabei selbst den Halt zu verlieren.

Fast könnte man bei allem Witz, der Leichtigkeit und dem Jazzpiano glauben, hier ginge es um nicht mehr als einen gescheiterten Künstler. Dabei ist die Frage des Films meeresweit: Muss gute Kunst wehtun? Was ist Eskapismus, was Poesie? Und warum noch mal wollen so viele Menschen gerade Romancebücher lesen? Übrigens ist Kunst, die weh tut, etwas anderes als Kunst über etwas, das weh tut. Das scheinen Künstler gern zu verwechseln.

All das mögen nicht die relevantesten Fragen der Zeit sein, auch keine schnell ausdiskutierten. Aber es sind schöne Fragen. Und die werden gerade dringend gebraucht.

Weitere Vorstellungen von „Blue Moon“ auf der Berlinale
19.02. Uber Eats Music Hall, 13 Uhr
19.02. Haus der Kulturen der Welt, 22 Uhr
20.02. Urania, 13 Uhr
23.02. Berlinale Palast, 10 Uhr
 

Marlene Knobloch

Rumstampfen in der wackligen Welt

Die diesjährige Berlinale hat ihren ersten Skandal.
Natürlich kommt es nicht überraschend: Nachdem Tilda Swinton schon am zweiten Tag des Festivals auf einer Pressekonferenz betont hatte, wie sehr sie die Israel-Boykott-Organisation BDS bewundere – die ihrerseits die Berlinale boykottieren wollte –, hatte die Berlinale wenig später ihren jährlichen Aufreger: Der Regisseur Jun Li aus Hongkong las auf der Urania-Bühne die Rede eines iranischen Schauspielers vor, in der Israel, Deutschland und „dem Westen“ Völkermord an den Palästinensern vorgeworfen wurde, abgerundet mit der schmissigen Allmachtsfantasie „From the river to the sea!“.Der Berliner Staatsschutz ermittelt, der Zentralrat der Juden ist entsetzt, und der Versuch, es dieses Jahr besser zu machen, indem die neue Leiterin Tricia Tuttle auf dem roten Teppich ein Foto einer israelischen Geisel hochhielt, indem man den Shoah-Regisseur Claude Lanzmann mit einem Dokumentarfilm ehrte, indem man Filme über den 7. Oktober und mit Yalla Parkour einen Film über das Leben im Gazastreifen zeigte, all diese Bemühungen scheinen in den Hintergrund zu rücken. Zu viele stampfen zu gern auf einem Filmfestival herum, als wäre die Welt nicht wacklig genug.
Szene aus „A Letter to David“. Yaniv Linton
Wie sinnlos diese Boykottfantasien sind, beweisen die Filme selbst. Da sind etwa die beiden Dokumentationen über den 7. Oktober, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Sie erzählen vom Schicksal der Angehörigen verschleppter Israelis, und sieht man beide Filme an, erkennt man das Ringen dieser Zeit, Mensch gegen Politik. Während A Letter to David des israelischen Regisseurs Tom Shoval ganz persönlich und intim zu seinem Protagonisten David Cunio sprechen will und anhand eines leidenden, dauerrauchenden Zwillingsbruders das grauenhafte Loch zeigt, welches das Massaker der Hamas in die Welt riss, sieht man in Holding Liat einen Vater, der seine Verzweiflung mit politischen Diskussionen betäubt. Er reist in die USA, schwankt innerlich zwischen republikanischen Bibi-Fans und wütenden Palästinensern, streitet sich, schimpft auf Netanjahu und will währenddessen nur seine Tochter in den alten Armen halten.

Beide Filme spiegeln in jeder Sekunde die Gegenwart. In Brandon Kramers und Darren Aronofskys Holding Liat kehrt jene Liat Beinin Atzili gegen Ende zurück, womit sich der Film selbst in die Geschichte einschreibt. Über den Schauspieler David Cunio berichtete kurz nach Shovals Premiere eine zurückgekehrte Geisel, es gebe ein Lebenszeichen. Und immerhin scheint es: So wie die stumpfe Politik Schneisen in dieses Festival zu schlagen versucht, strömen umgekehrt die berührenden Bilder von der Leinwand herab und flirren hinein in die Wirklichkeit.

Daniel Gerhardt

Jeder Mensch ist eine Insel

Einst drehte Jan-Ole Gerster den Berlin-Film „Oh Boy“, jetzt debütiert sein Fuerteventura-Film „Islands“ auf der Berlinale. Eine ungewöhnliche Murder-Mystery-Geschichte, womöglich sogar ohne Mord.
Am Ende des Tages, wenn alles gesagt ist und alle Experten gehört wurden, ist der beste Sport der Welt natürlich Tennis. Außer man fragt Tom. Als abgehalfterter Tennislehrer (gespielt von Sam Riley) einer ebenso abgehalfterten Hotelanlage schlägt sich das einstige Toptalent durch Leben und Übungsstunden. Leidlich motiviert gibt er seine Anweisungen an Pauschalreisende und deren Kinder, lässt sich anschließend noch zwei, drei Biere bezahlen und bei passender Gelegenheit auch mal auf einen One Night Stand ein. Irgendetwas will der Mann vergessen, aber selbst auf Fuerteventura erinnert ihn offenbar alles daran.

Die Routine des Tennistrainers aus Übungsstunden, heimlichen Schlücken aus der Schnapsflasche (passt praktischerweise genau in eine Tennisballdose) und Koksabstürzen im Waikiki-Club wird aufgebrochen, als eine britische Familie im Hotel ankommt. Tom soll den achtjährigen Anton (Dylan Torrell) trainieren, fühlt sich zu dessen Mutter Anne (Stacy Martin) hingezogen und ärgert sich im Stillen über den großkotzigen Vater Dave (Jack Farthing). In die Disko nimmt er ihn trotzdem mit, wo Dave dann ordentlich abstürzt und am nächsten Morgen nicht wieder auftaucht. Die Polizei befürchtet zunächst einen nächtlichen Badeunfall, wundert sich mit zunehmender Ermittlungsdauer jedoch auch über das Verhalten von Stacy. Die Ehefrau des Vermissten erscheint ungewöhnlich abgeklärt und folglich sehr verdächtig.

Zerknautschter Tennistrainer: Sam Riley auf der Berlinale. Stefanie Loos/AFP/Getty Images
2012 debütierte der Regisseur Jan-Ole Gerster mit dem sehr typischen (und sehr erfolgreichen) Berlin-Film Oh Boy. 13 Jahre später legt er auf dem größten Filmfestival der Stadt einen untypischen Berlinale-Film vor. Islands ist eine Murder-Mystery-Geschichte ohne klassische Mystery und womöglich sogar ohne Mord. Spannung entsteht nicht aus der übersichtlichen Geschichte, sondern aus dem seltsamen Verhältnis zwischen Anne und Tom. Weitgehend teilnahmslos lassen sie die Verdächtigungen der Polizei über sich ergehen, während sie einander immer näher kommen. Als wären sie die einzigen Bewohner eines Wüstenplaneten, bewegen sie sich durch die karge Landschaft auf Fuerteventura. Langsam dämmert einem, dass es eine Vorgeschichte zwischen den beiden gibt. Aber wird das auch  Anne und Tom dämmern?

Einmal scheinen die Taucher, die nach Dave suchen, etwas gefunden zu haben, aber dann zieht der Rettungshubschrauber doch keine Leiche aus dem Meer, sondern ein Dromedar. Die Frau des Gesuchten und der Tennistrainer beobachten den spektakulären Abtransport vom Strand aus. Sie lassen sich keine Gefühlsregung anmerken.

Weitere Vorführungen von „Islands“ auf der Berlinale
18.02. Colosseum 1, 18:30 Uhr
19.02. Haus der Kulturen der Welt, 10 Uhr

Carolin Ströbele

„Er ist ein Mensch. Das hier ist ein Notfall“

Am 7. Oktober 2023 wurde der israelische Schauspieler David Cunio von der Hamas entführt. Auf der Berlinale widmet ihm der Regisseur Tom Shoval nun einen filmischen Brief. Meine Kollegin Marlene Knobloch hat während des Festivals mit Shoval gesprochen. Er sagt über seinen Film A Letter to David: „Ich kann mir keinen besseren Ort für die Premiere als die Berlinale vorstellen“. 

Daniel Gerhardt

Die Ärztin kommt gleich

„Heldin“ verdichtet eine Spätschicht im Krankenhaus zu einem kämpferischen Film über den Pflegenotstand in der Schweiz. Und wird dann auch noch kurz lustig.
Es ist nur eine Schicht, aber am Ende ist man fix und fertig. Heldin spielt in einem Schweizer Krankenhaus und schafft es nur einmal kurz vor dessen Eingang, über 90 Minuten folgt der Film von Petra Volpe der Krankenpflegerin Floria Lind (Leonie Benesch) bei der Arbeit. Nur zu zweit sind die Schwestern in ihrer Spätschicht, rund 20 Patientinnen und Patienten haben sie zu versorgen und auch noch eine Auszubildende anzulernen. Ärztinnen und Ärzte werden in Heldin ständig gesucht oder angerufen, aber zu sehen sind sie nur in vier kurzen Szenen. Es geht stattdessen um Zugänge, die gelegt, und Demenzkranke, die gefüttert werden müssen, um OP-Vorbereitungen und Vitalwerte, ums Trösten und Vertrösten. Alles Routine so weit.
Leonie Benesch in „Heldin“. Zodiac Pictures
Ein krebskranker Mann wartet den ganzen Tag über vergeblich auf ein Gespräch mit seiner Ärztin. Ein Privatversicherter führt sich auf, als hätte er ein Fünf-Sterne-Resort gebucht. Die Söhne einer sterbenden Patientin fordern lebenserhaltende Maßnahmen ein, die nicht mehr sinnvoll erscheinen. Eine Frau mit eigener Sauerstoffflasche will immerzu rauchen. Zwischen diesen und anderen Personen hetzt Lind hin und her, zunehmend gestresst, am Ende sogar zittrig. Kurz telefoniert sie mit ihrer Tochter, doch der Ex-Mann drückt das Gespräch weg. Dann klingelt schon wieder das Stationshandy. Die Lesebrille einer längst entlassenen Patientin wird gesucht.
Das quasidokumentarische Konzept von Heldin erscheint nicht besonders originell, doch der Film ist wahnsinnig gut konstruiert. Immer wieder kehrt Lind zu Punkten auf ihrer To-do-Liste zurück, die man als überforderter Zuschauer längst vergessen hatte, dann sieht man sie auf einen Fehler zusteuern und ist kurz perplex, als er wirklich passiert. Der Privatversicherte kommt einem als Arschloch überzeichnet vor, bis er völlig zusammenbricht und dann auch noch den lustigsten Moment des Films, vielleicht sogar der ganzen bisherigen Berlinale ermöglicht. In einem Film über Pflegenotstand.
HELDIN | Der offizielle Trailer | Ab 27. Februar im Kino!
Floria (Leonie Benesch) arbeitet mit viel Leidenschaft und Professionalität als Pflegefachfrau in der Chirurgie eines Schweizer Krankenhauses. Bei ihr sitzt jeder Handgriff, sie hat selbst in Stresssituationen immer ein offenes Ohr für ihre Patientinnen und Patienten und ist im Notfall sofort zur Stelle – idealerweise. Doch in der harten Realität ihres oft schwer kalkulierbaren Alltags sieht das meist anders aus. Als Floria an diesem Tag ihre Spätschicht antritt, fällt auf der voll belegten, unterbesetzten Station eine Kollegin aus. Trotz aller Hektik umsorgt Floria eine schwerkranke Mutter (Lale Yavas) und einen alten Mann (Urs Bihler), der dringend auf seine Diagnose wartet, ebenso fürsorglich und routiniert wie den Privatpatienten (Jürg Plüss) mit all seinen Extrawünschen. Aber dann passiert ihr ein verhängnisvoller Fehler und die Schicht droht völlig aus dem Ruder zu laufen. Ein nervenzerrender Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Regisseurin Petra Volpe (DIE GÖTTLICHE ORDNUNG) greift mit HELDIN ein brandaktuelles Thema auf. Laut WHO ist der weltweite Mangel an Pflegekräften ein globales Gesundheitsrisiko. In Deutschland könnten nach Angaben des Statistischen Bundesamts bis 2029 rund 260.000 Pflegende fehlen. Der Film ist zugleich eine respektvolle Hommage auf alle Pflegekräfte sowie ein packendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit und soziales Engagement. Er zeigt nicht zuletzt, wie essenziell eine gute Betreuung im Krankheitsfall für uns alle ist. Hauptdarstellerin Leonie Benesch (DAS LEHRERZIMMER, SEPTEMBER 5) beeindruckt mit ihrer kraftvollen und fesselnden Darstellung, die das Kinopublikum atemlos lässt und uns noch lange nach Filmende begleitet.

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Darum nämlich geht es natürlich, das hat man schon begriffen, wenn in der Auftaktsequenz von Heldin frisch gewaschene Stationskleidung durch eine Fließbandwäscherei rattert. Der Film macht seine Haltung mit alarmierenden Zahlen im Abspann deutlicher, als es nach seinen atemlosen 90 Minuten nötig gewesen wäre, auch der englische Titel Late Shift kommt einem in seiner Nüchternheit passender vor. Aber das ist Detailkram, der sofort wieder vergessen ist, wenn dann im Abspann auch noch Anohni and the Johnsons laufen. 
Weitere Vorführungen von „Heldin“ auf der Berlinale
17.02. Zoo Palast, 21.30 Uhr
18.02. Haus der Berliner Festspiele, 21 Uhr
19.02. JVA Plötzensee, 17 Uhr
21.02. Uber Eats Music Hall, 12.30 Uhr
23.02. Colosseum 1, 21.30 Uhr
In deutschen Kinos ist „Heldin“ ab 27. Februar zu sehen.

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