Der Koordinator der Anlaufstelle „No Slapp“, Philipp Wissing, hat ein strukturelles Ungleichgewicht in Zivilrechtsverfahren gegen Journalisten kritisiert. Bei diesen fallen hohe Kosten an, die finanzielle Möglichkeiten von Privatpersonen schnell überstiegen, sagte Wissing dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. „Dabei sind Personen und Organisationen klar im Vorteil, die sich teure Verfahren leisten können.“ Dies sei der Grund, weshalb viele selbstständige oder freie Journalisten, die sich mit Unterlassungsklagen konfrontiert sehen, diese vorschnell unterschrieben.
„Slapp“ steht für „Strategic Lawsuits against Public Participation“ und ist angelehnt an das englische Wort für Ohrfeige („slap“). Damit sind Einschüchterungsklagen gemeint, durch die Personen daran gehindert werden sollen, über Angelegenheiten zu informieren, die von öffentlichem Interesse sind. Klägern geht es also nicht darum, ein Verfahren zu gewinnen, etwa durch Richtigstellung, sondern darum, die Beklagten durch langwierige und teure Verfahren einzuschüchtern.
Vermittlung von Anwälten
Die in Berlin ansässige Anlaufstelle „No Slapp“ hat sich auf die Fahnen geschrieben, Personen, die publizistisch tätig sind und in einen Rechtsstreit verwickelt werden, zu unterstützen. „Wir vermitteln Anwälte, die auf Medien- und Presserecht spezialisiert sind, und stellen ein Netzwerk zur Verfügung.“ Man wolle Betroffenen die Angst nehmen, sich an Rechtsstreitigkeiten zu beteiligen. Das Gefühl, mit einer Unterlassungsklage gegebenenfalls allein dazustehen, führe zu Stress und Überforderung. Die Anlaufstelle nehme Individuen die Last, einen Zivilrechtsprozess allein durchzustehen.
Die Anlaufstelle gründete sich im Mai und wird unter anderem unterstützt von der europäischen Kooperation „Case“ gegen Slapp-Klagen, vom Deutschen Journalisten-Verband, von der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju in ver.di) und von „Reporter ohne Grenzen“. Bisher habe sich eine etwa zweistellige Anzahl von Personen bei der Stelle gemeldet. Die Hälfte davon seien selbstständige Journalisten, die andere Hälfte Bürgerinitiativen oder zivilgesellschaftliche Bündnisse, die wegen ihrer publizistischen Arbeit belangt würden.
Wissing sagte, dass strategische Klagen von großen Unternehmen oder vermögenden Einzelpersonen oft ohne juristische Erfolgsaussichten angestrengt würden. „Darauf aufmerksam zu machen, ist eine wichtige Aufgabe der Anlaufstelle.“
Um die Zahl von Slapp-Klagen einzudämmen, hat die EU im Frühjahr die sogenannte Anti-Slapp-Richtlinie verabschiedet. Künftig sollen Betroffene von strategischen Klagen finanzielle Unterstützung, Rechtsbeistand und psychologische Hilfe erhalten. Ist eine Klage offensichtlich unbegründet, sollen Richter diese im frühestmöglichen Stadium des Verfahrens abweisen. Die Regierungen haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Gesetz zu übertragen.