Silicon Valley Bank: Droht jetzt die nächste Finanzkrise?

Noch am Mittwochabend war die Silicon Valley Bank, kurz SVB, die wichtigste Bank an der Seite der kalifornischen Start-ups. Am Freitagmittag war sie pleite. Innerhalb weniger Stunden kam es zur zweitgrößten Bankpleite in der US-Geschichte. Der jähe Absturz weckt Erinnerungen an die Finanzkrise 2008 und die Sorge vor weiteren Zusammenbrüchen. Bankwerte gerieten an der Börse unter Druck, die Aktien einiger Institute mussten wegen extremer Kursbewegungen zeitweilig vom Handel ausgesetzt werden.

US-Finanzministerin Janet Yellen berief am Nachmittag eine Krisensitzung der Finanzaufsichtsbehörden ein. Die SVB ist bereits die zweite US-Bank in dieser Woche, die aufgelöst wird. Silvergate Capital, ein Finanzinstitut, das vornehmlich mit der Kryptowährungsbranche zusammenarbeitete, hatte sich Anfang der Woche freiwillig zur Abwicklung entschlossen.

Dem Kollaps der SVB war eine Panik der Kunden vorangegangen, die am Donnerstag Milliarden ihrer Einlagen von der Bank abzogen. Am Freitagmittag griffen dann die Regulierer ein. Sie schlossen die Bank, die nun vom US-Einlagensicherungsfonds FDIC verwaltet wird. Die Lage musste brisant sein, schließlich sahen sich die Regulierer offenbar gezwungen, noch während der regulären Geschäftszeiten einzuschreiten, um eine ordnungsgemäße Abwicklung zu gewährleisten.

Die Hälfte aller US-Start-ups war SVB-Kunde

Die Bedeutung der SVB hat weniger mit der Größe der Bank zu tun. Mit einer Bilanzsumme von etwas über 200 Milliarden Dollar ist sie nicht einmal ein Zehntel so groß wie JPMorgan Chase, mit 3,3 Billionen Dollar die größte US-Bank. Doch SVB, gegründet 1983, war die Hausbank der US-Technologiebranche. Nach einer Analyse von Bloomberg war rund die Hälfte aller US-Start-ups Kunde bei dem kalifornischen Institut. Infolge der Pleite könnten vor allem junge Biotechunternehmen zunehmende Probleme bei der Finanzierung bekommen.

Offenbar hatten jedoch ausgerechnet die Stammkunden der SVB in den vergangenen Tagen das Vertrauen in das Institut verloren. So hat laut Medienberichten der Wagniskapitalfonds Founders Fund, zu dessen Mitgründern Silicon-Valley-Starinvestor Peter Thiel gehört, den Start-ups in seinem Portfolio dringend geraten, ihr Kapital aus der SVB abzuziehen.

Garry Tan, der Präsident des Y Combinator, einem prominenten Silicon-Valley-Gründerzentrum, schrieb an die teilnehmenden Unternehmen, auch wenn er keine konkrete Kenntnis der Lage bei der SVB habe, sollten die Gründer sich vor möglichen Verlusten schützen. Er rief ihnen in Erinnerung, dass nur Einlagen bis zu 250.000 Dollar durch den Einlagensicherungsfonds FDIC abgesichert sind. „Dein Start-up stirbt, wenn du kein Geld mehr hast, egal aus welchem Grund“, warnte er laut dem Wall Street Journal.

Am Anfang der Pleite stand die US-Notenbank

Infolge solcher Warnungen zogen immer mehr Kunden ihre Einlagen bei der SVB ab. SVB-Chef Greg Becker, der noch am Donnerstag in einer Telefonkonferenz versuchte, sie von der finanziellen Stabilität seines Instituts zu überzeugen, bat vergeblich darum, die Einlagen nicht überstürzt abzuziehen. Doch Becker und das Management der Bank dürften mit zu den Gerüchten über eine drohende Schieflage beigetragen haben. Die Bank hatte versucht, durch die Ausgabe von neuen Aktien Verluste in Höhe von 1,8 Milliarden auszugleichen. Die kurzfristig angesetzte Kapitalbeschaffungsmaßnahme löste die Sorge aus, der Bank fehlten ausreichend Mittel. Der Aktienkurs stürzte ab und am Freitag gab die SVB ihre Bemühungen um frisches Eigenkapital auf. Kurz darauf schlossen die Regulierer die Bank.

Der Absturz der SVB ist das Resultat einer fatalen Kettenreaktion, die letztlich von der US-Notenbank ausgelöst wurde. Die Bank hatte während der Pandemie, als die Techbranche einen Höhepunkt erlebte, rund 91 Milliarden Dollar in US-Staatsanleihen und garantierte Hypothekenpapiere angelegt. An sich die sichersten Wertpapiere der Welt.

Doch dann begann die US-Notenbank im vergangenen Jahr, die Leitzinsen in Rekordzeit anzuziehen, um die hohe Inflation zu bekämpfen. Das hat direkte Folgen für den Wert der Anleihen in den Beständen der SVB. Weil sie niedrigere Renditen bieten als neu ausgegebene Papiere, verlieren sie an Wert. Im Fall der SVB waren sie plötzlich 15 Milliarden Dollar weniger wert, wie die Bank selbst in ihren Berichten auswies. Zunächst ist ein solcher Verlust kein Problem, denn er besteht nur auf dem Papier. Nur wenn die Anleihen veräußert werden, wird daraus ein tatsächliches Minus. Genau dazu wurde die SVB in den vergangenen Monaten jedoch gezwungen. Die Bank musste Papiere in Höhe von 21 Milliarden Dollar verkaufen. Sie brauchte Bares, um Kunden auszahlen zu können. Das war ebenfalls eine Folge der Zinserhöhungen der Notenbank. Denn dadurch sind die Finanzierungskosten für die Start-ups gestiegen. Entsprechend hoben sie Einlagen bei ihrer Hausbank, der SVB, ab. So kam es zu den 1,8 Milliarden Dollar an Verlusten, die zu der Kapitalerhöhung und schließlich zu der Panik geführt haben.

Die SVB ist keineswegs die einzige Bank, deren Anleihebestände durch die Zinserhöhungen der Notenbank innerhalb von wenigen Monaten deutlich an Wert verloren haben. Bank of America, die Nummer zwei in den USA, meldete in ihrem Jahresbericht, der Marktwert ihrer festverzinslichen Wertpapiere belaufe sich auf 524 Milliarden – das entspricht 109 Milliarden weniger als der Wert, mit der sie in der Bilanz stehen.

Den Aufsehern ist die brisante Entwicklung keineswegs verborgen geblieben. Insgesamt beliefen sich die unrealisierten Wertverluste bei den Anleihebeständen der US-Banken laut Einlagensicherungsfonds FDIC im Dezember 2022 auf 620 Milliarden Dollar. Ende Dezember 2021 waren es lediglich acht Milliarden Dollar gewesen. Solange die Finanzinstitute die Wertpapiere in ihren Beständen halten, macht sich das nicht bemerkbar. Aber der Fall SVB zeigt, dass in der Finanzwelt immer ein Risiko bleibt.

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