Der Milliardenjongleur René Benko bekennt sich nicht schuldig. Weitere Aussagen im Prozess wegen betrügerischen Bankrotts hat der Gründer der Immobiliengruppe Signa am Dienstag zum Auftakt des Strafverfahrens am Landesgericht Innsbruck verweigert. Lediglich die Ausführungen der Anklagebehörde bezeichnete er als zynisch. Benkos Befragung dauerte nur wenige Minuten. Der Prozess wurde am Vormittag unterbrochen und anschließend auf Mittwoch vertagt, da kein Zeuge für eine Vernehmung verfügbar war. Es war Benkos erster öffentlicher Auftritt seit seiner Festnahme im Januar. Seither befindet er sich in Untersuchungshaft in Wien. Er trug einen dunklen Anzug mit roter Krawatte und wirkte auf Beobachter schlanker als früher.
Es geht bei diesem ersten vergleichsweise kleinen Fall im Signa-Komplex um einen vermuteten Schaden von 660.000 Euro. Benko wird verdächtigt, Vermögenswerte vor seinen Gläubigern versteckt zu haben – und zwar, als die Insolvenzwelle und die Konkurseröffnung schon absehbar gewesen seien. Nach Ansicht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wollte Benko seinen Luxus-Lebensstil erhalten. Verteidiger Norbert Wess sah die Anklage dagegen chancenlos.
Benko soll Geld für Luxus-Lebensstil unterschlagen haben
Die Vertreterin der Anklagebehörde skizzierte in ihrem Eröffnungsplädoyer, wie Benko eigentlich vorhandenes Geld beiseitegeschafft und nicht zur Befriedigung seiner Gläubiger verwendet haben soll. Benko habe selbst die ungewöhnliche Idee gehabt, für ein renovierungsbedürftiges und gar nicht bewohnbares Haus auf der Innsbrucker Hungerburg – einem erstklassigen Wohngebiet der Tiroler Landeshauptstadt – im Oktober und November 2023 eine Miet- und Betriebskostenvorauszahlung von 360.000 Euro für vier Jahre zu leisten. Dies habe er über eine Tochtergesellschaft der Laura Privatstiftung gemacht. Damit wollte der 48-Jährige den Wohnsitz langfristig für seine Familie sichern. „Er weiß aber, dass er bald insolvent sein wird“, hielt die öffentliche Anklägerin mit Blick auf die sich zu diesem Zeitpunkt schon abzeichnende Zahlungsunfähigkeit fest.
Den zweiten Vorwurf bezeichnete sie als die Rückschenkung der Schenkung. Benko habe sich Ende November 2023 über seine Mutter – weil er selbst kein Begünstigter ist – 1,5 Millionen Euro aus der Ingbe-Stiftung auszahlen lassen. Damit habe er diverse private Zahlungen, etwa für Möbel und Inneneinrichtung, geleistet. Die übrigen 300.000 Euro habe er seinen Gläubigern nicht zugestanden und zahlte das Geld an die Mutter zurück. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft agierte Benko als jemand, der trotz Konkurses seinen luxuriösen Lebensstil weiterführen habe wollen. Insgesamt sei er nach dem Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“ vorgegangen. Dabei führte sie nachträgliche Schenkungsvereinbarungen an und zitierte aus Chats mit seiner Schwester. Diese würden belegen, dass Benko die Geschicke der Stiftungen geleitet habe.
Verteidiger nennt Vorwürfe „absurd“ und „falsch“
Völlig gegensätzlich sieht der Verteidiger Benkos die Vorgänge. Wess bezeichnete die Anklageschrift sowohl vom Sachverhalt als auch von der rechtlichen Beurteilung her als falsch. Es sei komplett daneben, wenn die Anklägerin behaupte, dass sich Benko durch die Mietvorauszahlung das Mietrecht gesichert habe: „Das Mietrecht sichert man sich durch den Mietvertrag.“ Zudem hätte es einen Rückforderungsanspruch der bezahlten 360.000 Euro gegeben: „Das war günstig für den Vermieter.“ Somit hätte das Geld auch für den Insolvenzverwalter zur Verfügung gestanden. Es sei absurd, Benko vorzuwerfen, dass er seine Gläubiger schädigen habe wollen. Das Geld für die Vorauszahlung sei aus einem Darlehen an den Tiroler Unternehmer gekommen. Es habe sich ja um kein Geld gehandelt, das Benko davor gehört habe: „Es hat Wert und Gegenwert gegeben.“
Zudem sei es „objektivierbar falsch“, dass das Haus auf der Hungerburg aufgrund eines Hangrutsches und Wasserschadens nicht bewohnbar gewesen sei. Der Wasserschaden sei erst in der zweiten Jahreshälfte 2024 entstanden. Weshalb Benko und seine Familie dann noch lange nicht eingezogen seien, habe mit der medialen Berichterstattung und den darauffolgenden Irritationen zu tun gehabt. In den ersten Wochen hätten darüber hinaus noch Renovierungsarbeiten stattgefunden. Benko habe zur damaligen Zeit um sein Lebenswerk gekämpft, erinnerte der Anwalt. Das Darlehen über 1,5 Millionen Euro aus der Laura-Stiftung durch die Mutter an Benko habe damit zu tun gehabt, dass diese die Bereitschaft erklärt hätte, den Sohn zu unterstützen, um Zahlungen an die Sanierungsberater zu leisten und laufende Kosten zu begleichen.
Bis zu zehn Jahre Haft bei Verurteilung
Wess erklärte, dass der Überhang von 300.000 Euro „refundiert“ worden sei – im Dezember habe diese abermals 1,2 Millionen Euro an Benko überwiesen. Dies sei Geld gewesen, das Benko im Rahmen des Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung für Signa für die Garantie gebraucht habe . Das habe dann nicht geklappt, denn die Signa-Gesellschaften gingen in Konkurs.
Im Fall einer Verurteilung drohen Benko ein bis zehn Jahre Haft. Der Prozess in Innsbruck gilt als Auftakt der juristischen Aufarbeitung rund um den Zusammenbruch von Signa. Im aktuellen Verfahren geht es allerdings nur um einen kleinen Teil der zahlreichen Vorwürfe. Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft in mehr als einem Dutzend „Strängen“ gegen Benko und weitere Personen.
Das intransparente Geflecht des Signa-Konzerns wurde nach dem Zusammenbruch Ende 2023 oft kritisiert. Es bestand aus über Tausend ineinander verschachtelten Gesellschaften. Der Vorsitzende der Finanzprokuratur – sie vertritt die Interessen Republik – sieht ein Multi-Organversagen vieler, die Verantwortung hatten. Banken und Investoren seien nicht kritisch genug gewesen oder hätten das Geschäftsmodell billigend in Kauf genommen, sagte Wolfgang Peschorn wiederholt.
Zusammenbruch mit Folgen
Der Kollaps von Signa ist ein markantes Einzelereignis mit regionalen und sektoralen Effekten. Doch es verzerrt die europäische Insolvenzstatistik insgesamt nur begrenzt. Die seit mehreren Jahren erhöhten Insolvenzquoten in Europa werden punktuell in bestimmten Segmenten und Ländern verstärkt. In Österreich ist der Effekt am sichtbarsten. In Deutschland gibt es Wirkungen über die Handels- und Immobilienengagements. Die Fallzahl steigt durch mehrere Signa-nahe Gesellschaften, aber in Deutschland gibt es einen strukturellen Anstieg der Insolvenzen seit zwei Jahren. In der Projektentwicklung kam es zu Verzögerungen und Folgeinsolvenzen bei Subunternehmern und Planungsbüros. Zahlreiche Immobilien- und Entwicklungsprojekte wurden gestoppt oder eingefroren; Grundstücke und halbfertige Objekte wurden neu bewertet. Subunternehmer, Bauunternehmen, Architekten und Ingenieurbüros leiden unter ausstehenden Zahlungen und wegbrechenden Aufträgen; Leerstände von Einzelhandelsflächen haben zugenommen, was Betreiber von Einkaufszentren und Städte belastet. Viele zahlungsunfähige Zweckgesellschaften haben zu einer Vielzahl einzelner Verfahren geführt, komplexen Anfechtungen und langwierigen Abwicklungen. Im Handel gab es Effekte über Mieter, Vermieter und Lieferanten. Banken betrafen vor allem in Wertberichtigungen und Abschreibungen.