Das Foto von Sigi Maron wurde vermutlich in seinen letzten Lebensjahren aufgenommen: Er sitzt grimmigen Blicks in seinem Rollstuhl und richtet die Gitarre wie eine Schusswaffe auf die Kamera. Es fällt schwer, bei diesem Bild nicht an den US-amerikanischen Protest-Folkbarden Woody Guthrie zu denken, auf dessen Gitarre die Aufschrift „This machine kills fascists“ stand.
Die beiden Sänger mögen im Hinblick auf linke Politik, soziale Verantwortung und revolutionäres Bewusstsein einiges gemeinsam haben, doch in ihren musikalischen Ambitionen unterscheiden sie sich gewaltig: Während Guthrie aus dem schier unendlichen Reservoir der amerikanischen Folk- und Worksong-Traditionen schöpfen konnte und seiner Holzgitarre ein Leben lang treu blieb, verstand sich Siegfrid Maron, den alle nur Sigi nannten, als verhinderter Rock ’n’ Roller. Die Nazis, betonte er, hätten das Volkslied im deutschsprachigen Raum für immer vergiftet. Also musste man sich die Freiheitsklänge anderswo suchen, zum Beispiel beim Blues und bei der explosiven Energie der elektrischen Gitarre. Ein Leben als Rampensau, das sich Maron als Teenager imaginiert hatte, blieb ihm allerdings verwehrt: Er erkrankte im Alter von zwölf Jahren an Kinderlähmung und war bald auf einen Rollstuhl angewiesen. Ein Schicksal, das er mit jener grimmigen Ironie, die ihm zu eigen war, so kommentierte: „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert.“
Heute ist der 2016 verstorbene Sänger und Liederschreiber, der gesellschaftliche Problemlagen mit Liedern wie ’S Lebm is hoat in Favoriten oder Da Hausmasta kommentiert hatte, bereits eine historische Figur der Protestbewegungen der Zweiten Republik geworden. Doch Sigi Marons Aura geistert immer noch durch die linken Milieus der Gegenwart: So hat beispielsweise Andreas Babler, der Vorsitzende der SPÖ, ein Foto des Künstlers in seinem Büro aufgehängt und betont immer wieder, dass ihn eine enge Freundschaft mit dem kritischen Geist verbunden habe.
Sigi Maron, der am 14. Mai 1944 in eine Arbeiterfamilie geboren wurde und mit sechs Geschwistern im niederösterreichischen Gneixendorf in großer Armut aufwuchs, entwickelte früh ein Klassenbewusstsein, das ihn später auch Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs werden ließ. Aber er verstand sich nie als steinharter Ideologe, sondern in erster Linie als diskussionsfreudiger Anwalt der Verdammten dieser Erde, denen er mit seinen Liedern Mut zusprechen und Solidarität angedeihen lassen wollte. Dabei agierte er meist nicht als sensibler Poet, sondern als Mundartrabauke, der gerne den Knüppel aus dem Sack zog. Sein berühmtestes Lied Ballade von ana hoatn Wochn, in dem die Mühen des Alltags wortreich beschrieben werden, gipfelt in einem Refrain, der bald nach dem Erscheinen von Hunderten bei Konzerten mitgegrölt wurde: „Leckts mi aum Oasch!“
Solche Zeilen trugen ihm das Etikett „bissigster Liedermacher Österreichs“, „Kommunisten-Schwein“ oder „Fäkalien-Maron“ ein. „Für die bürgerlichen Arschlöcher“, sagte er schon 1981 in einem Interview mit dem Spiegel, „bin ich die größte Drecksau der Republik.“
Angesichts einer solchen Attitüde könnte man eine gewisse Affinität zum damals parallel entstehenden Punk ausmachen, obwohl die Liedermacher-Musik, auf die er sich bald verlegt hatte, ansonsten nichts damit zu tun hatte. Doch es würde Sigi Maron unrecht tun, wenn man ihn nur als den stets zornigen Mann im Rollstuhl wahrnähme: In Liedern wie Heite kann i, heite derf i lässt er seinen poetischen Muskel in emotionalem Überschwang zucken, und sein größter, eigentlich sein einziger Hit in den österreichischen Charts Geh no ned furt aus dem Jahr 1985 ist nicht etwa eine Abschiedsklage an eine entschwindende Liebe, sondern eine Elegie an einen Freund, der Suizid begehen möchte.
Das Foto von Sigi Maron wurde vermutlich in seinen letzten Lebensjahren aufgenommen: Er sitzt grimmigen Blicks in seinem Rollstuhl und richtet die Gitarre wie eine Schusswaffe auf die Kamera. Es fällt schwer, bei diesem Bild nicht an den US-amerikanischen Protest-Folkbarden Woody Guthrie zu denken, auf dessen Gitarre die Aufschrift „This machine kills fascists“ stand.
Die beiden Sänger mögen im Hinblick auf linke Politik, soziale Verantwortung und revolutionäres Bewusstsein einiges gemeinsam haben, doch in ihren musikalischen Ambitionen unterscheiden sie sich gewaltig: Während Guthrie aus dem schier unendlichen Reservoir der amerikanischen Folk- und Worksong-Traditionen schöpfen konnte und seiner Holzgitarre ein Leben lang treu blieb, verstand sich Siegfrid Maron, den alle nur Sigi nannten, als verhinderter Rock ’n’ Roller. Die Nazis, betonte er, hätten das Volkslied im deutschsprachigen Raum für immer vergiftet. Also musste man sich die Freiheitsklänge anderswo suchen, zum Beispiel beim Blues und bei der explosiven Energie der elektrischen Gitarre. Ein Leben als Rampensau, das sich Maron als Teenager imaginiert hatte, blieb ihm allerdings verwehrt: Er erkrankte im Alter von zwölf Jahren an Kinderlähmung und war bald auf einen Rollstuhl angewiesen. Ein Schicksal, das er mit jener grimmigen Ironie, die ihm zu eigen war, so kommentierte: „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert.“