Seltene Erden: Wie Peking im Handelskrieg mit den USA die Oberhand gewann

Wer in Washington hatte schon Yttrium, Dysprosium, Terbium und andere seltene Erden im Blick, als Donald Trump in seiner ersten Amtszeit den Handelskrieg mit China entfesselte? Der amerikanische Präsident dachte an das Handelsbilanzdefizit, an Fabriken, die nicht mehr in Amerika, sondern in China standen, und vielleicht noch an Mikrochips, nicht aber an seltene Erden. Diese gehören zur Kategorie der lebenswichtige Materialien, die kaum einer kennt. Sie sind oft unverzichtbare Rohstoffe für Hochtechnologieprodukte wie Mobiltelefone und Computer, Windräder und Elektroautos, Laser und Waffensysteme.

Seltene Erden in roher und weiterverarbeiteter Form sind zu Pekings wichtig­ster Waffe im Handelskrieg mit Washington geworden. Das hätte man schon früh ahnen können. 2010 kam es zur ersten Versorgungskrise mit seltenen Erden, als China generell die Ausfuhr wegen erhöhten Eigenbedarfs reduzierte.

Nach japanischen Angaben soll Peking damals auch die Ausfuhr der seltenen Erden nach Japan blockiert haben, weil die Regierung in Tokio den Kapitän eines chinesischen Fischerboots festgesetzt hatte. Der hatte nahe den japanischen Senkaku-Inseln, die China unter dem Namen Diaoyutai beansprucht, zwei Schiffe der japanischen Küstenwache gerammt. Spätestens seither war klar, dass China die seltenen Erden auch als Waffe in diplomatischen Streitigkeiten einsetzen könne.

Amerika wachte spät auf

Sichtlich aufgewacht sind die Vereinigten Staaten erst Jahre später, 2023, als China begann, den Export von strategisch wichtigen Materialien wie Gallium, Germanium, Graphit und Wolfram zu beschränken. Nun erst begannen die Amerikaner mit Bemühungen um Diversifizierung, um die Abhängigkeit von China in der Versorgung mit seltenen Erden zu verringern. Doch im selben Jahr stoppte Peking auch die Ausfuhr von Technologien zur Förderung und Trennung der seltenen Erden. Das steht einer schnellen Entkoppelung der Lieferketten entgegen. Dem Westen fehle das Know-how, sagt Gracelin Baskaran vom Center for Strategic and International Studies. Der Förderung und Weiterverarbeitung der seltenen Erden im Westen stünden auch umweltpolitische Bedenken entgegen.

Die Rechnung für die mangelnde und späte Vorsorge erhält Washington in diesen Monaten. Als die Regierung in Peking Anfang Oktober umfassende Ex­port­kon­trol­len für seltene Erden, spezielle Rohstoffe und Halbfertigprodukte festsetzte, wetterte der amerikanische Finanzminister Scott Bessent: „Das ist ein Zeichen dafür, wie schwach ihre Wirtschaft ist. Sie wollen alle anderen mit in die Tiefe ziehen.“ Doch in Wahrheit traf die Ankündigung der Exportkontrollen Trumps Team ins Mark. Seine eigenen Militärs hatten ihm vor Augen geführt: Die Wehrfähigkeit Amerikas ist gefährdet, sollte China einen Exportbann erlassen.

Der Waffenstillstand im Handelskrieg, den Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping in dieser Woche im südkoreanischen Busan erreicht haben, spiegelt diese Abhängigkeit der Vereinigten Staaten von China. Peking hat demnach zugesichert, wenigstens für ein Jahr die Lieferungen seltener Erden fortzusetzen und längere Fristen zu prüfen, behält aber die Hoheit über die Exportlizenzen. Trump senkt im Gegenzug einige Zölle und erhielt auch Zusagen, dass China in Amerika wieder Sojabohnen kaufen und stärker gegen die Ausfuhr des tödlichen Rauschgifts Fentanyl vorgehen werde.

Trumps Handelsziele bislang nicht erreicht

Die großen Ziele aber, die Trump 2018 mit der Entfesselung des Handelskriegs anvisiert hatte, hat er bislang nicht erreicht. China bleibt industriell mächtig und unterstreicht diese Ambition mit dem jüngsten Fünfjahresplan. China erzielt trotz – und auch wegen – der von Amerika verhängten Exportblockaden für Hochtechnologie technologische Fortschritte. Das chinesische Militär modernisiert sich und rüstet weiter auf. Die erhoffte große Rückverlagerung von Fa­bri­ken in die Vereinigten Staaten blieb aus. Den langsamen Sinkflug des verarbeitenden Gewerbes in Amerika hat Trump mit dem Handelskrieg nicht gestoppt. Als begrenzten Erfolg kann er auf zusätzliche Zolleinnahmen verweisen und darauf, dass das amerikanische Handelsbilanzdefizit mit China schrumpfte, während es mit der gesamten Welt stieg. Insgesamt aber hat der Handelskrieg Amerikas Lage nicht verbessert und China nicht zurückgeworfen.

Trump entfachte den Handelskrieg im Juli 2018, als er Einfuhren aus China im Wert von 34 Milliarden Dollar (oder 7 Prozent der gesamten Einfuhr aus China) mit einem Zollsatz von 25 Prozent belegte. Peking antwortete umgehend mit reziproken Zöllen im selben Umfang. Schon zuvor hatte Trump Solarzellen, Waschmaschinen sowie Stahl und Aluminium mit Einfuhrzöllen belegt. Danach ging es 2018 Schlag auf Schlag: Jede Zollrunde von Trump provozierte eine Gegenreaktion Chinas. Im Februar 2020 verlangte Amerika auf 66 Prozent der Importe aus China einen Zoll von knapp 20 Prozent, während China amerikanische Lieferungen mit 21 Prozent belegte. Dann kam im Januar 2020 der erste große Waffenstillstand im Handelskrieg. Mit der „Phase One“-Vereinbarung sanken die Zölle in geringem Maße, und China versprach, Waren und Dienstleistungen im Wert von 200 Milliarden Dollar in den USA zu kaufen. Diesen Kaufzusagen kam China nie nach, wie später Untersuchungen zeigten.

Im Handelsstreit vereint: Obama, Biden, Trump

Der Handelskrieg gegen China ist nicht allein eine Idee Trumps. Schon vor seiner ersten Amtszeit gab es in Washington Sorgen über die zunehmende chinesische Handelsmacht. Nach Trumps erster Amtszeit ließ Nachfolger Joe Biden die von Trump eingeführten Zölle auf chinesische Waren weitgehend unverändert. Bidens Augenmerk lag vor allem darauf, China technologisch zu bremsen, vor allem bei hoch entwickelten Mikrochips. Der ehemalige Präsident Barack Obama und Trump in seiner ersten Amtszeit fokussierten mit ZTE und Huawei vor allem auf einzelne chinesische Techunternehmen. Biden setzte mit Exportrestriktionen breiter an und holte verstärkt auch Verbündete wie Japan, Südkorea und die Niederlande mit ins Boot, um Chinas Fortschritt in der technischen Entwicklung einzudämmen.

Im Januar dieses Jahres kehrte Trump ins Weiße Haus zurück und eskalierte den Zollkonflikt im Februar, April und im September. China reagierte nach dem Muster „Tit for tat“, wie du mir, so ich dir. Zeitweise standen die bilateralen Zölle auf 130 Prozent und mehr. Parallel ­versuchten Trump wie Biden mittels Exportkontrollen, China von den leistungsfähigsten Halbleitern und anderen ­High­techprodukten aus den USA abzuschneiden, mit mäßigem Erfolg.

2018 hatte eine Zeitung des chinesischen Ministeriums für Wissenschaft und Technologie eine Liste mit Technologien veröffentlicht, in denen China „im Würgegriff“ sei, also abhängig vom Ausland. Es war das Jahr, in dem Trump China das erste Mal mit hohen Zöllen überzog. Die Staatszeitung ging darin ungewöhnlich hart und offen mit dem Zustand der eigenen technologischen Leistungsfähigkeit ins Gericht. Auf der Liste fanden sich Computerchips, bei denen China zwei Generationen zurücklag, Betriebssysteme von Mobiltelefonen, die zu sechs Siebteln von Google und zu einem Siebtel von Apple kamen, oder die Lidar-Technik, die für selbstfahrende Autos benötigt wird.

Die Würgegriff-Liste als Gebrauchsanweisung

Wann immer Washington in den Folgejahren China mit Technologiesanktionen treffen wollte, nutze es diese Liste als eine Art Gebrauchsanweisung. Die Lithographiemaschinen des niederländischen Unternehmens ASML , die für die Herstellung der leistungsfähigsten Mikrochips benötigt werden und deren Lieferung nach China Washington unterbindet, stehen auf der Liste. Der Huawei-Bann traf den Telekommunikationskonzern vor allem beim Betriebssystem. Das Gleiche gilt für modernste Halbleiter oder Software, um Computerchips zu designen.

Doch China nutzte die Zeit. In rund zwei Dritteln der Technologien habe China das ausländische Monopol durchbrochen, heißt es in einer Analyse des Shanghaier Datendienstleisters Baiguan. In manchen Fällen wie dem der Lidar-Technik dominiere China inzwischen den Markt. In anderen Segmenten seien die Fortschritte groß genug, damit das Land nicht mehr erpresst werden könne. In einem Drittel ist das Reich der Mitte weiterhin abhängig. Das gilt vor allem für die ASML-Maschinen.

Die „Würgegriff-Technologien“ sind eines der Beispiele dafür, wie China sich aus der Umklammerung der USA befreit hat. Die Staatsführung steckt viel Geld in Technologieförderung und Industriepolitik. Universitäten richten sich auf Naturwissenschaften und Technologie aus. Schritt für Schritt haben sie die technische Abhängigkeit von den USA verringert. China demonstriert zugleich, dass die Wirkung von Sanktionen ins Gegenteil umschlagen und die technische Entwicklung im sanktionierten Land erst recht anstacheln können. Der Huawei-Konzern kontrolliert mit seinem Betriebssystem heute ein Fünftel des Handymarktes. Das chinesische Start-up Deepseek hat gezeigt, dass man auch mit einfacherer Chiptechnik im Bereich der Künstlichen Intelligenz mithalten kann.

Peking bereitete sich jahrelang vor

Ganz ähnlich nutzte China die vergangenen Jahre, um die wohl schärfste Waffe Trumps, die Zölle, etwas stumpfer zu machen. Vor sieben Jahren gingen nach chinesischen Statistiken rund 20 Prozent der Ausfuhr direkt in die USA, im Wert von fast 500 Milliarden Dollar. In diesem Jahr sind es Stand September nur noch gut elf Prozent. Die USA haben für China deutlich an Bedeutung verloren. Viel mehr Lieferungen gehen nach Südostasien, teils auch als Zwischenstation auf dem Weg in die Vereinigten Staaten.

Vor allem aber bereitete die Regierung in Peking weitgehend unbemerkt von der breiteren Öffentlichkeit seinen eigenen Würgegriff vor: Rohstoffe. China schuf die rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen, um die Ausfuhr seltener Erden zu kontrollieren. Vor fünf Jahren bündelte ein Exportkontrollgesetz die entsprechenden Regeln und Zuständigkeiten, analysierte damals die Großkanzlei White & Case. Ende des vergangenen Jahres, vor Trumps zweiter Amtszeit, regelte eine Durchführungsverordnung die Arten von Exportlizenzen und die Strafen bei Verstößen, schrieb der Shanghaier Anwalt Dominic Köstner in der juristischen Fachzeitschrift „Anwaltspraxis“. Dazu trat eine neue Exportkontrollliste zur Klassifizierung der kontrollierten Güter in Kraft. So legte Peking die rechtlichen Grundlagen und Prozesse für die Handelskontrollen der seltenen Erden. Erstmals wandte Peking die neuen Regeln vor knapp einem Jahr auf Gallium und Germanium an – ein Test für spätere Exporthemmnisse.

Zugleich fusionierte China viele Unternehmen in dem Wirtschaftsbereich seltene Erden. Das verbessert die Kon­trol­le und beschränkt den Wettbewerb, sodass Exportkontrollen weniger oft umgangen werden. Bis 2016 bündelte China mehr als 20 Minenbetreiber und mehr als 50 Unternehmen, die seltene Erden weiterverarbeiten, in sechs Großkonzernen. Ende 2021 wurde die Zahl der Unternehmen auf vier reduziert Die größten sind die Northern Rare Earth Group und die China Rare Earth Group. Nicht zuletzt ging China scharf gegen illegale Minen vor, die schwer zu kontrollieren sind und in denen es viele Umweltverstöße gab. Die Zahl der offiziellen Minen ist von 123 auf weniger als zehn gesunken.

Heute wird Chinas Anteil an der Weiterverarbeitung seltener Erden auf mehr als 90 Prozent geschätzt. Deshalb gefährden die Exportkontrollen, die Peking im April einführte und im Oktober verschärfte, die globalen Lieferketten so sehr. Eine Aufholjagd ist für den Westen schwer, weil Peking die Ausfuhr der entsprechenden Technologien beschränkt. Zugleich kann China das System der Exportkontrollen jederzeit aktivieren, um unbotmäßige Handelspartner zu bestrafen. Die Waffenstillstände, die Washington bisher mit Peking ausgehandelt hatte, währten nie lange.

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