Selbst welcher Sieger fordert eine Begehung

Die Demokratie scheint selbst an ihren historisch starken Standorten wie den USA und Frankreich gefährdet zu sein. Daher sollte man sich nicht zu sehr wundern, wenn sie sich in jüngeren Entwicklungsländern als besonders fragil präsentiert. Dass sich bei den am 5. September in Algerien stattgefundenen Präsidentschaftswahlen Amtsinhaber Abdelmadjid Tebboune durchsetzen würde, stellt keine große Überraschung dar. Dass ihm laut der noch provisorischen Auszählung aber 94,65 Prozent der Wählerstimmen zugeschrieben wurden, überzeugt wenig – zumal die anderen beiden zugelassenen Kandidaten unbestreitbar große Teile der algerischen Gesellschaft repräsentieren.

Abdelaali Hassani, der für das islamisch-konservative Mouvement de la Société pour la Paix angetreten war, soll nur 3,17 Prozent erreicht haben. Und Youcef Aouchiche, der Kandidat der Front des Forces Socialistes, hatte zur Wiederaufnahme der durch die Covid-Pandemie beendeten Demokratiebewegung aufgerufen und bekam nur 2,16 Prozent zugesprochen. Immerhin reichten nicht nur die Unterlegenen bei der Wahlkommission Protest ein. Sogar der Wahlsieger forderte eine Überprüfung der Ergebnisse, die sich mathematisch nicht korrekt auf die gemeldete Wahlbeteiligung von 48 Prozent reimen.

Was steckt hinter solch einer Farce? Das Interesse an Wahlen blieb in Algerien auch nach der Einführung des Mehrparteiensystems 1988, also noch vor dem Zusammenbruch des Ostblocks, gering. Dass dieses Misstrauen gegenüber den politisch Herrschenden fortdauert, ist die Folge des unverdauten Bürgerkriegs der 1990er Jahre. Weder die Bluttaten der islamistischen Guerilla noch die überschießende Repression wurden öffentlich und juristisch aufgearbeitet. Das ließ tiefe Risse in der Gesellschaft fortbestehen.

Wie sein Vorgänger Abdelaziz Bouteflika setzte Tebboune darauf, mit Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport den Lebensstandard zu heben, was ihm in erheblichem Maß gelang. Dass er einen entschlossenen Kampf gegen Korruption in den obersten Rängen der Mächtigen führt, ist ihm anzurechnen.

Die Kritik westlicher Medien am algerischen Regierungschef hat den Grund, dass das Land mit Russland und China zusammenarbeitet und der wichtigste Verteidiger der Unabhängigkeit der Westsahara ist, die Marokko völkerrechtswidrig besetzt hält.

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