Schwedischer Batteriehersteller Northvolt beantragt Gläubigerschutz

Nach langem Ringen um eine neue Finanzierung hat der schwedische Batteriehersteller Northvolt einen Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts gestellt. Wie das Unternehmen am Donnerstagabend mitteilte, soll es dadurch in die Lage versetzt werden, „seine Schulden umzustrukturieren, das Geschäft auf Basis der aktuellen Kundenbedürfnisse anzupassen und eine Wachstumsperspektive zu schaffen“.

Gleichzeitig sollen Northvolt neue Mittel zur Verfügung gestellt werden. Der Lastwagenhersteller Scania, eine Tochtergesellschaft des Volkswagen-Konzerns, werde 100 Millionen Dollar in Form eines speziellen Darlehens zur Verfügung stellen, das Unternehmen aus den USA während eines Insolvenzverfahrens nutzen können. Darüber hinaus erhalte Northvolt von Kreditgebern Zugang zu weiteren etwa 145 Millionen Dollar, heißt es in der Pressemeldung weiter.

Scania bezieht Batteriezellen von Northvolt. Der Mutterkonzern VW ist mit mehr als 20 Prozent an Northvolt beteiligt und damit der größte Anteilseigner vor der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs. Außerdem sind etliche schwedische und globale Fonds an dem Start-up beteiligt, das lange als Hoffnungsträger der EU für den Bau von Batteriezellen galt, aber schon lange mit erheblichen Problemen kämpft.

Insolvenzverfahren über Niederlassung in den USA

Wegen wegbrechender Aufträge und Schwierigkeiten beim Hochfahren der Produktion hatte der Konzern zuletzt seine Ausbaupläne eingedampft, Tausende Mitarbeiter entlassen und Tochtergesellschaften verkauft. Das Sanierungsverfahren nach Chapter 11 des US-Insolvenzrechts kann das Unternehmen beantragen, weil es in Amerika eine Niederlassung hat. Es schützt Northvolt für eine gewisse Zeit vor dem Zugriff seiner Gläubiger und soll damit den finanziellen Neustart erleichtern.

Die Probleme haben auch Auswirkungen auf Norddeutschland, wo Northvolt im schleswig-holsteinischen Heide eine große Fabrik bauen will. Northvolt Germany, die zuständige Gesellschaft in Deutschland, werde unabhängig von der Muttergesellschaft finanziert, hieß es am Donnerstagabend vom Unternehmen. Sie sei nicht Teil des Chapter-11-Verfahrens, der Bau nahe Heide „ist und bleibt ein strategischer Grundpfeiler von Northvolt“.

Noch keine Subventionen abgerufen

Es seien bisher noch keine der von Deutschland zugesagten Subventionen abgerufen worden, und das sei auch nicht geplant, solange die Restrukturierung der Muttergesellschaft andauere. Wegen des schwierigen Marktumfeldes plane Northvolt, in der zweiten Jahreshälfte 2027 mit der ersten Zellmontage am Standort bei Heide zu beginnen und im Anschluss den Fabrikhochlauf zu starten. Ursprünglich war die erste Zellmontage für Ende 2026 vorgesehen.

Für den Bau der geplanten 4,5 Milliarden Euro teuren Batteriezellenfabrik in Heide wurden Northvolt von der Bundesregierung und vom Land Schleswig-Holstein Fördermittel von rund 900 Millionen Euro zugesagt. Im Heimatland Schweden habe man bislang 5,2 Milliarden Euro investiert und staatliche Unterstützung von rund 70 Millionen Euro erhalten.

Sparprogramm zeigte wenig Wirkung

Northvolt-Chef Peter Carlsson hat den längerfristigen weiteren Finanzbedarf von Northvolt kürzlich mit mehr als 900 Millionen Dollar beziffert. Seit 2016 hat das Unternehmen nach eigenen Angaben von Investoren schon insgesamt 10 Milliarden Dollar an Eigen- und Fremdkapital erhalten. Erst Anfang des Jahres hat Northvolt über eine Anleihe 5 Milliarden Dollar Kredit aufgenommen.

2023 hat sich der Jahresverlust von Northvolt vor Steuern auf rund 1,2 Milliarden Dollar fast vervierfacht. Seit dem Sommer hat sich die Krise immer stärker zugespitzt. Um die Kosten zu senken, gab Northvolt im September einen Restrukturierungsplan bekannt. Unter anderem wurden 1600 Arbeitsplätze gestrichen und verschiedene Expansionsprojekte auf Eis gelegt. Eine Tochtergesellschaft in Schweden meldete Insolvenz an. Northvolt will sich nun zunächst darauf konzentrieren, die noch immer stockende Produktion in seiner ersten Batteriezellenfabrik im nordschwedischen Skellefteå hochzufahren.

Probleme mit Produktionsprozess

Northvolt galt lange als großer Hoffnungsträger bei der technologischen Aufholjagd Europas in der Batteriezellenfertigung. Die Batterie ist die mit Abstand teuerste Baukomponente von Elektroautos, aber bisher ist die europäische Autoindustrie fast vollständig abhängig von Lieferanten aus China und anderen asiatischen Ländern. Allein der chinesische Weltmarktführer CATL liefert rund ein Drittel aller Stromspeicher für E-Autos auf der Welt.

Northvolt ist das erste europäische Unternehmen, das eine große Batteriezellenfabrik gebaut hat. Das Werk in Skellefteå ging im Dezember 2021 in Betrieb. Bis heute hat Northvolt aber den technisch komplexen Produktionsprozess nicht in den Griff bekommen. Die „Gigafactory“ in Schweden hat in ihrer ersten Ausbaustufe eine jährliche Fertigungskapazität von 16 Gigawattstunden, genug, um Stromspeicher für rund 230.000 Elektroautos im Jahr herzustellen.

Aber noch immer erreicht die Fabrik nur einen kleinen Bruchteil ihrer Kapazität und produziert viele fehlerhafte Batteriezellen. Inzwischen haben die ersten Kunden die Geduld verloren: BMW stornierte im Juni einen milliardenschweren Großauftrag bei Northvolt. Unter anderem haben auch Audi und Porsche bei den Schweden Batteriezellen bestellt.

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