Schuldenpolitik: Das neue Schuldenpaket könnte die Wirtschaft ausbremsen

Das Schuldenpaket bietet viel Geld für
Verteidigung und Infrastruktur. Doch das Risiko besteht, dass dieses Geld am Ende nur die Preise treiben könnte, schreiben die beiden Ökonomen Max Krahé und Aurora Li von der Berliner Denkfabrik Dezernat Zukunft.

Das Schuldenpaket, das
von Union, SPD und Grünen beschlossen wurde, klingt spektakulär: 500 Milliarden
Euro für Infrastruktur, unbegrenzte Neuverschuldung für Verteidigung, zusätzlich
etwa 15 Milliarden Euro jährlich für die Länder, also für Schulen,
Krankenhäuser und andere Landesinvestitionen.

Die Märkte freuten sich: Das
Paket weckt die Hoffnung auf Wachstum, und damit höhere Renditen. Können diese
Hoffnungen in Erfüllung gehen?

Es hängt an den
Kapazitäten, also an den ganz realen Grenzen unserer Volkswirtschaft. Gibt es genug
Platz in den Auftragsbüchern der Unternehmen, kann eine höhere Nachfrage zu
Wachstum führen, insbesondere in den Sektoren Verteidigung und Infrastruktur,
in die ein Großteil des Geldes fließen soll. Fehlen die Kapazitäten, steigen vor
allem die Preise.

Das zeigte sich bei der Riedbahn, der Bahnstrecke von Mannheim nach Frankfurt. Zunächst als schrittweises
Sanierungsprojekt geplant, wurde es 2023 auf eine schnellere Generalsanierung
umgepolt und mit mehr Geld hinterlegt.

Doch die notwendigen Kapazitäten waren
bereits an anderer Stelle verplant. Zusammen mit der (bekannten) hohen
politischen Priorität des Projekts gab das Baufirmen die Sicherheit, hohe
Preise zu verlangen. Die Beschleunigung gelang, aber die Kosten stiegen um 30
bis 50
Prozent
.

Wir haben die Kapazitäten
in den Bereichen Rüstung und Bau analysiert
. Das Ergebnis: Der Verteidigungssektor ist
gerüstet, im Bau sind Kapazitätsengpässe absehbar. Gerade im Tiefbau, wie zum
Beispiel bei Brücken und Schienen, wird mehr Geld allein nicht ausreichen.

Der Verteidigungssektor ist bereit für das Wachstum

Der Kern des Verteidigungssektors
– der Flugzeug- und Schiffbau sowie die Herstellung militärischer Kampffahrzeuge
– kann höhere Ausgaben verkraften. Der Fachkräftemangel, der nach dem
Angriffskrieg auf die Ukraine entstand, hat sich deutlich entspannt. Die Anzahl
der Firmen, die darüber klagen, fiel seit Mitte 2024 um mehr als zwei Drittel.

Zwar stieg die Kapazitätsauslastung
im Sektor seitdem von 80 auf 90 Prozent. Doch die Branche kann geschätzt noch rund
sechs Milliarden Euro an zusätzlichen Aufträgen umsetzen. Zum Vergleich: Das ist die Menge, die einem
Anstieg der Verteidigungsausgaben auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspräche.

Ginge es deutlich über
2,5 Prozent des BIP hinaus, wäre der Kern des Sektors an der
Auslastungsgrenze. Doch um diesen Kern herum verfügen die rüstungsnahen Industrien,
wie der zivile Fahrzeugbau, der Maschinenbau, die Elektro-, Optik und Computer-
sowie die Metallindustrie, noch über erhebliche Kapazitäten. Knapp 280
Milliarden Euro an zusätzlichem jährlichem Umsatz könnten hier bewerkstelligt werden.
Auch in Bezug auf Arbeitskräfte und Materialmangel haben sich die Bedingungen
nach Corona deutlich verbessert.

Selbst wenn nur ein
Bruchteil davon kurzfristig rüstungstauglich ist, bietet dies ein Vielfaches
der Kapazitätsreserven, die im Kern der Rüstungsindustrie verfügbar sind. Eine
erste Mobilisierung und Verschiebung dieser Reserven sind bereits zu beobachten.

Der Tiefbau stößt an seine Grenze

In der Infrastruktur ist die
Situation schwieriger. Zwar könnte unseren Schätzungen zufolge der Hochbau – also der Bau von Wohnungen, Schulen, Krankenhäusern – zwölf Milliarden Euro
an zusätzlichen Aufträgen im Jahr verarbeiten. Im Tiefbau – also bei Straßen,
Schienen, Tunneln und Brücken – sind es schätzungsweise zehn Milliarden Euro. Auch
berichten fast 50 Prozent aller Bauunternehmen von einem Auftragsmangel, gerade
im Hochbau.

Doch ein gleichmäßiger
Abfluss des Infrastruktursondervermögens über die angedachten zwölf Jahre würde
ein jährliches Investitionsvolumen von rund 40 Milliarden Euro bedeuten. Das
ist das Doppelte der verfügbaren Kapazitäten. Die Branche stieße an ihre
Grenzen. Statt neuer Brücken und Schulen würden Flaschenhälse entstehen. Die
Preise würden steigen.

In welchem Maß das
Baugewerbe auf Kapazitäten aus anderen Sektoren zurückgreifen kann, ist unklar. In
gewissem Maße können brachliegende Kapazitäten und Arbeitskräfte aus dem
europäischen Ausland mobilisiert werden. Die gestiegenen Zinsen haben auch dort
den privaten Wohnungs- und Gewerbebau getroffen und somit potenzielle
Kapazitäten freigemacht. Doch im Tiefbau sind Fachkräfte und Maschinen knapp.
Beide sind oft hoch spezialisiert. Neue können nur langsam ausgebildet und
hergestellt werden.

Es braucht mehr als nur Geld

Ein Blick in die
Verteidigungs- und Baubranche zeigt, dass der Geldsegen nicht automatisch eine
neue Blütezeit verspricht. Wenn die Politik will, dass ihre Investitionen
wirken, muss sie mehr tun, als nur mehr Geld bereitzustellen.

Dabei ist klar: Der
Bürokratieabbau und die Beschleunigung von Genehmigungs- und Vergabeverfahren sind
wichtig. Doch gerade im Bereich der Infrastruktur müssen Arbeitskräfte mobilisiert
und qualifiziert werden. Aufgaben müssen sorgfältig geplant werden, um
kurzfristige Kostensteigerungen in Grenzen zu halten. Gleichzeitig muss die
Planung verlässlich sein, um Anreize für Investitionen in neue private Kapazitäten
zu setzen. Sonst entpuppt sich der erhoffte Aufbruch als teure Illusion.

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