Schuhmarkt: Deichmann: Klage wegen Müllkosten

Dass Konsumenten Schuhkartons nach dem Kauf mit nach Hause nehmen – eher die Seltenheit, heißt es von Deichmann. Der Schuhhändler bleibe auf den Kosten für deren Entsorgung sitzen, und zwar in doppelter Weise. Dagegen klagt Deichmann jetzt.

Die Schuhe passen, ab zur Kasse. Aber was tun mit dem Karton – mitnehmen oder dalassen? Die meisten lassen ihn da, sagt Deichmann – und möchte raus aus einem teuren Entsorgungssystem. Daher klagt Europas größter Schuhhändler aus Essen gegen eine Überwachungsbehörde. Das hat es mit dem Fall auf sich.

Mit der Klage möchte Deichmann die Kosten für die Entsorgung von Schuhkartons drücken. Klappt das, könnten auch die Preise für Schuhe etwas sinken. Vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen kommt es am heutigen Freitag zur mündlichen Verhandlung, bei der zunächst ein Gutachten vorgestellt wird. Ob es heute bereits zu einem Urteil kommt, lässt sich nicht sagen.
Deichmann erhebe Klage, um die aktuelle Auslegungspraxis der ZSVR, Zentrale Stelle Verpackungsregister, eine Überwachungsbehörde aus Osnabrück, rechtssicher klären zu lassen, heißt es von einem Deichmann-Sprecher auf TW-Anfrage. „Es geht nicht um Einzelinteressen, sondern um ein strukturelles Problem, das die gesamte Branche betrifft – und letztlich auch Verbraucher belastet.“

Das ist das Problem

Deichmann hat eigenen Angaben zufolge 2024 stationär und online rund 67 Millionen Paar Schuhe deutschlandweit verkauft. Gelagert werden die Schuhe in Pappkartons. Aber was passiert nach dem Kauf mit ihnen? Typischerweise bleiben sie im Shop und der Kunde nimmt nur die Schuhe mit, heißt es von Deichmann.

Obwohl sich Deichmann selbst um die Entsorgung der im Shop verbliebenen Kartons kümmert und über eigene Wege recycelt, muss der Schuhverkäufer Geld an einen Mülldienstleister zahlen, ein „duales System“, was die Abholung, Sortierung und Wiederverwertung von Abfall an den Haushalten der Verbraucher organisiert. Das hält Deichmann für unsinnig, schließlich landeten dort kaum Kartons – die seien ja im Geschäft geblieben.

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Für diese Lizenzierungspflicht, also die Pflicht zur Bezahlung besagter Mülldienstleister, ist die ZSVR zuständig. Sie kontrolliert, ob alle Inverkehrbringer von Verpackungen auch für die Abholung, Sortierung und Aufbereitung des Mülls aufkommen, der beim Endverbraucher in der Mülltonne gelandet ist, bei Papier und Pappe also in der Blauen Tonne.

„Die derzeitige Interpretation zwingt Unternehmen, Verpackungsmengen zu lizenzieren, die nachweislich nicht im haushaltsnahen Abfall anfallen. Besonders betroffen: Schuhkartons, die viele Händler – auch Deichmann – gar nicht an Kunden herausgeben, sondern einbehalten, intern sammeln und über eigene, nachhaltige Systeme recyceln“, heißt es von Deichmann dazu.

„Trotzdem fordert die ZSVR zusätzliche Lizenzierungen – gestützt nicht auf belastbare Daten, sondern auf Gutachten, die die Realität der Branche verzerrt darstellen. Die Folge: eine Praxis auf Basis von Annahmen statt Fakten, die Unternehmen und Verbraucher unnötig finanziell belastet.“ Diese Kartonagen belasteten die dualen Systeme faktisch nicht. Dennoch zahlten Unternehmen doppelt – Kosten, die am Ende auch die Verbraucher treffen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sei das weder gerecht noch sachlich begründbar.

Deichmann möchte von dieser Zahlungspflicht befreit werden. Nicht nur Deichmann, sondern die gesamte Schuhbranche leide unter der Problematik, sagt Axel Augustin vom Bundesverband des Deutschen Textil-, Schuh- und Lederwareneinzelhandels (BTE).

Das sagt die Behörde

Die Zentrale Stelle Verpackungsregister macht Deichmann bislang einen Strich durch die Rechnung – sie hält die Kartons für „systembeteiligungspflichtig“, schließlich landeten die Kartons „überwiegend“ beim privaten Endverbraucher, zumal die über den Online-Shop versandten Schuhkartons ja komplett beim Konsumenten blieben.

Dabei stützt die Behörde sich auf eine Analyse der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung. Vor der Gerichtsverhandlung gibt sich die ZSVR gelassen. Eine Sprecherin sagt: „Wir begrüßen, dass nun erstinstanzlich über die Einordnung von Schuhkartons entschieden wird.“ Das schaffe Rechtssicherheit und Klarheit für alle Beteiligten und stärke gleiche Wettbewerbsbedingungen.

Das könnte sich für Konsumenten ändern

Deichmann moniert, dass die Firma derzeit doppelt zahle: einmal für das eigene Abfallsystem und einmal über die Kosten für das duale System, obwohl dieses „faktisch nicht belastet“ werde mit Kartonmüll von Deichmann. Das seien „Kosten, die am Ende auch die Verbraucher treffen“, heißt es von der Firma. „Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist das weder gerecht noch sachlich begründbar.“

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BTE-Verbandsgeschäftsführer Augustin weist darauf hin, dass die haushaltsnahe Entsorgung deutlich teurer sei als die Entsorgung von Schuhkartons, die als Transportverpackungen im Geschäft bleiben und von einem Dienstleister abgeholt werden. Die Lizenzierungspflicht erhöhe die Kosten innerhalb der Schuhbranche und mache Schuhe damit teurer, sagt er. Im Umkehrschluss heißt das: Sollten sich Deichmann und später auch andere Schuhhändler gegen die Behörde durchsetzen, könnten die Preise für Schuhe etwas sinken oder zumindest stabil bleiben.

So stehen die Chancen von Deichmann

Schwer zu sagen, denn es gab bislang noch keinen anderen Schuhhändler, der gegen die Lizenzierungspflicht vorgegangen ist. Klagen von Firmen aus anderen Branchen hat die Behörde schon einige hinter sich, die meisten davon hat sie gewonnen.

Einige Beispiele: Ein Lebensmittelhersteller wollte die Eimer, in denen Mayonnaise aufbewahrt wird, von der Systempflicht und damit von den Zusatzkosten ausgenommen haben, doch das Verwaltungsgericht Osnabrück wies die Klage ab.

Ein Hersteller von Schnullern scheiterte ebenfalls mit dem Vorhaben, Schnuller-Boxen auszunehmen. Begründung des Osnabrücker Verwaltungsgerichts: Schnuller-Boxen seien selbst keine Waren, sondern eben nur Verpackungen, mit denen Schnuller verkauft werden.

Erfolg hatte hingegen die Klage eines Seifenblasen-Herstellers, der das Behältnis, in dem auch der Blasring ist, nicht als bloße Verpackung, sondern als Teil des Spielzeugs einstufte und sich damit vor dem Osnabrücker Verwaltungsgericht durchsetzte.

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