Scholz wirbt um ostdeutsche Unternehmer

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat drei Monate vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen die Bedeutung Ostdeutschlands für die deutsche Wirtschaft hervorgehoben. „Ostdeutschland kann Veränderung und ist ein zentraler Impulsgeber für unsere Wirtschaft“, sagte Scholz zur Eröffnung des ostdeutschen Wirtschaftsforums am Sonntag in Bad Saarow. Der klimaneutrale Umbau der Industrie, die Digitalisierung und die Nutzung Künstlicher Intelligenz würden den Takt der wirtschaftlichen Entwicklung vorgeben, sagte er zum Auftakt vor mehr als 400 Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, unter ihnen auch die Premierministerin der Republik Litauen, Ingrida Šimonytė.

„Die Geschwindigkeit halten wir hoch in den kommenden Jahren“, versprach der Kanzler anlässlich des Spitzentreffens der ostdeutschen Wirtschaft.

Wenige Tage vor der Europawahl am nächsten Wochenende, bei der die Umfragen der AfD nicht nur in Ostdeutschland Stimmengewinne zutrauen, formulierte Scholz auch einen Wunsch für das Zusammenwirken von Politik und Wirtschaft. „Offen, konstruktiv, Hands-On. So verteidigen wir unser geeintes Europa. So verteidigen wir die demokratische Entwicklung der vergangenen 35 Jahre. Und so schreiben wir unsere wirtschaftliche Erfolgsgeschichte fort – gerade hier in Ostdeutschland.“ Drei Wochen nach Sachsen und Thüringen wird Ende September auch in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt.

Schlechte Stimmung in der ostdeutschen Wirtschaft

Die Stimmung in der ostdeutschen Wirtschaft im Superwahljahr ist schlecht und unterscheidet sich kaum von den Einschätzungen der Unternehmen in den alten Bundesländern. Der ifo Geschäftsklimaindex Ostdeutschland hat im Mai zwar bereits zum dritten Mal in Folge zugelegt. „Die wirtschaftliche Situation ist aber auch in Ostdeutschland durch die anhaltende konjunkturelle Schwäche gekennzeichnet“, sagt Joachim Ragnitz, Geschäftsführer der Niederlassung des ifo Instituts in Dresden. Die konjunkturelle Entwicklung im Osten unterscheide sich schon seit Jahren nicht mehr von der Dynamik im Westen. „Der Fachkräftemangel ist im Osten allerdings besonders stark ausgeprägt und die politische Unsicherheit ist vor den Landtagswahlen in drei Bundesländern höher“, sagt der Ökonom zu den besonderen Herausforderungen für ostdeutsche Unternehmer.

Laut einer Umfrage unter 1500 Entscheidern in der ostdeutschen Wirtschaft, die das Meinungsforschungsunternehmen Civey für das ostdeutsche Wirtschaftsforum durchgeführt hat, sehen fast drei Fünftel der Befragten die Gewinnung von Mitarbeitern als Herausforderung für ihr Unternehmen. Mehr als ein Drittel bewerten die Möglichkeit einer politischen Radikalisierung als Risiko am Wirtschaftsstandort Ostdeutschland. Auf Platz drei in der Liste der am häufigsten genannten Herausforderungen liegt der wachsende Wettbewerbsdruck. Insgesamt schätzen nur 29 Prozent der Entscheidungsträger im Osten die wirtschaftliche Lage als gut ein. Mehr als die Hälfte bewerten sie negativ.

Zur schlechten Stimmung in der ostdeutschen Wirtschaft trägt auch die Ampel-Regierung in Berlin bei. Fast 70 Prozent der Entscheidungsträger fühlen sich laut Civey-Umfrage nicht ausreichend von der Politik unterstützt. Das hat nach Einschätzung von Ifo-Ökonom Ragnitz nicht zuletzt mit der besonders stark von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägten Wirtschaftsstruktur im Osten zu tun. „Mein Eindruck ist, dass die Bundesregierung gerade in der Klimapolitik nur die Interessen von Großunternehmen berücksichtigt, während die kleineren Unternehmen häufig allein gelassen werden“, sagt Ragnitz.

In den nächsten Tagen wirbt in Bad Saarow nicht nur Scholz um die ostdeutschen Unternehmerinnen und Unternehmer. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) haben sich in dem Kurort vor den Toren Berlins angekündigt.

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