Auch in diesem Jahr haben viele Verbraucher Hunderte Euro für Geschenke ausgegeben, oft deutlich mehr als geplant. Wie entsteht dieser Berg an Geschenken, von denen viele für die Beschenkten nur teils ein Erfolg sind? Die Sorge vor Zeitnot und Lieferengpässen verleitet viele Verbraucher zum frühzeitigen und übermäßigen Kauf.
Vorgezogene und zeitlich begrenzte Rabatte rund um den Black Friday haben die gefühlte Knappheit und den Einkauf auf Vorrat verstärkt. Kurz vor dem Fest erhöht der letzte Lieferzeitpunkt erneut den Druck und begünstigt impulsive und weniger überlegte Käufe. So entstehen umfangreiche Lager an Geschenken, von denen am Ende nur ein Teil zum Einsatz kommt.
Eine Alternative wären Absprachen wie „Wir schenken uns nichts“. Diese bleiben jedoch meist ergebnislos. Ein Grund ist das Gefangenendilemma aus der Spieltheorie. In diesem Gedankenexperiment werden zwei Komplizen getrennt verhört. Halten beide dicht, kann die Polizei ihnen nichts nachweisen, sodass beide freikommen.
Warum sich kaum jemand ans Nicht-Schenken hält
Verrät jedoch einer den anderen, zieht er den eigenen Kopf aus der Schlinge, während der Komplize bestraft wird. Daher macht es spieltheoretisch am meisten Sinn auszupacken, um sich vor dem möglichen Verrat zu schützen. Das lässt sich auf die harmlosere Situation des Schenkens übertragen. Während kooperatives Verhalten (niemand schenkt) zum kooperativen Optimum führte, lässt die Angst, dass vielleicht doch jemand im Sinne des Dilemmas „auspackt“, also gegen die Absprache doch ein Geschenk zum buchstäblichen Auspacken mitbringt, alle zu Absicherungsgeschenken greifen. Am Ende schenkt doch wieder jeder und das Geschenkvolumen wächst.
Warum kaufen wir zudem teure Geschenke statt aufmerksamer Kleinigkeiten? Ein Grund liegt in der Funktion des Preises als Qualitätsmerkmal, eine verlässliche Heuristik, wenn objektive Qualität schwer einschätzbar ist. Abstinente Teetrinker werden ohne eigenen Erfahrungswert für den bejahrten Onkel eher die teure Flasche Weinbrand erwerben. Zudem wächst die Signalwirkung mit dem Preis. Hierbei spielt die soziale Distanz zu dem hypothetischen Onkel eine Rolle: Laut der Construal Level Theory fördert soziale Distanz abstraktes, Nähe hingegen konkretes Denken. Die nahe Familie erhält Praktisches mit klarem Nutzen. Beim entfernteren Onkel dominieren abstrakte Motive, wie Begehrlichkeit und Preis.
Was bedeutet der Veblen-Effekt?
Dies führt zu Veblen-Geschenken. Der US-Ökonom Thorstein Veblen (1857 bis 1929) entdeckte, dass die Nachfrage nach Prestigeobjekten mit dem Preis steigt. Bei normalen Produkten wie Brot und Butter ist es umgekehrt. Der Veblen-Effekt gilt auch für Geschenke. Der Preis ist hier weniger Maßstab für den Gebrauchswert, sondern vielmehr ein direktes Signal für die Wertschätzung des Beschenkten. Aktuell beobachten wir diesen Effekt etwa bei Labordiamanten: Angesichts fallender Herstellungskosten dürfte unter dem Weihnachtsbaum eher die Karatzahl wachsen, als der Kaufpreis sinken, während umgekehrt Goldkettchen im Gewicht schrumpfen.
Kommen wir zu den Kindern, die heute kaum über ihren Berg an Geschenken schauen können. War früher nicht alles besser beziehungsweise bescheidener und sockenförmiger? Selbst wenn sich Budgets der Schenkenden nicht veränderten, hätten Kinder heute mehr als früher. Denn unsere Bevölkerungspyramide balanciert durch die relative Geburtenschwäche zunehmend auf der Spitze. Kamen früher auf eine Oma viele Enkel, so verteilt eine einzelne Oma heute ihr Budget auf wenige Enkel, und sie kann, der zunehmenden Lebenserwartung folgend, auch an mehr Weihnachtsfesten großzügig sein.
Jeder Schenkende kennt das Gefühl, das Falsche gekauft zu haben. Denn Informationsasymmetrien dominieren das Schenken. Wir wissen schlicht nicht zuverlässig, was dem Beschenkten Freude macht. Wunschzettel wären die rationale Lösung, doch sie bergen ein soziales Risiko. Gerade in engen Beziehungen soll das Geschenk Kreativität und Menschenkenntnis beweisen. Wer sich an den Wunschzettel hält, verringert zwar das Risiko des Scheiterns, sendet aber auch ein Signal geringen Aufwands. Viele versuchen sich deshalb über Geschenkkörbe abzusichern: Etwas daraus wird schon passen. Doch Diversifikation schadet beim Schenken. Geschenkkörbe unterliegen Durchschnittseffekten, denn der günstige „Tand“ senkt den durchschnittlich wahrgenommenen Gesamtwert.
Auch Gutscheine, das häufigste Geschenk der Deutschen, bergen ein Problem. Wer einen Gutschein schenkt, nimmt ihn als wertvoller wahr als dessen Barwert, da der Gutschein aufwendig ausgesucht wurde und ästhetischer ist als schnödes Bargeld. Der Beschenkte hingegen bewertet den Gutschein unterhalb des Nominalwerts. Denn die Einlösung kostet Mühe, und es besteht ein Risiko des Nichteinlösens.
Wie entkommen wir dem kollektiven Irrationalismus? Zwei Empfehlungen liegen nahe. Konzentrieren Sie Ihr Budget auf ein einziges, hochqualitatives Einzelgeschenk, um die Signalwirkung zu maximieren. Treten Sie auch der Informationsasymmetrie entgegen. Nur klare Absprachen über Wünsche und Budgets lösen die Dilemmata einer Absicherungsspirale und unpassender Präsente.
Erik Maier ist Professor für Marketing an der TU Chemnitz.
Florian Dost ist Professor für Marketing an der Brandenburgischen TU Cottbus – Senftenberg.