Der Boxring ist eine ideale Bühne: Der
Raum ist begrenzt, die einzelnen Runden gleichen den Akten eines Theaterstücks.
Auf wenigen Quadratmetern findet eine
Verdichtung von Konflikten, die Zuspitzung von Emotionen statt.
In Film und Literatur steht das Boxen natürlich
nie allein für den Sport, sondern für den Lebenskampf seiner Protagonisten: Rocky
Balboa, Jack LaMotta in Raging Bull oder Billy Tully in Fat City.
Aber auch die Poesie des Schlagabtausches fasziniert Künstler seit jeher: In
ihrem Essay Über Boxen schreibt Joyce Carol Oates, man könne Boxer mit Tänzern
vergleichen, denn beide seien Körper und nichts anderes.
Bis vor Kurzem waren die Protagonisten in
Film und Literatur ausschließlich männlich, doch seit einiger Zeit sind die kämpfende
Frauen in der Kunst angekommen: Den Anfang machte 2004 der mit vier Oscars
ausgezeichnete Film Million Dollar Baby von und mit Clint Eastwood.
Hilary Swank spielt darin eine Kellnerin, die sich mit der Hilfe ihres
Boxtrainers aus der Armut herauskämpft – am Ende aber so schwer verletzt wird,
dass sie gelähmt bleibt. Um Kraft und Körperlichkeit von Frauen geht es im
derzeit im Kino laufenden Film Love Lies Bleeding (2024) von Rose
Glass. Die Regisseurin bricht mit stereotypen Weiblichkeitsvorstellungen: Die
Bodybuilderin Jackie, die so stark ist, dass sie einem Mann mit einem Schlag
das Gesicht zertrümmern kann, wird zum Objekt des Begehrens.
In der aktuellen Literatur dient das Boxen
indes oft als Ventil für die Wut der Protagonistinnen oder wird als Akt
weiblicher Selbstermächtigung dargestellt. In Mareike Fallwickls Roman Die Wut,
die bleibt (2022) etwa schlagen vier Teenagerinnen Männer zusammen, die
ihnen oder anderen Frauen Gewalt angetan haben.
Das jüngste Beispiel ist der Roman Schlaglicht.
Das Debüt der US-amerikanischen Schriftstellerin Rita Bullwinkel steht auf der
Longlist des Booker Prize 2024. Derzeit hat die Autorin aus San Francisco eine
Gastprofessur für Literatur in Leipzig inne. Schlaglicht spielt an einem Wochenende, an dem der
fiktive Daughters of America Cup stattfindet, der wichtigste Boxwettkampf für
Frauen in der Jugendliga. Zeitlich wird der Wettkampf im Jahr 20XX verortet. Im
amerikanischen Onlineliteraturmagazin Lithub erklärt die Autorin, sie
habe sich dafür entschieden, weil das Buch „außerhalb der Zeit“ angesiedelt
sein soll.
Der Roman behandelt zwei Wettkampftage,
jedem Match ist ein eigenes Kapitel gewidmet. In kurzen Absätzen erhält man
abwechselnd Einblick in die Gedanken der Boxerinnen, die miteinander in einen
Dialog ohne Worte treten. Zusätzlich kommen Perspektiven von Außenstehenden ins
Spiel: Ein Lokalreporter analysiert gründlich die Kampftechniken, die Großmutter
eines der Mädchen versteht nicht, was ihre Enkelin tut, aber ist beeindruckt
vom Selbstbewusstsein der Mädchen.
Jede Boxerin hat ihren eigenen Grund dafür,
in den Ring zu steigen. Die in sich gekehrte Rose Mueller zum Beispiel, die als
Kind gemobbt wurde und jedes Mädchen, das gegen sie antritt, zu lieben beginnt,
„weil es bereit ist, mit ihr Zeit zu verbringen, ohne mit ihr sprechen zu müssen“.
Oder Iggy Lang, die gegen ihre ältere Cousine Izzy Lang in den Ring steigt und „einfach
die Weltbeste in etwas“ sein will.
Zielstrebig und von den eigenen Fähigkeiten
überzeugt sind die Mädchen alle: „Man kann für keine Sportart trainieren, wenn
man nicht daran glaubt, dass man sein Schicksal selbst in der Hand hat.“
Den anderen Anwesenden gegenüber fühlen sie sich überlegen. Die Trainer finden
sie „völlig nutzlos, wie
bekiffte ältere Brüder, die zum Abschlussball von den Eltern als
Anstandswauwaus mitgeschickt werden“, während die Schiedsrichter als „stümperhaft
zusammengewürfelter Chor von Männern“ beschrieben werden.
Die Jugendlichen identifizieren sich stark
mit dem Boxen, ihr gesamtes Leben wird davon bestimmt. Ein blaues Auge ist für
sie eine Siegestrophäe. Ein Beweis, dass sie etwas tun, „was schwer ist“. Das
Bedürfnis, sich als Kämpferin zu beweisen, mag auch an der marginalisierten
Stellung des Frauenboxens liegen, die ebenfalls thematisiert wird: „Frauenboxen
wurde und wird nie als etwas respektiert, in das man seine ganze Energie
reinsteckt.“
Der Boxring ist eine ideale Bühne: Der
Raum ist begrenzt, die einzelnen Runden gleichen den Akten eines Theaterstücks.
Auf wenigen Quadratmetern findet eine
Verdichtung von Konflikten, die Zuspitzung von Emotionen statt.
In Film und Literatur steht das Boxen natürlich
nie allein für den Sport, sondern für den Lebenskampf seiner Protagonisten: Rocky
Balboa, Jack LaMotta in Raging Bull oder Billy Tully in Fat City.
Aber auch die Poesie des Schlagabtausches fasziniert Künstler seit jeher: In
ihrem Essay Über Boxen schreibt Joyce Carol Oates, man könne Boxer mit Tänzern
vergleichen, denn beide seien Körper und nichts anderes.