Der Chef von Scania und der VW-Nutzfahrzeugtochter Traton kritisiert die Regulierung der EU und fühlt sich alleingelassen. Tatsächlich stimmen die Bedingungen noch nicht für die Erfüllung der CO2-Ziele. Aber woran hapert es?
Bei den CO2-Zielen der EU für die Autoindustrie zeichnet sich der nächste Streit ab. Während die Pkw-Hersteller von der Politik Lockerungen bei den sogenannten Flottengrenzwerten für das kommende Jahr fordern, warnen Manager aus der Lkw-Branche vor den mittelfristigen CO2-Zielen für ihren Sektor.
„Die wahre Herausforderung kommt im Jahr 2030, da verlangt das aktuelle EU-Gesetz 43 Prozent Reduzierung bei allen schweren Lkw und Reisebussen“, sagte Christian Levin, Chef von Scania und der VW-Nutzfahrzeugtochter Traton, WELT AM SONNTAG. Um das zu erreichen, müssten Elektro-Trucks einen Anteil von mindestens 30 Prozent an den Neuzulassungen erreichen.
Traton strebt bis dahin einen Anteil von 50 Prozent an, das sei auch noch immer das Ziel des Konzerns, sagte Levin. „Aber unter den heutigen Bedingungen werden wir nicht in der Lage sein, das zu erreichen: Es gibt noch kein öffentliches Ladenetz für Lkw, keinen Ladestrom-Tarif für die Depots, der Diesel ist zu billig im Vergleich zum Strom und die E-Lkw sind zu teuer.“
Die EU-Gesetze schreiben den Fahrzeugherstellern vor, wie viel CO2 ihre Neuwagen im Durchschnitt pro Kilometer ausstoßen dürfen. Diese Zielmarke wird in den Jahren 2025, 2030 und 2035 jeweils deutlich gesenkt. Für Pkw sind die Vorgaben strenger als für Lkw und Busse. Statt auf null Gramm sinkt der Zielwert für Nutzfahrzeuge 2035 nur um 65 Prozent gegenüber dem Stand von 2019, auch nach 2040 wird noch ein kleiner Anteil fossil betriebener Lkw erlaubt sein.
Der Zwischenschritt 2025 macht den Lkw-Herstellern keine Sorgen. „Das nächste Jahr ist noch nicht so kritisch, denn die gesetzlich vorgeschriebene Reduzierung des durchschnittlichen CO2-Ausstoßes um 15 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2019/2020 ist schon mit Verbesserungen am Verbrennungsmotor erreichbar“, sagte Levin. „Wir haben eine neue Motorengeneration, die etwa zehn Prozent Kraftstoff einspart, und wenn wir zusätzlich am Fahrerverhalten, an den Reifen und aerodynamischen Bauteilen arbeiten, kommen wir recht nahe an die 15 Prozent.“ Dazu brauche es noch einige Tausend Elektrofahrzeuge. Diese Lkw bringen Traton und die größeren Konkurrenten Daimler Truck und Volvo gerade auf den Markt.
Alle Lkw-Hersteller haben inzwischen Batteriefahrzeuge auch für die Langstrecke im Angebot. Doch die Bedingungen für den flächendeckenden Ersatz von Diesel-Lkw passen noch nicht. Dass die Regulierung nur an den Fahrzeugherstellern ansetzt, ärgert die Manager. „Der Gesetzgeber droht uns mit hohen Strafen, wenn der CO2-Ausstoß bis 2030 nicht sinkt. Aber warum gibt es keine Geldstrafen für die Energieversorger, wenn sie das Netz nicht ausbauen? Oder für Ladeanbieter, falls sie nicht schnell genug die Infrastruktur schaffen?“, fragte Levin.
Die USA regulierten über Anreize, unterstützten Investitionen und gewährten Steuererleichterungen. Das führe zu positiven Verhaltensänderungen, lobt er. „Wenn es der neuen EU-Kommission um Wettbewerbsfähigkeit geht, dann muss sie uns bei den Rahmenbedingungen helfen, damit wir das Ziel 2030 schaffen.“
Die Branche gilt auch als Konjunkturindikator. In diesem Jahr werde sich der Markt für Lkw über 16 Tonnen in Europa auf einem niedrigeren Niveau einpendeln, bei unter 300.000 Fahrzeugen, sagt der Traton-Chef voraus. Um wieder einen Aufschwung zu bekommen, besonders in Deutschland, seien unter anderem niedrigere Zinssätze nötig.
„Der Bedarf an neuen Lkw ist da. Die Spediteure zögern aber mit dem Kauf“, sagte Levin. Das Durchschnittsalter von Lastwagen steigt und liegt inzwischen bei 14 Jahren. „Es gibt also Lkw auf der Straße, die 20 oder 25 Jahre alt sind“, sagte Levin. „Welche Auswirkungen das auf die Umwelt hat, ist offensichtlich.“
Source: welt.de